Straßenverkehr USA

Carmageddon = Carmaheaven

Carmageddon - die Panik vor dem Chaos war unbegründet. Los Angeles blieb das Verkehrschaos erspart. Und die Stadt hat Pläne den Verkehr in Zukunft besser fließen zu lassen.

Bei Spiegel Online und Tagesschau.de war es die letzten Tage zu lesen: “Carmageddon” – Los Angeles fürchtet das jüngste Verkehrsgericht (Spiegel Online) oder Die Angst vor Carmageddon (ARD).

Carmageddon Interstate 305 Sperrung Los ANgelesWas war der Grund für diese “Panik”? Die zehnstreifige Interstate 405 ist die am stärksten befahrene Straße der USA mit mehr als 300.000 Fahrzeugen am Tag. Im Vergleich: eine vierspurige deutsche Autobahn mit Standstreifen hat eine Kapazität von etwa 70.000 Fahrzeugen am Tag. Im Zuge von Bauarbeiten wurde nun ein 16 Kilometer langer Abschnitt der Interstate 405 für 53 Stunden gesperrt. Monatelang wurde ein Verkehrschaos erwartet, gerechnet wurde mit stundenlangen Staus und chaotischen Verhältnissen. Dem Tag X waren in den letzten Monaten Warnungen vorausgegangen, die die Bevölkerung davon abhalten sollten, an diesem Wochenende den PKW zu benutzen oder sich gar der Interstate 405 zu nähern.

Typisch amerikanisch sind alternative (Sonder-)Angebote: So bietet die Fluggesellschaft JetBlue für den Zeitraum der Sperrung 4-Dollar-Tickets für den 20 minütigen Flug zwischen Long Beach und Burbank (etwa 50 Kilometer) an. Und was soll man sagen? Die Tickets gingen ratzfatz weg… (Über diesen Exzess und auch andere Angebote wie Hubschraubershuttles zu Billigpreisen, berichteten die deutschen Medien übrigens auch. Und das ziemlich unkritisch.)

Auf den Straßen blieb das große Chaos auch irgendwie aus. Die meisten Südkalifornier blieben zu Hause und ließen das Auto stehen (wenn sie nicht das Flugzeug nahmen). Webseiten wie Car-Mageddon.com informieren über Angebote, die sich während der Sperrung in unmittelbarer Nachbarschaft ohne PKW-Nutzung erleben lassen.

Mittlerweile ist sogar vom Carmaheaven die Rede. Los Angeles ohne Autos, ein Traum.

Carmgeddon Grund Abriss Brücke Interstate 405Der Grund allen Übels: der Abriss der Mulholland-Brücke, welche die Interstate 405 überspannt – Washington State Department of Transportation @ FlickrCC BY-NC-ND 2.0

Der Grund für die Baumaßnahmen ist die Erweiterung der Interstate 405 um zwei Fahrspuren. Das 1,2 Milliarden Dollar teure Bauprojekt macht den Abriss und Neubau der Mulholland Bridge über die Autobahn notwendig. Die Erweiterung soll den Verkehr auf einer der meistbefahrenen Straßen der Welt beschleunigen. Ich habe da jedoch so meine Zweifel, da der induzierte Verkehr die gewonnene Kapazität schnell zunichte machen dürfte.

Und ab Montag gehört dieses Bild wohl wieder der Vergangenheit an:

Carmageddon Leerer Interste 405 Los Angeles BildLeerer Interstate 405 während “Carmageddon” – lovine @ FlickrCC BY-NC-ND 2.0

Los Angeles sollte statt des Ausbaus ihres sowieso schon überdimensionierten Straßennetzes lieber weiterhin daran arbeiten, die Zahl der Fahrzeuge auf den Straßen zu reduzieren, den ÖPNV endlich weiter auszubauen und die Straßen freundlicher für Fußgänger und Radfahrer zu gestalten. Der neue Radwegenetzplan (PDF, 24,2 MB) sieht den Bau von über 2.500 Kilometern neuen Fahrradwegen in und um Los Angeles vor. Derzeit ist die Radwegenetz etwas über 600 Kilometer lang.

LA Radwegenetz Planung Kleiner Ausschnitt aus dem geplanten Radwegekonzept der Stadt Los Angeles – L.A. Bikeplan

Weitere Möglichkeiten wären die Einführung der Innenstadtmaut, die den Verkehr in anderen Städten (London, Stockholm, Singapur) bereits erfolgreich reduziert hat. 

Aber Los Angeles hat ja noch einmal die Möglichkeit, die Stadt mit weniger PKW auf den Straßen zu erleben: wenn die Interstate 405 ein zweites Mal für ein Wochenende gesperrt wird (in etwa elf Monaten, to be announced)

Eventuell ändert sich ja etwas. Kalifornien sollte dieses Wochenende gemerkt haben, dass es auch ohne den Auto- und XXL-Wahn der Amerikaner geht.

Anonymous

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
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