Infrastruktur urbane Mobilität

[Video zum Wochenende] Banglalore in Bewegung

Bangalore ist mit über 8,4 Millionen Einwohnern die drittgrößte Stadt Indiens. Und einer der wichtigsten Standorte der indischen IT- und Luft- und Raumfahrtindustrie.

Verkehrlich und infrastrukturell hat Bangalore mit den gleichen Problemen wie fast jede andere indische Stadt zu kämpfen. Durch den großen Bevölkerungszuwachs arbeitet die für eine Stadt essenziell wichtige Infrastruktur an oder sogar über der Belastungsgrenze. Die Straßen sind im schlechten Zustand und können die Masse an Fahrzeugen kaum bewältigen. Busse sind oft überfüllt. Zudem entsprechen sie meistens nicht dem aktuellen Stand der Technik und sind entsprechend gefährlich. Hinzu kommt noch eine Armada von Motorrollern und Autorikschas, die die Stadt ebenfalls in Geiselhaft genommen haben.

Stau gehört zum Stadtbild. Hinzu kommt noch eine massive Luftverschmutzung, die zum einen direkt vom Verkehr und zum anderen indirekt vom Verkehr verursacht wird. Durch die schlechten Straßenverhältnisse und das überlastete Straßennetz ist es nicht möglich, eine leistungsfähige Müllabfuhr aufzubauen. Daher wird der Müll oftmals an Ort und Stelle am Straßenrand verbrannt, was insbesondere bei Plastikmüll zu einer massiven Luftverschmutzung führt.

Luftverschmutzung und Verkehrsprobleme in Bangalore haben ein Ausmaß erreicht, das die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Stadt ernsthaft bedroht. Einige IT-Firmen erwogen aufgrund dessen eine Abwanderung nach Hyderabad, bislang ist das Wachstum der Stadt jedoch ungebrochen.

Die Metro Bangalore

Metro Bangalore Namma Metro
Foto: Abhay vyas @ FlickrCC BY-NC-ND 2.0

Am 20. Oktober 2011 wurde die Metro Bangalore eröffnet, die man auch am Anfang des Videos sieht. Derzeit ist ein 6,7 Kilometer langer Abschnitt mit sechs Bahnhöfen in Betrieb. Bis 2014 soll das Netz auf zwei Linien mit einer Gesamtlänge von 42,3 Kilometern und 40 Bahnhöfen erweitert werden (Ausbaustufe 1). Davon verlaufen 8,8 Kilometer unterirdisch und 33,5 Kilometer oberirdisch. Sieben der 40 Bahnhöfe befinden sich ebenfalls unter der Erde. Die Kapazität soll bei 80.000 Passagieren pro Tag liegen. Betrieben wird die U-Bahn zwischen 6 und 22 Uhr mit einem Zehn-Minuten-Takt zwischen 8 und 20 Uhr und einem 15-Minuten-Takt in den Randzeiten.

An den sechs bisher eröffneten Bahnhöfen stehen Radabstellmöglichkeiten für jeweils 100 Fahrräder zur Verfügung. Das Abstellen kostet für die ersten vier Stunden 0,02 US-Dollar und für den ganzen Tag 0,09 US-Dollar. An den Stationen Baiyappanahalli und Swami Vivekananda Road existieren zudem Pkw-Abstellmöglichkeiten für 0,36 USD (4 Stunden) bzw. 0,91 USD (ein Tag).

Die Fahrpreise

Die Fahrpreise schwanken zwischen 10 Rupien (0,15 Euro) und 15 Rupien (~0,22 Euro). Das Pro-Kopf-Einkommen in Indien betrug 2010/2011 circa 1.027 Euro. Uni-Absolventen erhalten in Bangalore ein Durchschnittseinstiegsgehalt von umgerechnet 3.500 Euro. Ärmere Bevölkerungsschichten verdienen jedoch weitaus weniger. Große Teile der Bevölkerung müssen mit weniger als einem Dollar am Tag auskommen.

Laut mehrerer Indienforen betragen die Lebenshaltungskosten in Bangalore zwischen 25.000 und 30.000 Rupien / Monat, etwa 360 – 430 Euro. Für Rikschafahrten fallen im Monat durchschnittlich 2000 Rupien an (~ 29 Euro).

In vielen Großstädten Asiens und Indiens wurden in den vergangenen Jahren U-Bahnen errichtet, die von großen Teilen der Bevölkerung aufgrund ihres geringen Einkommens nicht genutzt werden können (bestes Beispiel: Dhaka). Durch die Wirtschaftskraft Bangalores kann zumindest ein Teil der Bevölkerung die U-Bahn nutzen, während der Großteil weiterhin auf Autorikschas, Fahrräder, unsichere Busse oder die Füße angewiesen bleibt.

Bezahlt wird mittels kontaktloser Smartcard oder Wertmarken mit NFC-Chip. Letztere sind für Einzelfahrten gültig. Smartcards können in verschiedenen Ausführungen gekauft werden. Meistens sind sie nicht wiederaufladbar und werden nach “Entleerung” wieder zurückgegeben. Es gibt einen Tag gültige Karten, die entweder in U-Bahnen und klimatisierten Bussen oder in U-Bahnen und unklimatisierten Bussen (natürlich günstiger) genutzt werden können. Hinzu kommen Smartcards, die 10, 20 oder 30 Fahrten ermöglichen. Die Smartcard Varshik kann für 100 Rupien (~1,45 Euro) erworben werden und ein Jahr lang mit Beträgen zwischen 50 (~0,72 €) und 1.500 Rupien (~ 21,66 €) aufgeladen werden. Der Fahrpreis wird mit 15 Prozent rabattiert.

Rollmaterial

U-Bahn Bangalore
U-Bahnzug in Bangalore – Foto: Ashwin Kumar @ FlickrCC BY-SA 2.0

Als Rollmaterial dienen drei Wagen lange U-Bahn-Züge, der von einem Konsortium der Unternehmen BEML (Wagenkasten), Mitsubishi (Antrieb) und Hyundai Rotem (Endmontage) hergestellt wird. Für Ausbaustufe 1 werden insgesamt 150 Zuggarnituren mit einer Kapazität von maximal 1.000 Fahrgästen geliefert. Das Streckennetz ist in Normalspur von 1435 mm ausgeführt. Die U-Bahn-Züge sind klimatisiert und mit WLAN-Zugang ausgestattet. Die Vorder- und Endwagen sind angetrieben, der Mittelwagen ist antriebslos. Die Maximalgeschwindigkeit beträgt 80 km/h. Im Durchschnitt fährt die Metro Bangalore 32 km/h.

Stromversorgung

Die Stromversorgung erfolgt über eine Stromschiene mit 750V Gleichstrom 66/33 kV. Die Stromversorgung wird durch die ABB Group geplant und errichtet. 

Zugsicherungstechnik

Die Zugsicherungstechnik wird von Konsortium Alstom Project India Limited für 102 Millionen Dollar errichtet. An dem Konsortium sind die Unternehmen Alstom Transport SA, Thales Group Portugal S A und die  Sumitomo Corporation beteiligt.

Metro Bangalore Netzplan Indien
Netzplan der Metro Bangalore (Ausbaustufe 1 und 2, die etwa 2017-2018 erreicht werden sollen) – Doc.aneesh @ Wikimedia CommonsCC BY-SA 3.0

Ausbaustufe 1

Der Beschluss eine U-Bahn in Bangalore zu bauen, wurde bereits 1993 getroffen. Damals wurde der Bau als Public Private Partnership-Projekt geplant. Diese Entscheidung führte zu 13 Jahren Stillstand. Im Vergleich dazu hatte die ebenfalls neu gebaute U-Bahn in Delhi, die nicht als PPP-Projekt geplant wurde, diese Probleme nicht. Dies führte im Jahr 2003 zu der Entscheidung, die Metro Bangalore doch nicht als PPP-Projekt zu planen und zu betreiben. Der Bau begann vier Jahre später im Jahr 2007.

Der Verzögerung vorausging ein Regierungswechsel und eine Diskussion  im Jahr 2003, ob und in welcher Form die U-Bahn gebaut werden soll. Bereits im April 2006 war absehbar, dass die ursprünglich projektierten Kosten von 977,4 Millionen Dollar nicht einzuhalten seien. Durch die Verzögerungen stiegen die Baukosten noch vor Baubeginn auf 2,1 Milliarden Dollar.

Am 24. Juni 2006 legte der indische Premierminister Manmohan Singh den Grundstein. Am 15. April 2007 nahm Navayuga Engineering die Bauarbeiten für den Streckenabschnitt zwischen M.G. Road und Baiyyappanahalli auf.

Die Eröffnung des 6,7 Kilometer langen Abschnitts der violetten Linie mit sechs Bahnhöfen fand am 20. Oktober 2011 statt, anderthalb Jahre nach dem ursprünglichen Eröffnungstermin im März 2010.

In den ersten drei Tagen nutzten 169.019 Fahrgäste die neue U-Bahn (Monatsübersicht Fahrgäste und Einnahmen Oktober – November 2011). Zurzeit nutzen im Durchschnitt 24.968 Fahrgäste / Tag die Metro Bangalore.

Die grüne Linie soll Ende 2012 eröffnet werden. Die fehlenden 11,4 Kilometer der violetten Linie und ein Reststück der grünen Linie folgen März – Juni 2013.

Metro Bangalore im Bau
Foto: kkalyan @ FlickrCC BY-SA 2.0

Ausbaustufe 2

Ausbaustufe 2 soll direkt an Ausbaustufe 1 angeschlossen werden und das Netz nochmals um zwei Linien, 72,095 km Strecke und 61 Stationen ausweiten. Die 4,78 Milliarden teure Ausbaustufe soll von 2014 – 2017 dauern und den Straßenverkehr um 35 Prozent reduzieren. Im Jahr 2017 soll die Metro Bangalore 102 Bahnhöfe und 114,4 Kilometer Strecke umfassen.

Die Kosten der zweiten Ausbaustufe sollen 4,78 Milliarden Dollar betragen.

Anonymous

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Logital
Logital
24. September 2012 17:28

Die 1000 Fahrgäste je Zug beziehen sich aber hoffentlich nicht auf den 3 Wagenzug, oder. Wie soll ein Wagen mit 333 Fahrgästen gefüllt aussehen? Auf dem Dach sitzen dürfte in der U-Bahn nicht möglich sein ;-)

Logital
Logital
24. September 2012 08:32

Erstaunlich, da bauen sich die Stadtväter- und Mütter eine extrem teure Infratruktur und dann wird diese von 3 Wagenzügen in 10 Minutentakt ausgenutzt. Das ist in etwa die Leistungsfähigkeit einer Straßenbahn. Volkswirtschaftlich sehr fragwürdig.

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Verfasst von:

Randelhoff Martin

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

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E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net