Paris hat sich das ambitionierte Ziel gegeben, bis zum Jahr 2020 eine der bedeutendsten Fahrradstädte der Welt zu werden und zu Kopenhagen und Amsterdam aufzuschließen. So soll beispielsweise der Radverkehrsanteil am Gesamtverkehrsaufkommen von heute fünf auf 15 Prozent gesteigert werden. Über 150 Millionen Euro stehen für Investitionen in den Radverkehr zur Verfügung, neben der Verdopplung des Radwegenetzes von 700 auf 1.400 km auch für die Errichtung innerstädtischer Radschnellwege mit dem Namen réseau express vélo, kurz REV.
Die 80 km langen Hauptachsen verlaufen in Nord-Süd sowie in West-Ost-Richtung und entlang der beiden Seine-Ufer (in der Karte pink markiert). Die Nord-Süd-Achse führt vom Porte d’Aubervilliers bis zum Porte d’Orléans und passiert den Gare de l’Est, châtelet, saint-Michel und Denfert-Rochereau. Die West-Ost-Achse verläuft vom Stadtpark Bois de Boulogne im Westen nach Vincennes im Osten und passiert den Place de l’Etoile, de la Concorde, Rivoli, die Bastille (mit dem neuen Maison du vélo) und die Avenue Daumesnil.
Die Radschnellwege sollen eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 km/h ermöglichen. Ergänzt werden sie durch ein nachrangiges Radwegenetz, welches wichtige Tangentialverbindungen über drei Ringe (durchgängig grün markiert und fett grün gestrichelt) sowie die Feinerschließung von Stadtvierteln (dünn grün gestrichelt) abbildet. Ebenfalls werden die Pariser Brücken, die Wälder von Vincennes und Boulogne sowie Teile außerhalb der Verwaltungsgrenze von Paris erschlossen. Das Radwegenetz soll 365 Tage im Jahr rund um die Uhr nutzbar sein. Hierfür sollen ausreichend Personal und Finanzmittel bereitstehen. In der Nacht sollen Radwege beleuchtet werden. Sensoren detektieren die Annäherung eines Radfahrers und beleuchten den jeweiligen Abschnitt.
Neben der Netzerweiterung soll im gesamten Nebenstraßennetz eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h gelten, 50 km/h darf nur noch auf Hauptstraßen gefahren werden. Diese werden mit Radwegen versehen. Einbahnstraßen, in denen eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h gilt, werden schon seit 2010 systematisch für den Radverkehr freigegeben (Ausnahme bei negativen Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit). Dies wird auf das gesamte Nebenstraßennetz ausgeweitet.
Um die Verkehrssicherheit zu verbessern, werden weitere Maßnahmen ergriffen. So wird die Erlaubnis für Radfahrer, rote Lichtsignalanlagen überfahren zu dürfen, von derzeit 30 Kreuzungsbereichen auf alle Pariser Kreuzungen ausgeweitet. Diese Regelung verhindert, dass Radfahrer in den toten Winkel von Fahrzeugen geraten.
Zudem sollen bis zum Jahr 2020 7.000 sogenannte Radfahrschleusen eingerichtet werden. Damit Radfahrer eine Kreuzung zügig und sicher passieren können, werden an Lichtsignalanlagen Aufstellflächen mit einer eigenen Haltelinie direkt vor dem motorisierten Verkehr geschaffen. Dies erhöht die Sichtbarkeit und somit die Sicherheit des Radverkehrs.
10.000 neue Abstellanlagen sollen das Parken des Fahrrads im gesamten Stadtgebiet ermöglichen. In enger Zusammenarbeit mit SNCF, RATP und STIF sollen insbesondere an S-Bahn-Stationen (RER), U-Bahn-Stationen und Straßenbahn-Endhaltestellen sichere Abstellanlagen geschaffen werden. Das Netz von Véligo-Abstellanlagen soll weiter ausgebaut werden. Véligo steht allen Inhabern eines Passe Navigo (RFID / NFC-Abokarte für den öffentlichen Verkehr, in Zukunft «Carte Navigo») offen.
Bis zum Jahr 2020 möchte Paris
- für 63 Millionen Euro neue Radwege errichten.
- für 30 Millionen Euro das Programm “Paris 30 km/h” finanzieren und Hauptverkehrsstraßen mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h mit Radwegen versehen.
- für sieben Millionen Euro über 10.000 neue Fahrradstellplätze schaffen.
- für zehn Millionen Euro den Kauf von E-Bikes, E-Scootern und Lastenrädern fördern.
- für 40 Millionen Euro bestehende Radverkehrsanlagen sanieren
Klingt erstmal gut, es bleibt aber abzuwarten ob man aus den Fehlern der Vergangenheit lernt. Bei den ab 2007 massiv neu angelegten Radwegen hat man sich leider eher am (schlechten) deutschen statt am niederländischen oder dänischen Vorbild orientiert: Die Wege sind fast allesamt zu schmal (deutlich enger als die hiesigen 1,6m Mindestbreite), oft finden sich Hochbordradwege, die nur aus abmarkierten Gehwegteilen bestehen oder zugeparkte Schutzstreifen. Dazu kommen noch solche Späße wie linksseitige oder ständig die Fahrbahnseite wechselnde Radverkehrsführungen. Die freigegebenen Busspuren sind auch eine zweischneidige Sache – auf breiten Spuren (Bd. Sebastopol) klappt das, enge, stark befahrene Busspuren wie die Rue de Rivoli sind nur was für starke Nerven. Eine gute Sache sind die mit einem zusätzlichen Bord gegen die Fahrbahn abgegrenzten Radstreifen. Sie verhindern effektiv das Zuparken (wenn sie nicht gerade wie an der Bastille oder im Belleville an Markttagen offiziell als Parkplatz für die Marktbeschicker freigegeben sind), kranken aber auch oft an der zu geringen Breite.
Immerhin hat die Stadt Paris neulich eine Online-Umfrage über die Gestaltung der Radwege durchgeführt. Die Mehrheit sprach sich gegen Bordsteinradwege und Schutzstreifen aus und befürwortete die geschützten Radstreifen. Das lässt hoffen. Ich bin gespannt!
Naja, ob die ASLs (advanced stop lines) es an der Kreuzung bringen, dürfte bezweifelt werden.
Dasselbe sieht man z. B. auch immer wieder in London. Insbesondere, wenn gleichzeitig Schwerlastverkehr erlaubt ist, kann das eine tödliche Konstruktion sein.
Wirkliche Sicherheit bietet nur die wirksame Trennung des Radverkehrs vom Autoverkehr mit wirksamer, infrastruktureller Sicherheit an Einmündungen und Kreuzungen.
Moin Martin,
danke für den sehr interessanten Artikel! Du hattest ja zuvor auch schon einen Artikel geschrieben, in dem du sowohl Paris als auch Madrids Bestrebungen für mehr Fahrradverkehr beschrieben hast. Weißt du, ob es auch schon von Madrid Neuigkeiten gibt?
Und zum Thema Paris: Ich finde es sehr spannend, wie die Stadt langsam aus ihrem Schönheitsschlaf erwacht und neben dem Grand Paris Express (sehr beeindruckendes Projekt) nun anscheinend auch den Radverkehr massiv ausbaut!
Weißt du, ob es da Überschneidungen bei den beiden Projekten gibt oder ob sie unabhängig voneinander laufen?
Beste Grüße aus der Statistik-Übung
Florian
Paris investiert nicht nur in Radverkehr, sondern auch massiv in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs.
Und dazu zählen nicht nur Metro- und RER (S-Bahn)-Linien, sondern selbstverständlich auch seit einigen Jahren wieder Straßenbahnen.
Das wird hierzulande gerne in der Debatte um zweifellos für den Radverkehr erforderliche bessere Bedingungen vergessen, dass eine Reduzierung von überbordendem Autoverkehr nur dann möglich ist, wenn alle Alternativen zum Auto gefördert werden: Das Zu-Fuß-Gehen ebenso, wie Radverkehr und Öffentlicher Verkehr. Paris hat dies erkannt und handelt entspechend.
Mehr Informationen zu Paris:
http://www.stif.org/IMG/pdf/DPI_2014_Carte_NGP.pdf
und
http://www.stif.org/developpements-et-avenir/nouveau-grand-paris.html