Auch das öffentliche Verkehrsangebot unterliegt gewissen Qualitäts- und Effizienzregeln. Um den größten Nutzen für Nutzer und die Gesellschaft zu generieren, sollte ein Verkehrssystem stets hinsichtlich unterschiedlicherer Kriterien überprüft und, wenn nötig, angepasst werden.
Die Qualität eines Verkehrsangebots definiert sich dabei nicht ausschließlich über das Gesamtangebot, sondern auch die Performance einzelner Linien. Ein direkter Vergleich unterschiedlicher Linien lässt einen Vergleich der Angebotsqualität einzelner Verbindungen oder Netzteile zu.
Für eine Evaluierung sind zunächst einzelne Bewertungskriterien zu bestimmen, die eine ganzheitliche, aber dennoch eine auf die örtlichen Besonderheiten zugeschnittene Sicht ermöglichen. Da externe Faktoren wie Kraftstoffpreise, Fahrpreisanpassungen und die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung systemweit identisch sind, bleiben sie in der folgenden Analyse außen vor.
Als hilfreich für die Bewertung einzelner Linien haben sich jedoch die folgenden Parameter herausgestellt:
Bevölkerung
Anzahl der Personen, die in einem 800 Meter breiten Korridor um die Linie leben (400 Meter links / rechts).
Arbeitnehmer
Anzahl der Arbeitnehmer, die in einem 800 Meter breiten Korridor um die Linie arbeiten (400 Meter links / rechts).
Fußläufigkeit
Anzahl der Kreuzungen je Hektar in unmittelbarer Nähe der Linie. (niedrig = 0 – 0,15; mittel = 0,16 – 0,20; hoch = >0,21)
Zahl der jährlichen Fahrgäste
Jährliche Betriebskosten = [Jährliche Betriebsstunden] x [Durchschnittliche Kosten je Betriebsstunde]
Jährliche Betriebsstunden = [Wendezeiten] + [Umlaufzeit] – [Leerfahrten von / zum Depot]
Kosten je beförderten Fahrgast = [Jährliche Betriebskosten / [Zahl der jährlichen Fahrgäste]
Dieser Parameter lässt einen Eindruck bezüglich der Kosten, die durch den Betrieb der Linie anfallen, und der Zahl der Zustiege zu. Die jährlichen Betriebskosten unterschieden sich je nach eingesetztem Fahrzeugtyp und den jeweiligen Betriebskosten.
Durchschnittliche Zahl beförderter Fahrgäste je Betriebsstunde = [Zahl der jährlichen Fahrgäste] / [Jährliche Betriebsstunden]
Durchschnittliche Zahl beförderter Fahrgäste je Wochentag
Passagierzahl im Liniensegment mit dem maximalen Passagierbesatz (bidirektionaler Durchschnitt)
Die Passagierzahl wird über die jährlichen Betriebsstunden in einem bestimmten Linienabschnitt ermittelt.
Beispiel:Der durchschnittliche Spitzenbesatz zwischen 06:00 – 07:00 Uhr ist folglich 57.340/3.588 = 16 Fahrgäste
Besetzungsfaktor zur Spitzenzeit = [Durchschnittlicher Spitzenbesatz] / [Fahrzeugkapazität]
Dieser Parameter beschreibt das Verhältnis zwischen den im Fahrzeug befindlichen Personen und der bereitgestellten Fahrzeugkapazität. Ein Wert von 1,0 bedeutet, dass das Fahrzeug vollkommen gefüllt ist.
Am Beispiel der vorhergegangenen Berechnung ergibt sich folglich ein Faktor von: 16 Fahrgäste / 55 Plätze = 0,29. Das Fahrzeug ist somit zu einem Drittel gefüllt.
Durchschnittliche Fahrzeugauslastung (Fahrzeug Turnover) = [Fahrgastzahl je Fahrt] / [Fahrzeugkapazität]
Die durchschnittliche Fahrzeugauslastung wird zunächst stundenfein sowie linienfein ermittelt. Die ermittelten Durchschnittswerte werden dann über die Betriebsstunden der jeweiligen Zeitscheibe gemittelt. Da Fahrgäste auch Teilstrecken zurücklegen, kann ein Sitzplatz mehrfach belegt werden. Die Fahrzeugauslastung kann daher auch über 100 Prozent liegen.
Für dieses Beispiel ergibt sich somit eine durchschnittliche Fahrzeugauslastung zwischen 06:00 – 07:00 Uhr von 4863/3588 = 1,36 = 136 %
Kapazitätsauslastung = [Fahrgäste] / [Fahrzeugkapazität]
Die Kapazitätsauslastung ist ebenfalls ein wichtiger Performanceindikator und vergleicht die Nachfrage mit der zur Verfügung gestellten Kapazität. Diese Werte lassen sich für das gesamte Verkehrsnetz, einzelne Teilnetze oder Linien bestimmen.
Dieser Indikator bezieht die Gefäßgrößen und den Fahrgastdurchsatz mit ein. Es ist möglich, dass die Kapazitätsauslastung weit über 100 Prozent liegt, da einige Fahrgäste nur Teilstrecken zurücklegen und daher ein Sitzplatz mehrfach genutzt wird. Ein Nachteil dieses Parameters ist die fehlende zeitliche Komponente. Längere Linien werden aufgrund der höheren Wahrscheinlichkeit, dass ein Sitzplatz mehrfach genutzt wird, daher besser gestellt als kürzere Linien.
Die Fahrzeugauslastung wird dem obigen Beispiel folgend je Zeitscheibe ermittelt. Die Werte werden in vier Quantile klassiert:
- “Top 25%”: Jene Betriebsstunden mit 141% oder höherer Auslastung
- “Gute 25%”: Jene Betriebsstunden mit 92 – 141% Auslastung
- “Niedrige 25%”: Jene Betriebsstunden mit 54 – 92% Auslastung
- “Schlechte 25%”: Jene Betriebsstunden mit weniger als 54% Auslastung
Zustiege je Betriebsstunde
Die Zahl der Zustiege je Betriebsstunde sind ein Industriestandard Schlüsselperformanceindikator, der das gesamte Fahrgastvolumen mit dem ÖPNV-Angebot vergleicht. Dieser Indikator betrachet die gesamte Fahrgastnachfrage und schließt die Zeit, die ein Fahrzeug im Linienbetrieb eingesetzt wird, mit in die Betrachtung ein. Jedoch vernachlässigt diese Betrachtung die eingesetzte Gefäßgrößen und die Betriebskosten der jeweiligen Fahrzeugtypen. Die Produktivitätserwartungen an einen Gelenkbus sind unterschiedlich von den Erwartungen an einen Standard- oder sogar einen Midi-/Mini-Bus.
Die Zustiege je Betriebsstunde werden je Zeitstunde ermittelt. Die Werte werden in vier Quantile klassiert:
- “Top 25%”: Jene Betriebsstunden mit 83 oder mehr Zustiegen je Stunde
- “Gute 25%”: Jene Betriebsstunden mit 60 – 83 Zustiegen je Stunde
- “Niedrige 25%”: Jene Betriebsstunden mit 36 – 60 Zustiegen je Stunde
- “Schlechte 25%”: Jene Betriebsstunden mit weniger als 36 Zustiegen je Stunde
Durchschnittliche Zahl der Zustiege je Betriebsstunde
Die durchschnittliche Zahl der Zustiege wird über alle Betriebsstunden des Jahres gewichtet:
Für dieses Beispiel ergeben sich somit zwischen 06:00 – 07:00 Uhr 129.100 / 3.588 = 36 zusteigende Personen je Stunde.
Durchschnittliche Zahl der Zustiege je Umlauf
Die durchschnittliche Zahl der Zustiege wird über alle Umläufe des Jahres gewichtet:
Für dieses Beispiel ergeben sich somit zwischen 06:00 – 07:00 Uhr 180 / 7 = 26 zusteigende Personen je zurückgelegter Strecke.
Durchschnittlicher Spitzenbesatz (je Richtung)
Der Passagierbesatz auf den am stärksten nachgefragten Linienabschnitten je Fahrt wird über die Zahl der Fahrtenpaare je Stunde normiert:
Somit ergeben sich eine durchschnittliche Spitzenauslastung zwischen 06:00 – 07:00 Uhr von:
Mit diesen Parametern und anhand weiterer spezifischer Informationen erstellt beispielsweise TransLink (offiziell Greater Vancouver Transportation Authority genannt), ein öffentlich-rechtliches Verkehrsunternehmen, das für fast alle Belange des Verkehrswesens in der Region Metro Vancouver im Südwesten der kanadischen Provinz British Columbia zuständig ist, spezielle Berichte für jede einzelne Linie. Dies ermöglicht es den Bürgern und Fahrgästen, die Qualität der Linien 1 – 700, C1 – C99 und N1 – N99 zu bewerten und miteinander zu vergleichen. Auf diese Weise stellt TransLink auf vorbildliche Weise Transparenz her.
Beispiel: Route 25
Ebenfalls wird die Produktivität der Linie 25 für die Jahre 2010 – 2012 gegenübergestellt und anhand zweier Schlüsselindikatoren abgebildet:
Die wichtigsten Indikatoren werden zudem für Montag – Freitag, Samstag sowie Sonn- und Feiertage über sechs Zeitscheiben hinweg ausgewiesen:
Anhand der verschiedenen Linienbewertungen lassen sich besonders starke und besonders schwache Linien und Linientypen erkennen. Die Bestimmung muss dabei jeweils nach den örtlichen Gegebenheiten (Innenstadt, Stadtrand, Vororte, etc.) und dem Linienzweck (Erschließung, Schnellbuslinie, usw.) unterschieden werden.
In jedem Verkehrsnetz gibt es unterschiedliche Linientypen und eine Vielzahl von Linien, die unterschiedliche Stärken und Schwächen aufweisen. Viele schwache Linien sind dennoch wichtig und in ihrer Existenz eindeutig zu rechtfertigen, da diese oftmals den Zugang zum ÖPNV gewährleisten und der Flächenerschließung dienen.
Dennoch kann die Performance einer Linie bereits anhand ihres Routenverlaufs, der Liniengeometrie sowie den Gegebenheiten an den Endpunkten und entlang der Linie abgeschätzt werden. Nichtsdestotrotz würde ein Nahverkehrsangebot, das nur aus direkten, gerade verlaufenden und nicht der Flächenerschließung dienenden Linien besteht, nicht funktionieren. Erst die richtige Mischung macht ein gutes Angebot aus!
Da die wenigsten Leser von Zukunft Mobilität ortskundig sein dürften, kann hier der Liniennetzplan abgerufen werden, um die Linien richtig einordnen und bewerten zu können. Die Dokumente der Bus Service Performance Review stehen hier zum Download bereit.