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Uber, die deutsche Startupszene und die Medien im Kampf gegen Regulierung und das Taxi-Establishment

Taxis am Kölner Flughafen HDR-Aufnahme Creative Commons
Foto: Damian Witkowski @ Flickr - CC BY-SA 2.0

Alles Wissenswerte zum Thema Ridesharing, Rideselling, Uber und den Konflikt mit deutschen Behörden und der Taxibranche finden Sie in unserem Dossier.

Es ist schon relativ interessant zu beobachten, welche Reaktionen das US-Unternehmen Uber mit seinem aggressiven Auftreten, den neuen Services und den darauf folgenden gerichtlichen und behördlichen Verboten hervorruft. Auf der einen Seite befinden sich die vermeintlich innovationsfeindliche und altbackene Taxibranche, staatliche Behörden und Gerichte, welche ein vermeintlich überholtes Personenbeförderungsgesetz durchsetzen und jene vermeintlich technikskeptische Menschen, welche vor Sozialdumping, mangelnden Versicherungsschutz, Steuerhinterziehung und die Zersetzung etablierter Strukturen warnen.

Die Gegenseite trägt das Mantra „Fortschritt lässt sich nicht aufhalten“ vor sich her und argumentiert, dass ein staatlich geschützter Taximarkt zum einen Innovationen verhindere und zum anderen den Kunden schlechter stelle. Im Rahmen einer Marktliberalisierung würden die Preise sinken, Komfort und Service steigen und Taxis zu einem kundenorientierteren Angebot gedrängt werden. Uber sei darüber hinaus ein Phänomen der „sharing economy“ und das Prinzip „Nutzung statt Besitz“ ein Gebot der Stunde. Mit einem Verbot positioniere sich Deutschland als innovationsfeindlich und würde im internationalen Vergleich zurückfallen. Viele Marktchancen und einen damit einhergehenden volkswirtschaftlichen Wohlfahrtsgewinn würden nicht realisiert werden. Ein Verbot von Uber und das Beharren auf etablierten Strukturen sei Ausdruck eines generellen Technikskeptizismus in Deutschland, der darüber hinaus Ursache dafür sei, dass es eben kein deutsches Google oder Facebook und generell nur wenige innovative Technik-Startups in Deutschland gebe. Ob diese Einschätzung vor allem einer bestimmten Filterblase einer sehr Medien- und Internet-affinen Gruppe geschuldet ist, möchte ich an dieser Stelle außen vor lassen.

Meiner Meinung nach darf und sollte man durchaus über eine Reform des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) nachdenken. Jedoch wird die notwendige Diskussion auf einem fachlich mangelhaften Niveau und mit einseitigem Blick geführt.

Es ist vergleichsweise auffällig, dass die Forderung nach einer Marktliberalisierung oftmals auf Basis schlechter persönlicher Erfahrungen heraus gefordert wird. Dies möchte ich kurz am Beispiel eines Kommentars des von mir geschätzten Journalisten Christian Schlesiger, welcher am 04.09.2014 unter dem Titel „Taxi-Schreck Uber: Warum das Taxi-Monopol fallen muss“ auf Wirtschaftswoche Online erschienen ist, verdeutlichen. Dieser Kommentar steht nur stellvertretend für viele weitere Kommentare, welche in den vergangenen Tagen zum Thema Uber und Liberalisierung des Taximarkts in deutschen Medien erschienen sind und ebenfalls oft mit persönlichen negativen Erlebnissen beginnen, auf deren Basis eine Liberalisierung gefordert wird.

Neulich in Berlin. Ich brach zu einem Termin in Mitte auf. Der Veranstaltungsort lag keine zwei Kilometer von der Redaktion entfernt. Doch es regnete in Strömen. Zum Glück gibt es um die Ecke einen Taxistand, an dem mehrere Taxen warteten. Ich stieg in das erste in der Reihe ein und nannte dem Fahrer mein Ziel. Er schüttelte daraufhin den Kopf und raunte, dass sich die Fahrt nicht lohne. Ich entschuldigte mich. Die Fahrt dauerte nur wenige Minuten, doch ich fuhr mit schlechtem Gewissen. So weit ist es also schon gekommen. Der Kunde wird zum Sündenbock, weil der Fahrer nicht einverstanden ist.

Solche oder ähnliche Erfahrungen haben schon viele gemacht. Es ist die Folge eines regulierten Marktes, der keinen Wettbewerb zulässt. Das Taxi-Monopol gehört daher dringend abgeschafft.

Es ist sicher richtig, dass nicht jede Taxifahrt ein reines Vergnügen ist und manche Taxifahrer das Wort „Service“ eher dem Werkstattservice denn ihrem eigenen Angebot zurechnen. Uber mag mit seinem Angebot UberLux als angenehme Alternative erscheinen: Ein gepflegtes Auftreten des Fahrers, welcher zudem die Türen öffnet und schließt, eine Flasche Wasser, ein angenehmes Fahrverhalten und Diskretion sind faktisch garantiert. Hinzu kommt ein angenehmer und einfacher Bestell- und Bezahlprozess. UberPop als Angebot mit Privatfahrern und Privat-Pkw setzt stärker auf eine günstige Alternative zum ÖPNV und Taxi denn auf Service. Komfortabler, qualitativ hochwertiger, günstiger – durchaus verständlich, auf dieser Basis ein Aufbrechen des Taximonopols zu fordern.

Jedoch darf der Staat nicht auf Basis individueller Erfahrungen oder vermeintlich besserer und innovativerer Angebote eine Änderung des gesetzlichen Rahmens beschließen. Statt individuellen Einzelinteressen zu folgen, muss er das Gemeinwohl im Auge behalten. Schlesinger schreibt selber über Uber: “Ich finde das Unternehmen unsympathisch. Doch emotionale Argumente dürfen bei einer ökonomischen Betrachtung keine Rolle spielen.”

Ich kann ihm an dieser Stelle nur beipflichten. Emotionale und auch individuelle Sichtweisen sind bei einer ökonomischen Betrachtung außen vor zu lassen. Bei einer Änderung des Personenbeförderungsgesetzes sollten zudem nicht nur ökonomische Argumente ein hohes Gewicht haben, sondern auch der sozialen und vor allem verkehrlichen Komponente eine hohe Wichtigkeit beigemessen werden.

Leider führen mangelnde Kenntnisse über Verkehr und Verkehrssysteme in den Medien und der öffentlichen Diskussion zu einseitigen Betrachtungen. Wenn das Bundesverkehrsministerium und der für Verkehr zuständige Bundesminister eine Liberalisierung des Marktes zugunsten Uber ablehnen, sind hierfür entsprechende Argumente maßgeblich.

Grundlagen des Taxiverkehrs

Gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 PBefG handelt es sich beim Taxiverkehr um Gelegenheitsverkehr. Er gehört zum öffentlichen Personennahverkehr, wenn seine wesentliche Aufgabe darin besteht, den Linienverkehr im ÖPNV zu ersetzen, zu ergänzen oder zu verdichten (§ 8 Abs. 2 PBefG).

Die Organisation und Regulierung des Taximarkts folgt dem staatlichen Ziel einer Grundversorgung. Der Taxiverkehr als Ergänzung des öffentlichen Linien- und Straßenverkehrs in Deutschland dient der Sicherstellung der Mobilität insbesondere in jenen Gegenden und zu jenen Zeiten, in denen der öffentliche Personenverkehr eine Angebotslücke lässt. Hinzu kommt die komplementäre Wirkung des Taxiverkehrs zum klassischen ÖPNV. Taxis bieten ein flexibles Punkt-zu-Punkt-Angebot im öffentlichen Verkehr, welches von anderen öffentlichen Verkehrsmitteln so nicht angeboten werden kann. Diese Flexibilität bietet große Chancen für den öffentlichen Verkehr, da ein Fahrgast somit auch Teile einer Reise mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen kann, die mit Linien- oder Streckengebundenen nicht möglich oder unkomfortabel gewesen wären. Über einen gewissen Zeitraum hält das Taxi somit vom Kauf eines Pkw ab bzw. den Fahrgast innerhalb des öffentlichen Verkehrssystems.

Die Bedeutung des Taxiverkehrs als Element der Grundversorgung hat der Staat in mehreren Pflichten verankert, welche mit dem Erhalt einer Taxilizenz einhergehen: Inhaber einer Taxilizenz unterliegen einer Betriebs- und Beförderungspflicht. „Der Unternehmer ist verpflichtet, den ihm genehmigten Betrieb aufzunehmen und während der Geltungsdauer der Genehmigung den öffentlichen Verkehrsinteressen und dem Stand der Technik entsprechend aufrechtzuerhalten“, so § 21 i. V. mit § 47 Abs. 3 PBefG. Ein Taxiunternehmen muss folglich auch in Schwachlastzeiten mit langen Leerzeiten ein Angebot bereitstellen, auch wenn dies stundenweise unwirtschaftlich sein mag. Beispielsweise müssen Taxen in Berlin mindestens 180 Schichten im Kalenderjahr für die Dauer von wenigstens sechs Stunden bereitgehalten werden.

Zudem darf eine Fahrt nur unter ganz bestimmten Gründen (Volltrunkenheit, aggressives Auftreten des Fahrgasts) abgelehnt werden (§ 22 i. V. mit § 47 Abs. 4 PBefG). Kurze Fahrten müssen auch dann durchgeführt werden, wenn diese nur wenig Umsatz bringen. Um diesen Nachteil auszugleichen und die Funktionsfähigkeit des Taxiverkehrs sicherzustellen, reguliert der Staat die Zahl der Anbieter über die Konzessionspflicht sowie die Tarife. Nur in Hamburg und Berlin wird auf eine Beschränkung bei der Vergabe von Konzessionen verzichtet.

Zur Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Taxiverkehrs hat die Genehmigungsbehörde insbesondere die Nachfrage nach Beförderungsaufträgen im Taxiverkehr, die Entwicklung der Ertrags- und Kostenlage unter Einbeziehung der Einsatzzeit, die Taxidichte sowie die Anzahl und Ursachen der Geschäftsaufgaben zu berücksichtigen.

Das Argument, Ertragsmöglichkeiten bestehender Taxiunternehmen durch Marktbeschränkungen zu sichern, ist im Gegensatz zur Funktionssicherung des Verkehrsmarktes nicht stichhaltig. Auch in einem liberalisierten Markt werden sich entsprechende Gleichgewichtspreise einstellen. Anbieter, welche ihre Gesamtkosten mit den zu erzielenden Gleichgewichtspreisen nicht mehr decken können, werden wie üblich den Markt verlassen, die Konzession zurückgeben und den Fuhrpark veräußern. Ein Schutz bestehender Unternehmen aus ökonomischen Gründen ist nicht vertretbar.

Natürlich ist das bestehende System nicht perfekt, Verstöße kommen immer wieder vor. Jedoch ist es keinesfalls so, dass Taxifahrer und –unternehmen Fahrgäste systematisch und flächendeckend betrügen bzw. eine mangelhafte Dienstleistung anbieten. Als Beispiel für die Notwendigkeit einer Liberalisierung und damit einhergehend einer Abschaffung des gesamten Systems sind einzelne schwarze Schafe nicht geeignet.

Abgesoffene Taxis nach dem Hurrikan Sandy 2012
Wäre schlecht für uns, wenn sie unterginge: Die Taxibranche. Das Foto zeigt das Taxi Terminal in Hoboken (NJ) nach Hurrikan Sandy im Jahr 2012 – Foto: That Hartford Guy @ FlickrCC BY-SA 2.0

Folgen einer Deregulierung des Taximarktes in der Übersicht

Vergleiche mit anderen Ländern zeigen zudem, dass eine Liberalisierung des Taximarktes mit einer Flexibilisierung der Tarife, einer Abschaffung der Konzessionspflicht und einer weitestgehenden Marktöffnung nur in Ausnahmefällen die beabsichtigte Wirkung erzielt hat.1

  • Die Deregulierung des Marktzuganges führt generell zu einem deutlichen Zuwachs an Taxifahrzeugen, wenn man annimmt, dass die ursprüngliche Art der Regulierung eine sehr strenge Kontrolle und Einschränkung des Marktzuganges bedeutete.
  • In jedem Fall wird dieser Anstieg größtenteils im Geschäft auf der Straße geregelt und führt zu einem Rückgang in der Fahrzeugauslastung.
  • In den meisten Fällen sind die Fahrpreise durch eine Deregulierung der Preise angestiegen. Auch hier wird angenommen, dass die ursprüngliche Art der Regulierung eine starke Einschränkung bedeutete. Anstiege bei den Fahrpreisentgelten scheinen insbesondere im „Geschäft auf der Straße“ auf.
  • Die Qualität der Taxidienstleistung hat eine starke Tendenz, sich bei einem deregulierten Marktzugang ohne hohe Qualitätsstandards, zu verschlechtern. Die Beweise bleiben hier widersprüchlich.
  • Das Einkommen des Fahrers wird bei einer Liberalisierung des Marktzuganges bedeutend reduziert. Im Ergebnis müssen Fahrer länger arbeiten, um dasselbe Einkommen zu erreichen. Das ist einer der Gründe für die bestehenden Marktteilnehmer sich einer Deregulierung des Zuganges oder Eingangsbarrieren zu widersetzen.
  • Es wurden nur wenige neue Servicedienstleistungen bei einer Deregulierung des Marktes entwickelt. Dasselbe gilt für technische Neuerungen. Eine Ausnahme dabei bildet Neuseeland. Hier wurde ein Anstieg der neuen und innovativen Servicedienstleistungen verzeichnet.
  • Die meisten Städte, die eine Deregulierung des Marktzuganges eingeführt haben, haben im Nachhinein Teile des Marktes wieder reguliert. Es wurden hauptsächlich wieder höhere Qualitätsstandards eingeführt.

Ebenfalls kritisch zu bewerten ist die Behauptung, dass Uber und alternative Angebote günstiger seien als das klassische Taxi. Insbesondere die Folgen der von Uber durchgeführten dynamischen und nachfrageabhängigen Preissetzung (surge pricing) werden häufig ignoriert. Uber wurde in den USA unter anderem zum Jahreswechsel und nach starken Stürmen dafür kritisiert, sehr hohe Aufschläge von bis zu 800 Prozent erhoben zu haben. Eine 1,4 km lange Fahrt kostete beispielsweise in der Neujahrsnacht 2014 118 US-Dollar (84,3 USD / km). Zur gleichen Zeit musste im Taxi der gleiche Kilometersatz wie in Schwachlastzeiten am Sonntag-Nachmittag bezahlt werden.

Uber surge pricing an Silvester
Effekt des surge-Preismodells von Uber: Preise, von denen deutsche Taxifahrer nur träumen können: 118 $ für 1,4 km. Macht pro Kilometer 84,3 USD (umgerechnet 61,3 Euro) – Foto: capishere @ Instagram

Aus einer rein ökonomischen Perspektive erscheint diese Preissetzung natürlich sinnvoll. Zum einen kann das Unternehmen seine Erträge maximieren und zum anderen das Angebot ausweiten, da durch die höheren Verdienstmöglichkeiten mehr Fahrer gewillt sind, zu dieser Zeit Fahrten anzubieten. Aus volkswirtschaftlicher und verkehrlicher Sicht ist diese dynamische Preissetzung jedoch weniger optimal. Es stellt sich daher die Frage, ob eine vollständige Deregulierung des Taximarktes mit einer Flexibilisierung des Fahrpreises zu effizienten Marktergebnissen führen kann oder ob es aus ökonomischer Sicht gute Gründe für staatliche Eingriffe in diesen Markt gibt.

Das Problem asymmetrischer Information und spezieller Nachfrage-Angebots-Mechanismen

Im Vergleich zu sonstigen Märkten weist der Taximarkt ebenso wie der Rideselling- / Ridesharing-Markt mit privaten Fahrern einige Besonderheiten auf. Dies gilt zum einen für die Wirkungsmechanismen von Angebot und Nachfrage und zum anderen für die Informationsverteilung zwischen Fahrgast und Fahrtanbieter2.

Asymmetrische Informationen

Beim Antritt und Durchführung einer Fahrt bzw. Auswahl des Fahrers besteht aufseiten des Fahrgastes ein Informationsdefizit über Sicherheit, fachliche Eignung des Fahrers (insbesondere Orts- und Streckenkenntnis), Qualität der Fahrt und die voraussichtliche Fahrzeit. Im Taximarkt wie auch im Rideselling- / Ridesharing-Markt treffen Anbieter und Nachfrager zudem nur selten wiederholt aufeinander. Marktbasierte Reputationsmechanismen, die auf wiederholten Interaktionen zwischen individuellen Anbietern und Nachfragern sowie der darauf basierenden Erfahrung der Nachfrager über die angebotene Qualität beruhen, lassen sich nur schwer etablieren. Über staatliche Regulierung und Zertifikate (abhängig vom Emittenten) kann ein Mindestmaß an Qualität garantiert werden.

Die Bewertung von Taxifahrern durch Fahrgäste hat den Nachteil, dass diese nur subjektive Eindrücke wiedergeben können. Bei einmaligen Fahrten in einer Stadt kann ein Ortsunkundiger nicht beurteilen, ob eine gewählte Route zur jeweiligen Zeit wirklich die kürzeste bzw. schnellste Strecke ist. Es bietet sich daher an, gewisse Mindeststandards zu etablieren. Ein Verstoß gegen diese Standards wird entsprechend sanktioniert. Reputationsverluste alleine bieten insbesondere bei nebenberuflichen Fahrern keine ausreichenden Anreize sich marktkonform zu verhalten, da rein marktbasierte Sanktionen lediglich zu einer Einschränkung bzw. zu einem Wegfall des Nebenverdienstes führen. Um einen Mindestqualitätsstandard zu gewährleisten, sollte der Staat entsprechende Standards definieren, kontrollieren und Verstöße sanktionieren.

Bei einer weitgehenden Liberalisierung des Taximarktes mit freiem Marktzutritt und ohne Regulierung der Tarife stellt sich die Frage, wie markteffiziente Preise zwischen Anbieter und Nachfrager gebildet werden. Im Rahmen von direkten Verhandlungen dürfte es häufig einen einseitigen Informationsvorsprung aufseiten des Anbieters geben, insbesondere wenn der Nachfrager ortsunkundig ist. Der Preisbildungsmechanismus dürfte im Allgemeinen nicht nur von der Distanz, sondern auch von der zeitlich unterschiedlichen Nachfrage und Auslastung abhängig sein. Werden Tarife nicht verhandelt, sondern von Taxiunternehmen vorgegeben, stellt sich die Frage der Information und der Markttransparenz.

Aufgrund der mangelnden Marktübersicht können Nachfrager Fahrten in der Erwartung ablehnen, dass nachfolgende Fahrten günstiger sein könnten (siehe auch: „Das Sekretärinnenproblem“). Anbieter dürften ihre Preise zudem ohne Rücksicht auf die zeitlich und räumlich unterschiedliche Nachfrage- und Angebotsstruktur festlegen, sodass auch auf Unternehmensseite ein Marktgleichgewicht nicht hergestellt wird und somit keine Markteffizienz erreicht werden kann. Diese Problematik ist auch dem Nachfrage-Angebots-Mechanismus geschuldet, der in Verkehrsmärkten anders funktioniert als üblicherweise.

Nachfrage-Angebots-Mechanismus

In einem normalen Markt fungiert der Preis als gleichgewichtsbildende Variable zwischen Angebot und Nachfrage. Im Taximarkt, wie auch anderen Verkehrsmärkten, ist jedoch nicht nur der Preis ausschlaggebende Gleichgewichtsvariable.

Das Angebot auf dem Taximarkt hängt nicht nur von den erwarteten Preisen, sondern auch von der erwarteten Nachfrage sowie den Stand- und Leerzeiten ab. Aufgrund der hohen erwarteten Nachfrage ist das Taxiangebot an Flughäfen, Bahnhöfen oder nach Großveranstaltungen entsprechend hoch.

Die Nachfrage wiederum hängt nicht nur von den erwarteten Preisen, sondern auch von der durchschnittlichen Wartezeit bei einer Bestellung oder der Dauer bis ein Taxi vorbeifährt und heran gewunken werden kann ab. Im Rahmen der Verkehrsmittelwahl wird ein Taxi nicht nur nach preislichen Kriterien bewertet. Ist der Preis besonders niedrig, die Wartezeit jedoch besonders hoch oder gar nicht einschätzbar, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ein anderes Verkehrsmittel genutzt wird.

Miniaturwunderland Hamburg Flughafen Hamburg Modell Warteschlange Taxis Flughafen Wartezeit
Ein Modell nahe an der Realität: Die Taxischlange am Modell des Flughafens Hamburg im Miniatur Wunderland – Foto: Flowizm @ FlickrCC BY 2.0

Das Finden eines Marktgleichgewichts mit einem Gleichgewichtspreis im ländlichen Raum kann ebenfalls problematisch sein. Aufgrund der relativ hohen Distanz zwischen Start und Ziel ist der angenommene Leerfahrtanteil der Rückfahrt relativ hoch. Ein Fahrtanbieter wird daher für eine Fahrt einen relativ hohen Preis ansetzen, damit die Kosten der Rückfahrt sowie die Zeitkosten ebenfalls gedeckt sind. Aufgrund der unvollständigen Marktinformation ist unklar, ob am Ziel ein weiterer Fahrgast aufgenommen werden kann. Der Fahrgast, welcher aus der Stadt in das Umland fährt, wird folglich mit einer hohen Preisvorstellung des Anbieters (Kosten für Hin- und Rückfahrt) konfrontiert sein.

Ist die Zahlungsbereitschaft des Nachfragers geringer, findet die Fahrt entweder nicht statt (volkswirtschaftliche Ineffizienz aufgrund des Mobilitätsverlustes) oder der Anbieter muss das Risiko in Kauf nehmen entsprechende Verluste zu machen. Findet der Anbieter am Ziel des Kunden einen weiteren Kunden für die Rückfahrt, so kann er den Verlust in einen Gewinn wandeln. Jedoch wird der Fahrpreis der Hinfahrt aufgrund der Unsicherheit bereits entsprechende Risikoaufschläge umfassen. Ein Fahrgast in Gegenrichtung kann theoretisch einen relativ geringen Preis verhandeln, da die Kostenstruktur des Taxifahrers für die Rückfahrt nahezu Vollkostencharakter besitzt.

Taxifahrten in peripheren Räumen dürften nach einer Marktliberalisierung ohne Kostenobergrenzen je nach Marktstruktur zu einer relativ starken oder geringen Belastung einzelner Fahrgäste sowie einer großen Unsicherheit mit entsprechenden Verlustrisiken für den Taxifahrer bzw. das Taxiunternehmen führen. Es stellt sich die Frage, ob ein solcher Markt effiziente Allokationsergebnisse hervorbringen kann und ob eine weitgehende Liberalisierung des Taximarktes mit freiem Marktzutritt und ohne Regulierung der Tarife zu einem effizienten Marktgleichgewicht führt.

Die Liberalisierung des schwedischen Taximarkts

Der schwedische Taximarkt wies vor seiner Liberalisierung viele Parallelen zum heutigen deutschen Markt auf. Es ist daher sinnvoll, sich eingehender mit den Folgen und Auswirkungen der Öffnung des schwedischen Taximarktes im Jahr 1990 zu beschäftigen. Zudem ist die schwedische Marktliberalisierung eingehend mit Studien und Untersuchungen begleitet worden.

Vor der Öffnung des Marktes zum 1. Juli 1990 waren sowohl Tarifstruktur wie auch Markteintritt staatlich reguliert. Schweden war in mehrere einzelne Fahrbereiche eingeteilt. Taxiunternehmen erhielten eine Lizenz für jeweils einen Bereich. Für jeden Bereich wurde eine Höchstzahl an Fahrzeugen und Lizenzen festgesetzt. Hinzu kam eine Pflichtmitgliedschaft in einer Taxizentrale. Je Fahrbereich war jeweils eine Zentrale zugelassen, welche den gesamten Taxiverkehr koordinierte.

Grund für die strikte Regulierung war die Stellung des Taxis als wichtiger Teil des öffentlichen Verkehrssystems (Ergänzungsverkehr). Um eine Taxifahrt für jeden erschwinglich zu halten wurden Maximalpreise festgelegt. Darüber hinaus sollten Taxis 24 Stunden am Tag in ausreichender Zahl und Qualität zur Verfügung stehen, sodass über eine entsprechende Regulierung Preise über den Tag garantiert werden konnten, die eine Quersubventionierung der Schwachlastzeiten ermöglichten.

Grund für die Regulierung war die Annahme von Marktineffizienzen aufgrund eines Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage sowie fehlenden Preiswettbewerbs, die sich in hohen Wartezeiten und zu hohen Fahrpreisen äußerten. Nach der Liberalisierung konnte sich jedermann als Taxiunternehmer registrieren und war ebenfalls in der Preissetzung vollkommen frei. Die Fahrgebiete wurden zusammengelegt, ein Taxiunternehmen darf überall in Schweden tätig werden. Die Pflicht zu einer Mitgliedschaft in einer Taxizentrale wurde abgeschafft.

Im Nachgang der Liberalisierung wurden auftretende Ineffizienzen und Missstände durch neue Regulierungsansätze behoben. So wurden die Anforderungen an einen Personenbeförderungsschein im Jahr 1995 durch einen praktischen Fahrtest verschärft. Alle Fahrzeuge eines Unternehmens müssen den gleichen Fahrpreis haben. Dies soll sicherstellen, dass es zu einem Wettbewerb zwischen einzelnen Taxiunternehmen und nicht unter den Fahrern kommt. Tarife müssen für den Kunden von außen und innen gut sichtbar sein und die Abrechnung über einen Taxameter erfolgen. Um Fahrgäste vor hohen Tarifen zu schützen und einen geordneten Verkehr zu ermöglichen, sind Flughäfen und Bahnhöfe frei, den Zugang zu ihren Ständen einzuschränken und mit ausgewählten Anbietern feste Tarife zu vereinbaren.

Seit dem Jahr 2000 dürfen sich einzelne Unternehmen zu Joint Ventures oder Zentralen zusammenschließen, jedoch die Zahl von 40 Fahrzeugen nicht überschreiten. Zentralen dürfen maximal einen Marktanteil von 35 Prozent haben.

Foto eines Taxameters unter Creative Commons Lizenz
Auch nach einer Marktliberalisierung weiterhin wichtig: Das Taxameter – Foto: Alex (eflon) @ FlickrCC BY 2.0

Effekte der Marktliberalisierung

Kurz nach Öffnung des Marktes ist die Zahl der Taxilizenzen stark von etwa 12.500 auf über 15.000 gestiegen. Ebenso wuchs die Zahl der Taxiunternehmen. Dieser Einmaleffekt wurde im gesamten Land beobachtet. Nach 1991 blieb die Zahl der Taxis stabil, das Wachstum der Taxiunternehmen war bis 1995 zu beobachten.

Die Zahl der Insolvenzen und Marktaustritte stieg im Zeitraum zwischen 1990 – 1993 ebenfalls stark an und blieb mehrere Jahre auf vergleichsweise hohem Niveau.

Entwicklung des schwedischen Taximarktes nach der Deliberalisierung des Marktes von 1990 bis 2001
Entwicklung des schwedischen Taximarktes nach der Deregulierung 1990 – 2001 – Grafik: Svenska Taxiförbundet (2003) Branschläget 2002-2003

Das ausgeweitete Angebot an Taxis reduzierte deren Auslastung. Das Angebot an Betriebszeiten dehnt sich weniger aus als die Zahl der betriebenen Taxis, das heißt, mehr Taxis standen für eine kürzere Zeit zur Verfügung. Dies zeigt, dass eine steigende Zahl von Taxis nicht unbedingt eine Angebotsausweitung im gleichen Maße bedeuten muss. Ausnahmen wurden nur in mittelgroßen Städten beobachtet.

Entwicklung Taxitarife Schweden nach Liberalisierung
Kernindikatoren der schwedischen Taxiindustrie nach der Marktliberalisierung – Grafik: Laitila, T., Marell, A. and Westin, K. (1995): Taxitrafiens egenskaper och taxikundernas uppfatning fyra år efter avregleringen. KFB, 93-418-63.

Ebenfalls ist erkennbar, dass die Fahrpreise nach der Deregulierung stiegen. Hierfür ist aber auch die Einführung einer Umsatzsteuer von 25 Prozent auf Taxifahrten ursächlich. Insgesamt sind die Fahrpreise im Vergleich mit dem Verbraucherpreisindex (VPI) nicht übermäßig gestiegen.

Die stärksten Preissteigerungen konnten in kleinen und mittelgroßen Städten beobachtet werden, da dort der Wettbewerb geringer ist als in Großstädten.

Index
Taxipreise
Index
Taxipreise
(um Umsatzsteuer-effekte bereinigt)
Verbraucher-
preisindex (VPI)
Umsatzsteuersatz
für Taxifahrten
1990
(Juli - Dez.)
+19,5 %+19,5 %+3,7 %0 %
1991+15,1 %-2,4 %+7,4 %25 %
1992-4,5 %+1,5 %+1,5 %18 %
1993-0,3 %+7,3 %+1,5 %21 %
19943,0 %+3,0 %+2,5 %12 %
(ab 1.7.93)
1995
(1. Quartal)
1,0 %+1,0 %+1,2 %12 %
Gesamtperiode+36,2 %+32,2 %+22,8 %

Das Personenbeförderungsgesetz als Bundesgesetz gilt sowohl in städtischen Metropolregionen wie im ländlichen Raum. Jedoch sind die Angebots- und Nachfragestrukturen wie auch die übrigen Verkehrsstrukturen in Deutschland je nach Region sehr unterschiedlich. In ländlich geprägten Gebieten stellt das Taxi als bestellter Verkehr insbesondere am Wochenende und in den Randzeiten oftmals den einzigen öffentlichen Verkehr dar. Bei einer Liberalisierung des Taximarktes müssen daher die Markt- und Preisentwicklungen im ländlichen Raum genauer betrachtet werden.

Eine Untersuchung von Krantz (1991)3 hat die Folgen der Marktliberalisierung in Schweden im Jahr 1990 auf öffentlich bestellte Verkehre analysiert. In ländlichen Gebieten stiegen die Kosten für derartige Verkehre aufgrund der monopolartigen Stellung dort tätiger Anbieter stark an, sanken jedoch in urbanen Gebieten. Diese Preissteigerungen für öffentlich bestellte Verkehre hatten jedoch vornehmlich einen Effekt auf die staatlichen Ausgaben (insbesondere Haushaltspositionen für den ÖPNV) und weniger auf die persönlichen Fahrpreise.

Wie bereits in Grafik 2 ersichtlich, sind die Taxikilometerpreise im ländlichen Raum aufgrund des kleineren Angebots und der mangelnden Alternativen (ÖPNV, Mietwagen, usw.) überproportional gestiegen. Es ist daher zu prüfen, ob durch eine Marktliberalisierung ländliche Räume überproportional benachteiligt werden und wie eine derartige Benachteiligung verhindert werden kann.

Eine Untersuchung von Marrel & Westin (2002)4 stellte fest, dass die Anzahl von Taxis im ländlichen Raum nach der Marktliberalisierung nicht dauerhaft gestiegen ist. Zwischen 1991 und 1997 sank zudem die Effizienz des Taxiverkehrs im ländlichen Raum. Ursache dieses Effizienzverlusts könnte wachsender Pkw-Besitz gewesen sein (Folge eines unattraktiveren Taxiverkehrs als Komplementärs des ÖPNV aufgrund steigender Preise).

Verfügbarkeit, Wartezeit und Qualität des Taxiverkehrs nach der Marktliberalisierung

Laitila et al (1994)5 und Gärling et al (1995)6 haben die Zufriedenheit von Fahrgästen mit dem Taxiverkehr in mehreren Erhebungen nach der Marktliberalisierungen bestimmt. Die Zufriedenheit mit dem Taxiverkehr stieg sowohl in kleineren, mittleren und großen Städten ebenso wie im ländlichen Raum nur leicht in insignifikantem Ausmaß. Die einzige signifikante Veränderung in der Kundenwahrnehmung war der gestiegene Preis.

In kleinen und mittleren Städten wurde ein Jahr nach der Deregulierung eine geringere Wartezeit und eine geringere Zugangszeit gemessen. Einige neue Dienstleistungen und Services entstanden, jedoch ist unklar, ob dies eine Folge der Deregulierung oder des allgemeinen technischen Fortschritts (insbesondere Entwicklung des Smartphones) war. Die Zahl der Insolvenzen im Taxibereich wuchs stark an, neue Unternehmen waren vor allem kleinere Unternehmungen. Es kristallisierten sich weder im urbanen noch im ländlichen Raum größere Unternehmen heraus.

Insgesamt veränderten sich weder die Voraussetzungen noch der Wille, Taxifahrten öfters in Anspruch zu nehmen.

Erfahrungen aus der Liberalisierung des schwedischen Taximarkts

Die schwedische Marktliberalisierung zeigt, dass Preise für Taxifahrten trotz einer Ausweitung des Angebots nicht zwingend sinken, sondern sogar steigen können. Die Nachfrage nach Taxifahrten ist relativ unelastisch. Ein Großteil der Nutzer besteht aus Geschäftsreisenden, deren Reisekosten übernommen werden, Älteren und körperlich eingeschränkten Personen ohne Alternativen oder Personen, die mangels Führerschein oder Pkw auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, jedoch keine passende Verbindung erhalten.

Alle drei Nutzergruppen haben die Bereitschaft bzw. sind gezwungen, einen höheren Preis zu bezahlen. (vgl. DEMPSEY (1996), S. 1087) Zudem besteht bei Wenignutzern eine geringere Bereitschaft intensive Preisverhandlungen mit Taxifahrern zu führen, zumal die Kenntnis über marktübliche Preise nur gering ist. (vgl. DEMPSEY (1996), S. 109).

Die Fahrzeugauslastung und die Effizienz des Taximarktes sinken, da die Nachfrage nicht im gleichen Maße wie das Angebot wächst. Insbesondere im ländlichen Raum kann eine Flexibilisierung der Preisstruktur bis hin zu einer völlig freien Preissetzung in steigenden Fahrpreisen resultieren. Die Verfügbarkeit von Taxis steigt und die Wartezeiten sinken. Taxinutzer in den großen Ballungsräumen profitieren stärker als Nutzer im ländlichen Raum.

Es bietet sich an, vor einer Marktliberalisierung verbindliche Qualitätsstandards zu definieren.

Ähnliche Ergebnisse und Schlussfolgerungen konnten nach der Liberalisierung des Taximarktes in Irland, den Niederlanden, Neuseeland und Norwegen festgestellt werden8 9.

Ableitungen

Anhand der Erfahrungen aus anderen Ländern kann festgestellt werden, dass sich Erwartungen auf eine steigende Qualität und Zufriedenheit mit dem Taxiverkehr sowie sinkende Preise oftmals nicht erfüllen. Die Angebotsausweitung geht nicht zwingend mit einer Qualitätsausweitung einher.

Jedoch differenzieren sich Fahrpreise stärker nach unterschiedlichen Qualitätsparametern. Limousinenservices und Mietwagenunternehmen steigen ebenfalls in den Taximarkt ein und decken das obere Marktsegment mit entsprechend hohen Fahrpreisen ab. Es ist unklar, ob Uber bei einer Marktliberalisierung sein Preisversprechen, eine zweistellige Prozentzahl günstiger als der herkömmliche Taxiverkehr zu sein, aufrecht halten kann.

Taxi in Mailand Nachtaufnahme Geschwindigkeitseffekt Dachaufnahme
In seiner Bedeutung von vielen unterschätzt: Das Taxi – Foto: cg\ v @ FlickrCC BY 2.0

Fazit

Taxiverkehr ist nicht trivial. Verkehrssysteme an sich sind nicht trivial. Ein Großteil der aktuellen Forderungen wird jedoch leider von Personen ohne Kenntnis oder Abschätzung der möglichen Folgen erhoben. So wird oftmals behauptet, dass eine Deregulierung des Marktzugangs und eine Flexibilisierung der Tarife günstigere Fahrpreise zur Folge haben. Aus vielen internationalen Beispielen lässt sich jedoch kein Sinken des Preisniveaus, sondern vielmehr das Gegenteil, belegen.

Der Taximarkt und die Taxiunternehmen werden oft als Anachronismus gesehen, ohne über die Bedeutung des Taxis nachzudenken. Es ist wenig verwunderlich, dass – zumindest gefühlt – vor allem Großstädter jüngeren oder mittleren Alters mit entsprechendem Einkommen und Alternativen zum Taxi eine „Zerschlagung des Taximonopols“ fordern, da diese Taxis nicht als grundständiges Verkehrsmittel, sondern als bequeme Ergänzung zur alltäglichen Verkehrsmittelnutzung verstehen. Umso stärker reagieren sie daher auf Qualitätsmängel.

Meiner Meinung nach kann es nicht gerechtfertigt sein, ein Verkehrsangebot aufgrund einzelner schwarzer Schafe und individueller schlechter Erfahrungen zu diskreditieren und dessen Abschaffung zu fordern. Natürlich darf und sollte man über eine Liberalisierung und Modernisierung des Taxiverkehrs diskutieren – aber bitte mit ordentlichen Argumenten und auf Basis von Fakten. Leider stimmen Journalisten und Journalistinnen ohne Kenntnis, Gründerinnen und Gründer ohne Kenntnis, der Stammtisch ohne Kenntnis, Kommentatorinnen und Kommentatoren bei Onlinemedien ohne Kenntnis, u.v.m zu leicht in diesen etwas schräg gesungenen Kanon mit ein.

Eine Taxilobby, welche direkten Einfluss auf die Politik nimmt, existiert nicht. Die Taxibranche hat im Vergleich zu anderen Interessensverbänden aus dem Verkehrsbereich einen relativ geringen Einfluss auf die Legislative. Vielmehr zeigt sich in der Reaktion der Politik und Behörden ein Abwägungsprozess zwischen Modernisierungsdrang und öffentlichem Interesse, wobei die Errungenschaften der sharing economy an dieser Stelle nicht über alles andere gestellt werden.

Ich bin aber auch Realist. Ich glaube, dass Uber & Co. nicht mehr verschwinden werden. Ich weiß, dass Taxiunternehmen kundenfreundlicher werden und kundenorientierter handeln müssen. Derzeit kommt es jedoch zu Marktverwerfungen, die aufgehoben werden müssen.

Taxianbieter sind ein wichtiger Teil des öffentlichen Verkehrsangebots und der Markt daher reguliert. Der Staat hat ein großes Interesse darin, ein flexibles und verlässliches öffentliches Verkehrssystem zu erhalten, welches Punkt-zu-Punkt-Verkehre anbietet und erschwinglich ist. Neue Anbieter und die Fürsprecher von Uber & Co. haben bislang noch nicht dargelegt, ob und wie sie ein entsprechender Ersatz des Systems Taxi sein möchten.

Die Taxibranche befindet sich derzeit in einer unangenehmen Lage. Als reguliertes und relativ starres System ist sie mit einer unregulierten Konkurrenz konfrontiert. Insbesondere der Rahmen der Preissetzung ist kritisch: Ein starres Preissystem konkurriert mit einem dynamischen nachfrageabhängigen System. In Zeiten schwacher Nachfrage kann ein unregulierter Anbieter den Taxipreis unterbieten und somit Nachfrage attrahieren, in Zeiten starker Nachfrage durch Aufschläge entsprechende Konsumentenrenten abschöpfen, während das konventionelle Taxi keinerlei Preisdifferenzierung vornehmen kann. Dieses Ungleichgewicht verzerrt den Markt und gefährdet langfristig die Systemintegrität des Taxiverkehrs und des öffentlichen Verkehrsangebots.

Die Politik hat zwei Möglichkeiten: Entweder dereguliert sie den Taximarkt, sodass dieser auf gleicher Ebene mit Ridesharing- / Rideselling-Angeboten konkurrieren kann oder sie reguliert Ridesharing-Apps dahin gehend, dass die Angebote sich über entsprechende Mindeststandards und Pflichten dem Taxiverkehr annähern.

Meiner Meinung nach ist es zielführender und zukunftsgerichteter die Struktur des Taximarktes zu verändern. Ziel muss ein verlässlicher, der Öffentlichkeit optimal dienender Taxiverkehr sein, der innovationsfreundlich ist und neue Technologien nutzt.

Mittelfristig wird die Politik nicht um eine Flexibilisierung des Personenbeförderungsgesetzes herumkommen. Dies dient aber vorrangig dem Ziel, flexiblere Bedienformen des ÖPNV mit dynamischen und nachfrageabhängigen Routen zu ermöglichen. Insbesondere im ländlichen Raum bieten entsprechende Technologien und Innovationen große Chancen Mobilität zu erhalten, eine komfortable, sichere, schnelle und bequeme Alternative zum motorisierten Individualverkehr zu entwickeln und Stau sowie Luftverschmutzung und Verkehrslärm zu verringern. Und dient somit letztlich dem Wohle der Gesellschaft.

  1. Jon-Terje Bekken; Frode Longva (2003): Impact of taxi market regulation – an international comparison; Transportøkonomisk institutt; Oslo; 2003 – https://www.toi.no/getfile.php/Publikasjoner/T%C3%98I%20rapporter/2003/658-2003/658-2003-el.pdf
  2. Siehe auch: Salanova, J. M., Estrada, M., Aifadopoulos, G., Mitsakis, E. (2011): A review of the modeling of taxi services. Procedia Social and Behavioral Sciences 20, 150–161.
  3. Krantz, L-G. 1991: Avregleringen av taxi i Sverige – Geografiska variationer i resultaten av kommunernas upphandling av taxitransporter. Transportforskningen TFBrapport 1991:21.
  4. Marrel, A and Westin, K. (2002): The effects of taxicab deregulation in rural areas of Sweden. Journal of Transport Geography 10, 135-144.
  5. Laitila, T., Marell, A. and Westin, K. (1995): Taxitrafiens egenskaper och taxikundernas uppfatning fyra år efter avregleringen. KFB, 93-418-63.
  6. Gärling, T. (1993): Avreglering av taxi i Sverige – Förendringar i trafikens egenskaper och kundernas uppfatningar. Transportforskningen. TFB-rapport 1993:2.
  7. Dempsey, Paul Stephen. 1996. Taxi Industry Regulation, Deregulation, & Reregulation: The Paradox of Market Failure. Transportation Law Journal 24(1): 73-120
  8. Bergantino, A.S., Longobardi, E. (2000): The drawbacks of deregulation in the taxi market: evidence from the international scenario and the Italian experience. In: Sucharov L., Brebbia, C.A (Hrsg.): Urban Transport VI – Urban Transport and the Environment for the 21st century. Southampton, 85–94
  9. OECD (2007): Taxi Services: Competition and Regulation. OECD Policy Roundtables, DAF/Comp (2007) 42;
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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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IEmobility
IEmobility
15. Juni 2015 14:03

Intelligente Verkehrstelematik mit KI-System und exaktester MagSense – Sensorik ist für Anwendungen im ruhenden und fließenden Verkehr einzusetzen mit Mehrwert für alle AkteuerInnen. Ob 365/7/24 VehicleDetektion an Rettungs-/Ein-Ausfahrten, Ladepunkten für EV´s – mit Komfortfunktion in Navi+App, Web. Non-Invasive Montage z.B. Rampenzählungen durch die Decke hindurch gemessen (Parkhäuser etc.) und Echtzeit bereit stellen. Empfehlung auch für Parkleitsystemoptimierung.

Der Beitrag von Herrn Randelhoff ist sehr gut recherchiert. Taxivorfahrt -Lösung z.B. des Herstellers aus Heppenheim/Bergstr. passt hierzu genau.

gunhild Preuß-Bayer
gunhild Preuß-Bayer
27. Dezember 2014 11:04

Süddeutsche Zeitung, 27.12.2014, Ressort: Wirtschaft,
UNTERNEHMEN
Uber in Südkorea verklagt
Seoul – Der Druck auf den Mitfahr-Dienst Uber wächst. Das amerikanische Start-up wurde einem Bericht der Nachrichtenagentur Yonhap zufolge nun auch in Südkorea verklagt, weil es ein Gesetz verletze. …

Hallo, Herr Randelhoff,
hab grad Ihren Text zu Uber gelesen und nun in der SZ das gefunden.

peter
peter
8. September 2014 17:43

ich werde aus der Sache nicht schlau?

Warum aber die 20% Abgabe? Ist doch viel zu hoch… Bei 5000% Umsatz 20% an Uber? Jeden Monat 1000€ an uber? Das wird für die aber ein sehr lukratives Business werden. und 5000€ sind ein muss. von 4000€ werden locker 700€ an sprit gehen, dann die Anschaffung des Autos, Versicherung, Wartung etc…. Und dann natürlich am ende 0€ Steuern zahlen, damit das überhaupt möglich ist. Das Taxifahren teuer ist, aber Uber günstig, die Taxifahrer für Dumping Gehalt arbeiten, alles in einem hier ein WIDERSPRUCH für sich…. die 20% sind viel zu hoch angesetzt…. Sobald die mit einem Reform durchkommen, das Urteil steht, dann aber gleich so, dass man lediglich die Taxidachschilder abnimmt und so weiter Schwarz fährt:D So oder so, werden es die selben Fahrer bleiben, der eine wird sein Büro Job kaum kündigen, um als Fahrer zu arbeiten HAHAHAH :D Die Leute glauben auch echt alles..

ww
ww
8. September 2014 08:56

Sehr schöner Artikel,

ohne den ganzen Roman gelesen zu haben, sage ich als ehmemaliger Aushilfstaxifahrer,endlich kommt das Aus für diese vollkommen überbewertete,überteuerte und äußerst unfreundliche Branche inkl.Sozial Dumping f.d. Fahrer.
Wobei die (Marionetten)Politik ähnl.wie bei Hartz 4 stur daran festhalten möchte trotz immer wiederkehrender Gegenteilig veröffentlichter Studien!

ClaudiaBerlin
7. September 2014 11:21

Ein sehr guter Artikel, der gut als Grundlage für Diskussionen rund ums Taxi dienen kann. Danke für die immense Arbeit!

“Ziel muss ein verlässlicher, der Öffentlichkeit optimal dienender Taxiverkehr sein, der innovationsfreundlich ist und neue Technologien nutzt.”

In Berlin muss ich 1,50 Euro Zuschlag bezahlen, wenn ich so etwas ungemein “Innovatives” wie eine Zahlung per EC-Karte vornehmen möchte. Und das in einem Umfeld, in dem Barzahlung nurmehr die Ausnahme ist, praktisch nur noch in Tante-Emma-Läden erforderlich ist.

Sowas hätte ich denn wirklich sehr gerne “wegreguliert”!

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Grimme Online Award Preisträger 2012

Zukunft Mobilität hat den Grimme Online Award 2012 in der Kategorie Information erhalten. Ich möchte mich bei all meinen Lesern für die Unterstützung bedanken!

PUNKT Preisträger 2012

Zukunft Mobilität hat den PUNKT 2012 der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) in der Kategorie "Multimedia" gewonnen.

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Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) hat mich im Rahmen der VDV-Jahrestagung 2013 in Mainz als “Talent im ÖPNV” des Jahres 2013 ausgezeichnet. Der VDV vertritt rund 600 Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehrs, des Schienenpersonennahverkehrs, des Schienengüterverkehrs, der Personenfernverkehrs sowie Verbund- und Aufgabenträger-Organisationen.

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ClaudiaBerlin

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
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