Elektromobilität Verkehrspolitik Zukunft

Die drei großen Chancen, die uns die Elektromobilität bietet

Lauscht man den Staatssekretären aus dem Bundesverkehrsministerium, so gewinnt man durchaus den Eindruck, dass die Elektromobilität der Heilbringer schlecht hin sei. Viele durch den Verkehr verursachte Probleme scheinen sich wie durch Zauberhand in Luft aufzulösen: CO2-Ausstoß – geklärt, Feinstaub – geklärt, Kraftstoffpreise – geklärt, Erdölabhängigkeit – geklärt.

Allzu gerne vergessen wird jedoch, dass wir bis zum richtigen elektromobilen Zeitalter noch einen weiten Weg vor uns haben. Es zeichnet sich bereits ab, dass wir das Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen fahren zu lassen, nicht erreichen werden. Hinzu kommt, dass das CO2-Einsparpotential durch Elektrofahrzeuge wahrscheinlich nicht so groß ist wie gedacht.

Ich muss jedoch gestehen, dass ich ein großer Freund der Elektromobilität bin. Dies ist aber nicht der lokalen Emissionsfreiheit geschuldet, die von den Marketingabteilungen großer Automobilbauer zum heiligen Gral hochstilisiert wird. Generell sind die PR- und Marketingansätze im Bereich Elektromobilität ein großes Ärgernis. Wenn man in einer Broschüre für kommunale Entscheidungsträger liest, dass E-Bikesharing den großen Vorteil der CO2-Freiheit mit sich bringe (grob falsch) und jedes dritte Wort „CO2-frei“ lautet (wird durch Wiederholung nicht besser), zweifele ich persönlich schon an der Fähigkeit dieser Agenturen. Dies ist aber nur ein kleiner und unwichtiger Nebenkriegsschauplatz.

Es sind eher einige parallele Entwicklungen, die Elektromobilität und insbesondere das Elektroauto mit sich bringen, die ich persönlich äußerst faszinierend finde. Leider sind diese Effekte vielen Menschen noch nicht bewusst. Ich bin mir sicher, dass die Elektromobilität unser Verkehrsverhalten viel stärker ändern wird, als der bloße Austausch der Antriebstechnologie.

Interessanterweise sind diese Ansätze bisher weder in der breiten Bevölkerung noch in der Politik näher beleuchtet worden. Auf wissenschaftlicher Seite gibt es zwar einige Diskussionspapiere, die sich jedoch nur auf einzelne Punkte stützen und es leider noch nicht geschafft haben, den breiten Bogen zu spannen.

Da ich mir sicher bin, dass sich Elektromobilität mittel- bzw. langfristig durchsetzen wird, sollte es durchaus an der Tagesordnung sein, nicht immer den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, sondern auch zukunftsgerichtet nach vorne zu denken und einige Entwicklungen vorauszusehen.

Unserer Gesellschaft bieten sich drei große Chancen, von denen jede einzelne mit einigen Herausforderungen verbunden ist. Und diese Chancen werden den Verkehr in den nächsten 20 bis 30 Jahren verändern. Auch getrieben durch den Wandel im Automobilsektor.

Verknüpfung der Verkehrsträger

Mit dem Elektroauto wird unser bisheriges Verkehrswahlverhalten nicht mehr so einfach sein. Der Entscheidungsprozess wird um mindestens eine Ebene komplexer.

Das Elektroauto unterliegt einer Reichweitenrestriktion. Die Reichweite wird sich sicherlich in naher Zukunft wegen der grandiosen Forschungsarbeit vieler Batterieforscher erhöhen. Allerdings muss man einschränken, dass Batterien mit einer Reichweite von 500 Kilometern und mehr, die zudem in wenigen Stunden voll aufgeladen sein sollen, für den Käufer einen gewissen Preis und ein hohes Gewicht mit sich bringen. Mit der derzeitigen Zahlungsbereitschaft sind Elektrofahrzeuge mit einer Reichweite von 150 Kilometer bis maximal 200 Kilometer im Markt platzierbar. Fraglich ist nur, ob die Fahrt von Hamburg nach Palermo mit dem Elektrofahrzeug möglich und auch wünschenswert ist.

Die Wahl des geeigneten Verkehrsmittels ist auf der einen Seite recht komplex (Verkehrsmodellierung) und auf der anderen Seite zu simpel (realisierter Entscheidungsprozess). Zur Zeit haben viele Menschen ein Verhalten habituisiert, dass den automatischen Griff zum Autoschlüssel bedeutet. Alternativen werden entweder ausgeblendet oder als zu unkomfortabel abgetan.

Die Elektromobilität bringt allerdings einen Wandel mit sich. Der Fahrkomfort des Elektroautos dürfte auf einer Fahrt von Hamburg nach Palermo sicherlich geringer sein als die Fahrt in einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor – die ständige Kontrolle der zur Verfügung stehenden Reichweite und notwendige Batterieladeprozesse dürften hier einen negativen Effekt haben.

Mir stellt sich schon länger die Frage, wieso in der Öffentlichkeit das derzeitige Verhalten als in Stein gemeißelt gilt. Diskussionen über Elektromobilität werden immer mit dem Argument abgetan, dass die Reichweite nicht stimme, die Fahrzeuge nicht für den Alltagsgebrauch taugen und daher nicht kaufbar wären. Dabei wird aber immer vom bisherigen Nutzungsverhalten ausgegangen. Ich warte bereits seit einigen Monaten auf ein Angebot der Automobilindustrie bzw. der Mietwagenanbieter, das Elektroautokäufern ein Kombipaket aus Elektrofahrzeug und bedarfsabhängig Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zur Verfügung stellt. Ab diesem Augenblick wird der Prozess recht spannend.

Wenn für längere Fahrten ein Fahrzeug angemietet wird, dessen Preis zu den Vollkosten bzw. variablen Grenzkosten angesetzt ist, steigt die Kostenwahrheit im Verkehr. Zu diesem Augenblick wird ein objektiver Preisvergleich zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern (Straße, Schiene, Luft) möglich. Eine Fahrt von Hamburg nach Palermo muss nicht zwingend am günstigsten mit dem Auto sein. Die Bahn kann durchaus konkurrenzfähige Preise anbieten, wenn ein direkter Kostenvergleich möglich ist. Derzeit werden die Kilometerkosten des motorisierten Individualverkehrs subjektiv zu niedrig angesetzt. Die auf betriebswirtschaftliche Weise und damit objektiv berechneten Kostensätze des öffentlichen Verkehrs liegen somit höher als die Kosten des MIV. Diese Verzerrung führt zu einer unvollkommenen Entscheidung bei der Verkehrsmittelwahl.

Mit Hilfe geeigneter Berechnungstools, die zur Zeit für den Endkundenbereich nur in geringen Umfang zur Verfügung stehen, könnte Kostenwahrheit hergestellt und somit das Verkehrsmittelwahlverhalten zumindest für längere Fahrten vollkommen revolutioniert werden.

Aber auch im innerstädtischen Verkehr bieten sich durchaus Anwendungsmöglichkeiten. Kleine Elektroautos sind für den Weg zur Arbeit in den meisten Fällen ausreichend dimensioniert. Zur Zeit kommt als Gegenargument oft, dass der Wochenendeinkauf oder die Fahrt in den Baumarkt mit dem Kleinwagen nicht möglich sei. Nun gibt es für diese Wege zumindest in Ballungsräumen ausreichend Alternativen. Als Beispiel sei hier nur Carsharing genannt; Carsharing-Anbieter offerieren durchaus Kleintransporter und Kombis. Die Carsharing-Kosten dürften ebenfalls unterhalb des Einsparpotenzials eines Elektrofahrzeugs liegen. Und wenn jemand so unvernünftig sein sollte und möchte unbedingt mit 240 km/h über deutsche Autobahnen heizen, bieten Europcar, Sixt, Avis und Co. sicherlich auch die richtigen Fahrzeuge an.

Durch die Reichweitenrestriktion des Elektrofahrzeugs könnten wir in einigen Jahren wirklich ein verändertes Verkehrsmittelwahlverhalten und ein neues Bewusstsein für Verkehr bekommen.

Energiewende = Verkehrswende

Das Tolle an Elektromobilität ist ja, dass es dem Fahrzeug egal ist, woher der Strom kommt. Nun ist das Verfeuern von Braun- und Steinkohle für die Produktion von Strom für Elektrofahrzeuge aus Umweltsicht durchaus fragwürdig. Die Energiedichte und somit die Effizienz beider fossilen Energieträger sind geringer als die von Benzin und Diesel.

Elektroautos sind nicht nur lokal emissionsarm, sie lassen sich auch als mobile Stromspeicher in ein sogenanntes „Smart Grid“ einbinden. Hierzu müsste die Schnittstellen- und Abrechnungsproblematik gelöst werden.

Die Energiewende ist ohne Verkehrswende nicht machbar und umgekehrt.

Energieerzeugung mittels Wärmekopplung, Photovoltaik- oder Windkraftanlagen ist nicht zu 100 Prozent planbar und unterliegt externen Schwankungen. Die Zwischenspeicherung überschüssiger Energie in Schwachlastzeiten und die Abgabe derselben in Spitzennachfragezeiten lässt sich durch technisch aufwändige und in der Bevölkerung zumeist umstrittene Pumpspeicherkraftwerke, die Wandlung überschüssiger Energie in Methan oder Wasserstoff, usw. darstellen oder wir speichern diese Energie in den Batterien von Elektrofahrzeugen. Eine praktikable Anwendung dürfte ab ein bis drei Millionen Elektrofahrzeugen gegeben sein.

Laut Siemens könnten 200.000 Fahrzeuge mit einer Kapazität von jeweils 40 kWh, kurzfristig eine Leistung von 8 GW zur Verfügung stellen – das ist mehr als ganz Deutschland derzeit an Regelleistung benötigt, um Verbrauchsspitzen abzufedern.

Zu diesem Zweck müssen Energieversorger, Automobilhersteller, Hersteller von Energietechnik und Kraftwerkstechnologie eng zusammenarbeiten. Die Kommunikation zwischen Elektroauto und Stromtankstellen wird zu einer der Schlüsseltechnologien in diesem Bereich.

Dass diese Entwicklung kein Wunschdenken ist, beweisen viele Unternehmen und Forschungseinrichtungen in Deutschland bereits heute unter realen Bedingungen.

Neue Finanzierungsgrundlage für Verkehrsinfrastruktur

Derzeit diskutiert Deutschland wieder einmal über die Einführung einer Pkw-Maut. Dies ist sicherlich richtig und wichtig, blendet aber eine wichtige Entwicklung vollständig aus: Treibstoffeffizienz und Elektromobilität tut dem Staat weh.

Durch eine verbesserte Treibstoffeffizienz und die Nutzung von Elektrofahrzeugen, sinkt der Absatz von Mineralölprodukten in Deutschland und damit einhergehend das Energiesteueraufkommen. Für eine weitere Betrachtung verwende ich die Bezeichnung „Mineralölsteuer“, die seit 2006 in das Energiesteuergesetz integriert ist. Für die folgende Argumentation und deren Verständnis ist die Separierung beider Begriffe jedoch sinnvoll.

Die Nutzer des Straßennetzes sollen mittels Mineralölsteuer die Kosten für Bau und Erhaltung des Straßennetzes zahlen (“Verursacherprinzip”) und zudem die externen Kosten, die durch den Straßenverkehr entstehen, internalisiert werden.

Wenn es, wie von Politikern jeglicher Couleur jederzeit postuliert, gelten soll, dass alle Geldmittel, die vom deutschen Autofahrer an der Tankstelle bezahlt werden, voll dem Straßenbau und –unterhalt zugutekommen sollen, so bedeutet dies im Umkehrschluss, dass sinkende Mineralöl- und Kfz-Steuereinnahmen eine Minderung des Etats für eben jene Aufgaben bedeutet. Oder aus anderen Bereichen des Bundeshaushalts kompensiert werden müssen. Eine alternde Gesellschaft dürfte diesen Effekt weiter verstärken.

Einnahmen aus der Mineralölsteuer in Deutschland 1950 - 2010 in Millionen EuroEinnahmen des Bundes und der Länder aus der Mineralölsteuer in Deutschland 1950 – 2010 in Millionen Euro – Daten: MWV Jahresbericht 2010, eigene Darstellung, CC BY-NC SA 3.0

Eine Kompensation über die Stromsteuer dürfte nicht oder nur sehr schwer zu machen sein. Die Differenzierung zwischen Fahrstrom für Elektrofahrzeugen und dem Verbrauch beispielsweise der Industrie lässt sich nur durch eine technische Vollüberwachung aller Verbräuche in Deutschland realisieren. Wegen des Aufwands und der datenschutzrechtlichen Gesetzeslage ist eine solche Totalüberwachung nicht darstellbar. Eine andere Maßnahme wäre die unpopuläre Erhöhung der Mineralölsteuer. Dies würde jedoch die Transportwirtschaft, die auch in Zukunft hochgradig von Dieselkraftstoffen abhängig sein wird, einseitig schädigen. Durch die gute Vernetzung mit der deutschen Politik in Berlin dürfte ein solcher Schritt in den nächsten Jahren nicht denkbar sein.

Am gerechtesten wäre die Einführung einer fahrleistungsabhängigen Maut. Durch eine solche Maut würden jene belastet werden, die das Straßennetz viel nutzen. Hinzu kommt, dass Vielfahrer heute eine hohe Mineralölsteuerlast tragen. Um die Ausfälle zu kompensieren, müssen Vielfahrer auch in Zukunft die größere Last tragen.

Es wäre zudem möglich, durch preisliche Differenzierung ein starkes Werkzeug zur Verkehrssteuerung in der Hand zu haben. Ganz radikal gedacht, könnte man Autofahrer, die außerhalb der Hauptverkehrszeiten fahren, sogar finanziell  belohnen. Ähnlich wie es in der Niederlanden bereits gemacht wird.

Die derzeitigen Pläne von Bundesverkehrsminister Ramsauer, eine Vignettenpflicht auf deutschen Autobahnen einzuführen, löst langfristig die Probleme nicht. Er ist zu kurz gedacht. Die Einführung dieser Mautart ist allerdings der Weg des geringsten Widerstands, sie wird zudem aus den falschen Gründen eingeführt. Für eine sichere und planbare Finanzierung des Infrastrukturetats müssen heute die Weichen gestellt werden. Die Einführung einer fahrleistungsabhängigen Maut würde laut Ramsauer bis zu sieben Jahre dauern, käme also rechtzeitig zum Marktdurchbruch des Elektroautos und den damit verbunden Mineralölsteuerrückgängen.

Einnahmen Kfz-Steuer Deutschland 1950 - 2010 in millionen EuroEinnahmen des Bundes und der Länder aus der Kraftfahrzeugsteuer in Deutschland 1950 – 2010 in Millionen Euro – Daten: MWV Jahresbericht 2010, eigene Darstellung, CC BY-NC SA 3.0

Hinzu kommen Probleme mit der Kraftfahrzeugsteuer. Eine Kfz-Steuerbemessung nach CO2-Ausstoß, die theoretisch eine wichtige Lenkungsfunktion besitzt aber mangelhaft umgesetzt ist, dürfte bei Elektrofahrzeugen nicht so einfach umsetzbar sein. Der Steuersatz müsste nach der verwendeten Energie differenziert werden. Kohlestrom müsste mit einem höheren Satz als regenerativer Strom besteuert werden. Am einfachsten wäre natürlich die Festsetzung nach dem durchschnittlichen CO2-Ausstoß jeder in Deutschland produzierten Kilowattstunde. Hiermit sinkt jedoch der Anreiz, sein Elektrofahrzeug mit regenerativen Energien zu „betanken“. Eine quellseitige Besteuerung, d.h. der Strom wird an der Produktionsquelle besteuert und vom Stromanbieter verrechnet, nach CO2-Ausst0ß wird zur Zeit bereits in Ansätzen durchgeführt, könnte aber noch weiter differenziert werden. Derzeit wird jede Megawattstunde mit 20,50 Euro besteuert. Regenerativ erzeugter Strom ist von der Steuer befreit.

Eine fahrleistungsabhängige Maut wäre ebenfalls in der Lage, externe Kosten verursachergerecht zu internalisieren und den Einzelnen zuzuschreiben.

Die Elektromobilität bietet die Chance, die Vernetzung der verschiedenen Verkehrsmittel zu verbessern, die Energiewende zu meistern und unsere Infrastrukturfinanzierung auf ein neues Fundament zu stellen. Nebenbei könnten wir die Internalisierung externer Kosten vorantreiben.

Der Wandel zur Elektromobilität ist ein langer Prozess. Wir werden in den nächsten Jahren sicherlich nicht die Fortschritte sehen, die die Politik sich erträumt. Es wird ein langfristiger, aber steter Wandel sein, den unsere Mobilität unterliegt.

Bereits heute werden in vielen Unternehmen und Organisationen die Weichen für die Zukunft gestellt. Leider hinken die Gesellschaft und die Verkehrspolitik ein wenig hinterher. Es ist an der Zeit, dass wir ergebnisoffen und ohne Scheuklappen darüber nachdenken, wie wir das elektromobile Zeitalter gestalten möchten. Auch dies ist Teil der Energiewende. Niemand hat je behauptet, dass es einfach wird…

Anonymous

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Mark
Mark
21. Juni 2012 16:08

Hallo,
vielen Dank für den ausführlichen Artikel. Man sieht, die Verleihung eines Preises führt zu neuen Lesern …

Als erstes einige Kommentare von mir:
1. Elektroautos sind i.d.R. kleiner als “normale” Verbrenner. Vielleicht entspannt sich das Problem des “Stabelns”. Außerdem gut beobachtet: In 23,5h kann man Elektroautos selbst an der Schukosteckdose locker laden …
2. In der Stadt ist die Durchschnittsgeschwindigkeit ca. 30 km/h. Da das dort v.a. durch Stop-and-Go bestimmt wird, spielt die Reduktion des Lärms hier durch ein E-Auto schon eine Rolle.
3. Bremsabrieb sollte bei E-Autos ebenfalls durch Rekuperation weniger werden. Da man mit einem E-Auto auch anders fährt (eigene Erfahrung nach 18 Monaten), bremst man schon alleine deswegen weniger (vorrausschauende Fahrweise macht sich direkt in Reichweite bemerkbar. Das sieht man jede Minute an der Restreichweitenanzeige :-)).
4. Setzt sich Elektromobilität durch, dann wird das auch einen Einfluss auf LKWs im Stadtgebiet haben. Hier würde z.B. schon die Einführung von Umweltzonen etwas bringen, die halt fast nur von E-Fahrzeugen erreichbar sind. Und E-LKWs (von den Auslieferungslagern am Stadtrand zum Einzelhandel sollte heute schon machbar sein) gab es schon mal vor 100 Jahren!
5. Auch wenn inzwischen sogar die UN ein Geräusch für E-Autos gefordert hat, so sollte das v.a. für Rückwärtsfahren relevant sein. Fall auch für vorwärts, dann hoffentlich leiser als Verbrenner selbst bei normaler Fahrweise. Auf jeden Fall viel leiser als beim “Hochdrehen” und beim Stillstand an der Ampel oder im Stau!
6. Subvention von ÖPNV und Industrie/Innovation ist nicht beliebig austauschbar. Bei letzterem sollte der Staat durch Steuern, Arbeitplätze, etc. ein Mehrfaches wieder herausbekommen (wenigstens in der Theorie).
7. 200.000 Fahrzeuge und man hat die Regelleistung erreicht klingt doch schon sehr gut. Wenn man dann mal 2.000.000 Autos hat, dann spielen diese eine zentrale Rolle im SmartGrid. Hier wird aktuell intensiv geforscht und es gibt auch schon mehr als nur gute Ideen.
Übrigens ist das Elektroauto ein gutes Beispiel dafür, dass Energie nicht wie bisher immer in Echtzeit zur Verfügung stehen muss. Ich sage der Ladesäule einfach, dass ich hier (zu Hause / in der Arbeit) einige Stunden stehe und ich werde dann beladen, wenn es gerade mal wieder “zu viel” Strom im Netz gibt. Zu Hause fallen mir hier v.a. die Kühl-, Wasch- und Geschirrspülgeräte ein (Stichwort SmartMetering).
8. Der gesellschaftliche Wandel der nötig ist, ist (leider) nicht zu unterschätzen (muss ich oft genug dagegen argumentieren). Allerdings auch nicht die Chancen. Wozu benötige ich denn z.B. mein Familienauto? Meine Erfahrung zeigt, dass weit über 90% meiner Fahrten mit dem Elektroauto (4 Personen mit Kofferraum für einen normalen Einkauf) machbar sind. Gäbe es in meinem Ort die Möglichkeit des Carsharings, vielleicht könnte ich dann meine Frau überreden … Aber selbst ich tue mich hier noch schwer. Mein Bauch fährt auch gerne “sein eigenes” Auto. Wenn ich aber sehe, wieviel es pro Minute/Kilometer kostet, dann könnte ich manche Fahrt auch mit dem Taxi fahren.
9 CO2: Natürlich ist der Strommix nicht CO2 frei. Aber ich habe den Test mit dem Elektroauto (30 Monate!) zum Anlass genommen, auf einen Ökostromanbieter zu wechseln und bei meinem Arbeitgeber gibt es schon immer CO2 freien Strom von den örtlichen Stadtwerken (die sich u.a. dafür bei Windrädern und Biogasanlagen eingekauft haben – also nicht einfach nur ein Zertifikat gekauft). Damit sind wir (theoretisch) 100% CO2 frei.

Ansonsten wie gesagt: Guter Artikel.
Vielen Dank
Mark

Steffen
Steffen
2. Juni 2012 14:27

Hallo Martin,

danke für Deine detaillierten Erläuterungen. Ich stimme vollkommen mit Dir und vielen Anderen darin überein, dass wir mit Nachdruck versuchen müssen, sämtliche negativen externen Effekte des Verkehrs zu reduzieren. Nicht umsonst beschäftige ich mich als Stadt- und Regionalplaner auch beruflich intensiv mit entsprechenden Konzepten. In vielen europäischen Städten passiert hier auch schon eine Menge mit sogar sicht- und messbaren Erfolgen. Dennoch wird es in den Städten auch in Zukunft noch motorisierten Verkehr geben.

Wie Du selbst ausführst, führen Elektrofahrzeuge zu keinerlei lokalen Stickoxidemmissionen und zu einer nicht unerheblichen Reduktion der Feinstaubbelastung. Wie Du schreibst, ist es ja gerade die kleinen Partikel, die durch Verbrennungsmotoren emittiert werden. Beim Thema Lärm habe ich oftmals den Eindruck, dass der Einwand, die Motorengeräusche wären neben anderen Lärmquellen vernachlässigbar, vor allem von jenen kommt (z.B. Michael Cramer), die die Lärmbelastung durch innerstädtischen Verkehr aus eigener Erfahrung gar nicht kennen. Wer tatsächlich in dicht besiedelten Gebieten wohnt, wird bestätigen können, dass es nicht das gleichmäßige Fahrgeräusch von Fahrzeugen mit über 30 km/h ist, das einen aus dem Schlaf reißt (in Städten wie Berlin sind ohnehin 75% aller Straßen Tempo 30),sondern eben die Motorengeräusche beim Beschleunigen.

Der Grund für mein energisches Plädoyer im obigen Kommentar, man möge die lokalen Effekte von Elektrofahrzeugen nicht unterschätzen, ist mein Einduck, dass die Effekte der Elektrombolität oftmals (unter anderem von Wolfgang Lohbeck von Greenpeace) kleingeredet werden. Wahrscheinlich geschieht dies hin und wieder, um die “große Lösung” – also die Verringerung bzw. Verlagerung des Verkehrsaufkommens nicht zu gefährden. Ich kann diesen Ansatz zwar nachvollziehen. Allerdings wird damit der Leidensdruck der vom Straßenverkehr Geplagten sträflich ignoriert.

Mit der Kombination geeigneter Maßnahmen, wie der Einführung einer nach Fahrzeug- und Antriebsart gestaffelten Citymaut, dem Ausbau von Radwegen, der Förderung von Carsharing durch Bereitstellung von öffentlicher Stellplätze, der Entwicklung einer Fußverkehrsstrategie u.v.m. kann in Verbindung mit Elektromobilität schon bis 2020 viel für die Verbesserung der Lebensqualität in den Städten erreicht werden. Dies trägt dann auch zu einer Verringerung des Flächenverbrauchs bei, durch weniger Menschen, die aus der Stadt in die surburbanen Gebiete fliehen. Durch weniger Zersiedelung wird wiederum das Verkehrsaufkommen vermindert – aber ich verliere mich gerade…

Sicher ist, wir brauchen ein breites Bündel an Maßnahmen und Elektrofahrzeuge können dabei ihren Teil zu lebenswerteren Städten beitragen. Eine große Herausforderung bleibt sicher noch der schwere Güterverkehr, der sich mittelfristig nicht in nennenswertem Ausmaß elektrifizieren lässt. Ein schönes Foto von einem Pilotprojekt dazu findet sich hier: http://j.mp/KpnB7T

Viele Grüße,
Steffen.

Steffen
Steffen
1. Juni 2012 13:01

Zuerst einmal danke für den ausführlichen Artikel. Was mich jedoch immer wieder wundert – sowohl in praktisch allen anderen Artikeln als auch in diesem und in den Kommentaren – ist die völlige Negierung der lokalen Emissionsfreiheit von Elektrofahrzeugen, unabhängig vom CO2-Austoß. Wer tatsächlich in der Innenstadt einer europäischen Großstadt wohnt, der leidet sehr wohl unter Feinstaub- und Stickoxidbelastung und Motorenlärm. Allein die Folgen dieser Emissionen für Deutschland werden vom Bundesumweltamt mit jährlichen frühzeitigen Todesfällen im vierstelligen Bereich beziffert. Und eigentlich braucht es gar keine Statistik, um die Umweltfolgen zu erfahren: an Kreuzungen hat man oftmals das gefühl, die Luft anhalten zu müssen und nachts wird man durch den Lärm beschleunigender Fahrzeuge aus dem Schlaf gerissen. Na klar ist der Flächenverbrauch ärgerlich und auch volkswitschaftlich ein großes Problem. Aber allein die Umstellung des Antriebs auf Elektromotor würde für hundertausende Menschen allein in Deutschland eine unmittelbar spürbare Verbesserung der Lebensqualität bedeuten. Ich verstehe wirklich nicht, warum dieser Effekt immer wieder so eklatant vernachlässigt wird.

Jan
Jan
Reply to  Randelhoff Martin
25. April 2015 11:00

Um mal an einem unwichtigen Nebenkriegsschauplatz weiterzukämpfen:
Elektroautos können durchaus auch bei Reifen-, Brems- und Straßenabrieb die Feinstaubemissionen reduzieren.
Reifenabrieb lässt sich durch eine Begrenzung der Leistung senken – was bei fossilen KFZ natürlich auch möglich ist.
Beim Bremsabrieb kann durch die Rekuperation oft auf den Einsatz der klassischen Bremsscheibe verzichtet werden.
Und beim Straßenabrieb geht auch was, auch wenn das wieder nicht direkt mit der Elektromobilität zu tun hat: Differenziertere, leichtere Fahrzeuge belasten die Straße weniger.

Entsprechend wären auch leisere Reifen denkbar, wenn die Reifen nicht für optimale Eigenschaften bei 200km/h gebaut werden…

Henrik
Henrik
31. Mai 2012 17:22

Ich finde, dass ein Punkt in Sachen E-Mobilität schlicht ständig vergessen wird: Die Alltagsprobleme in den Städten werden m.E. nicht durch die Antriebsart der Kfz verursacht, sondern durch ihre schlichte stadtraumfressende Anwesenheit.

Die Diskussion zum Thema Verkehrsvermeidung und Verkehrsbündelung auf flächen- und energieeffizientere Verkehrsmittel geht völlig unter. Während die Autoindustrie mit Subventionen für E-Autos gepäppelt wird, werden dem ÖPNV, der seit mehr als 100 Jahren E-Mobilität täglich praktiziert, die Gelder gestrichen. Das macht mich langsam kirre.

Vor unserer Haustür stapeln sich die Autos, die 23:30h am Tag rumstehen, zur HVZ mit 1,2 Personen 5m Straßenlänge in Anspruch nehmen, den Fußgängern und Radfahrern handtuchbreite Wege übriglassen und die den ÖPNV im Stau ausbremsen. Da muss angesetzt werden! Da sind v.a. Engergiesparpotenziale in Größenordnungen vorhanden, bei denen die E-Autos alt aussehen. 10 Dieselautofahrer steigen in den Dieselbus um, so gewinnt man Effizienz. Bei den wirklich notwendigen Individiual-Fahrten kann dann gerne auf E-Autos umgestellt werden. Aber die Priorisierung wundert mich sehr.

P.S. Nichtsdestotrotz glaube ich auch, dass die Reichweitenbeschränkung mittelfristig schon zu einem Umdenken bei der Verkehrsmittelwahl führen wird und vielleicht mehr über die Sinnhaftigkeit jeder Fahrt nachgedacht wird.

Momentan verkauft die Politik aber ein “weiter so” in der Verkehrspolitik, jetzt eben nur mit Strom statt mit Benzin/Diesel.

Josef
31. Mai 2012 16:09

Hallo,

neben dem Umweltaspekt kann so ein Elektroauto noch so einige weitere Vorteile haben. Was mir besonders an den Fahrzeugen gefällt ist der Abzug bei der Fahrt. Die haben wirklich einen tollen Drehmoment. Also wenn die nicht so teuer währen und man damit weiter Fahren könnte, würde ich mir gerne ein Elektroauto kaufen.

freundliche Grüße
Josef

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Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) hat mich im Rahmen der VDV-Jahrestagung 2013 in Mainz als “Talent im ÖPNV” des Jahres 2013 ausgezeichnet. Der VDV vertritt rund 600 Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehrs, des Schienenpersonennahverkehrs, des Schienengüterverkehrs, der Personenfernverkehrs sowie Verbund- und Aufgabenträger-Organisationen.

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Verfasst von:

Josef

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

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