Eisenbahn Verkehrsgeschichte

Geschichte der Eisenbahn – Teil II: 1835 – 1915

Friedrich List: Entwurf eines gesamtdeutschen Eisenbahnnetzes 1833Entwurf eines gesamtdeutschen Eisenbahnnetzes durch Friedrich List 1833

Vorheriger Teil: Geschichte der Eisenbahn – Teil I: Anfang 17. Jahrhundert – 1835

Bereits 1833 entwirft Friedrich List ein deutsches Eisenbahnnetz. Die erste deutsche Eisenbahnstrecke zwischen Nürnberg und Fürth wird am 7. Dezember 1835 mit der berühmten Lokomotive „Adler“ in Betrieb genommen (Bayerische Ludwigsbahn). Es folgte als erste Eisenbahn Preußens die Berlin-Potsdamer Eisenbahn, welche 14 km von Zehlendorf nach Potsdam überwand und wenige Monate später bis Berlin fortgeführt wurde. Ab dem 1. Dezember 1838 verkehrte zwischen Braunschweig und Wolfenbüttel die Herzoglich Braunschweigische Staatseisenbahn. Die am 20. Dezember 1838 mit der Teilstrecke Düsseldorf–Erkrath eröffnete Düsseldorf-Elberfelder Eisenbahn war die erste Dampfeisenbahn im Rheinland bzw. der preußischen Rheinprovinz.

Lokomotive Adler der Bayerischen Ludwigsbahn zwischen Nürnberg und Fürth. Foto aus der ersten Hälfte der 1850er Jahre, Fotograf unbekannt – gemeinfrei

Die erste deutsche Fernstrecke (Leipzig – Dresden) entsteht auf Betreiben von Friedrich List und wird 1839 eröffnet. Sie besaß eine Streckenlänge von 120 Kilometern und den ersten Eisenbahntunnel Deutschlands, den Oberauer Tunnel. Andreas Schubert baut die erste in Deutschland gebaute Lokomotive „Saxonia“. Problematisch für eine schnellere Entwicklung der Eisenbahn in Deutschland waren politische Gründe. Das Deutsche Reich war in mehrere kleinere Nationalstaaten zersplittert, die jeweils die Verkehrshoheit innehatten. Somit kam es zu keiner gemeinsamen Bewegung, um die Eisenbahn in Deutschland zu etablieren. Des Weiteren war Deutschland noch Agrarland mit einem teils geringen Industrialisierungsstand. Dieser technische Rückstand gegenüber England und Frankreich sowie die permanente Kapitalnot williger Investoren verhinderte den schnelleren Aufbau eines gesamtdeutschen Eisenbahnnetzes.

Bahnkarte Deutschland des Jahres 1849 – Karten- und Luftbildstelle der DB Mainz

In anderen Staaten Europas – insbesondere in England – und den USA geht die Entwicklung zur selben Zeit rasant voran:

1838 wird der erste Bahnpostwagen in England in Betrieb gestellt, die Grundlagen für das Eisenbahnsicherungswesen werden mit der Entwicklung der Eisenbahntelegraphie gelegt. 1851 entsteht die erste Eisenbahnfährverbindung in England, bereits 1858 baut Pullman den ersten Schlafwagen. Fehlt nur noch der Speisewagen. Dieser wird erstmals 1863 in den USA eingesetzt. 1870 entwickelt Westinghouse die Luftdruckbremse, 1885 wird das erste Drehgestell von Krauss und Helmholtz vorgestellt. 1898 wird weltweit die erste Heißdampflokomotive gebaut und 1900 die erste Schnellbremse von Knorr entwickelt. Die technische Entwicklung macht hier aber noch keinen Halt: 1905 entwickelt Föttinger das Getriebe, 1910 wird die erste Batterie-Beleuchtung eingeführt.

Zu dieser Zeit hat auch das deutsche Eisenbahnnetz eine gewisse Größe erreicht. Vor 1870 existierten viele Staats- und Privatbahnen nebeneinander. Durch die Reichseinigung wurde an einer umfassenden Verstaatlichung des Eisenbahnsektors gearbeitet. 1873 sollte das erste Reichseisenbahnamt gegründet werden. Zum Aufbau eines gesamtdeutschen Eisenbahnnetzes plante das Reich, den Ländern ihre Staatseisenbahnen abzukaufen. Dies scheiterte allerdings am Widerstand der Länder. Daraufhin unternahm Preußen den Versuch Privatbahnen anderer Länder aufzukaufen. Als Reaktion verstaatlichten viele Länder die Privatbahnen um diese dem preußischen Einfluss zu entziehen. Es entstanden somit acht große Länderbahnverwaltungen: Baden, Bayern, Sachsen, Württemberg, Hessen, Elsass-Lothringen, Mecklenburg und Oldenburg.

Bahnkarte Deutschlands 1861 – Karten- und Luftbildstelle der DB Mainz

Diese waren zwar generell von einzelstaatlichen Interessen geprägt, arbeiteten allerdings in gewissen Bereichen zusammen. Durch Kooperationen der Länderbahnverwaltungen entstanden 1903 die Betriebsgemeinschaft deutscher Staatsbahnen sowie 1909 die Güterwagengemeinschaft. Ab dem Jahre 1913 ging die Zusammenarbeit sogar so weit, dass die Verwaltungsräte der einzelnen Staatsbahnen in Fragen der Tarifgestaltung und den Betriebsbedingungen in dem mittlerweile auf 63.000 Kilometer (61.000 Kilometer Regel- und 2000 Kilometer Schmalspur) angewachsenen Netz zusammenarbeiteten.

Der massive Netzausbau wirkte dabei als Katalysator der industriellen Revolution, da sie einerseits die infrastrukturellen Voraussetzungen für die Entwicklung der Schwerindustrie schuf und andererseits selbst eine gewaltige Nachfrage nach Eisen, Stahl und Maschinen erzeugte. Der moderne Brücken- und Tunnelbau entstand, um Bahnstrecken zu realisieren.

Den internationalen Bahnverkehr gibt es ungefähr seit Ende des 19. Jahrhunderts, Um einen leistungsfähigen grenzüberschreitenden Bahnverkehr aufbauen zu können, müssen Fragen der Systemoperabilität geklärt werden. Dies umfasst Fragen der eingesetzten Wagen, Lichtraumprofile, Spurweiten und Beladung. Diese wurden in einer Vereinbarung über technische Einheiten (TE) 1887 geklärt. 1891 fand die erste internationale Fahrplankonferenz statt.

Sonderbriefmarke Eisenbahnfährverkehr Sassnitz - Trelleborg
Sonderbriefmarke zum 100jährigen Bestehen der Eisenbahnfährverbindung Sassnitz – Trelleborg 2009 – Motiv: Sassnitzer Stadthafen in den 1920er Jahren – Deutsche Post AG

1903 war das große Jahr der internationalen Eisenbahnverbindungen: die Transsibirische Eisenbahn zwischen Europa und Ostasien wird eröffnet. Des Weiteren öffnet im selben Jahr die Eisenbahnfährverbindung Warnemünde – Gedser. 1909 folgt die Fährverbindung Sassnitz – Trelleborg (Königslinie).Insgesamt gab es in den Jahren 1835 bis 1915 große Fortschritte im Aufbau des Eisenbahnnetzes und im Reisekomfort. Statt engen Pferdewagen sind geheizte, geräumigere und mit Licht ausgestattete Eisenbahnwaggons im Einsatz. Diese Entwicklung gipfelt 1883 in der Entwicklung des ersten international fahrenden Luxuszuges “Orient Express”. Aber auch “normale” internationale Eisenbahnverbindungen entstehen zu dieser Zeit und fördern die Völkerverständigung.

Eine Zugfahrt ist zu dieser Zeit auch nicht mehr nur den Adeligen vorbehalten. Eine wachsende bürgerliche Schicht entdeckt das Bahnfahren für sich und zwingt die Eisenbahnen zu immer neuen Strecken und Verbindungen. Binnen weniger Jahrzehnte entwickelt sich die Eisenbahn zu einem vernetzten Verkehrsmittel, das die Reisezeiten in Europa und Nordamerika drastisch verkürzt. Ein gesamtdeutsches Netz ist bis dahin schon längst entstanden.

Bahnkarte Deutschlands 1899 – Karten- und Luftbildstelle der DB Mainz
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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Anonym
Anonym
16. November 2023 08:05

autos sind besser

Peter
Peter
6. Dezember 2021 18:28

Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass man innerhalb 70 Jahren soviele Eisenbahnkilometer + Tunnels + Brücken + gigantische Bahnhöfe (wo viele abgerissen worden sind) gebaut haben soll.

Basti k
Basti k
5. April 2014 14:47

Sehr geehrter Herr Randelhoff,

ich bereite gerade einen Vortrag vor, für den ich unter anderem Informationen über die Entwicklung der Eisenbahn in Deutschland bis zur Gründung der Bundesbahn benötige. Da die ersten beiden Artikel sehr informativ und gewinnbringend sind, wollte ich fragen, wo ich denn den dritten Teil der Serie finde. Sollte dieser nicht existieren wäre ich über einen Verweis auf geeignetes Quellenmaterial dankbar!

Vielen Dank

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Verfasst von:

Randelhoff Martin

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

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E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net