Der Kampf auf britischen oder auch deutschen Straßen wird ja von den Medien recht gerne aufgegriffen. Radfahrer gegen Autofahrer, Radfahrer gegen Fußgänger, Autofahrer gegen Fußgänger, Autofahrer gegen Autofahren und alle anderen möglichen Kombinationen werden gerne thematisiert und entsprechend aufbereitet den Zuschauern oder Lesern präsentiert.
In Deutschland hatte der SPIEGEL im September 2011 den “Straßenkampf” ausgerufen. Auch Bundesverkehrsminister Ramsauer versuchte, das Problem der “Kampfradler” anzugehen. Dabei lässt sich das Problem vereinfacht zusammenfassen: In jeder Gruppe – egal ob Pkw-Fahrer, Radfahrer oder Fußgänger – gibt es leider einen geringen prozentualen Anteil, der sich rücksichtslos verhält und Regeln missachtet.
Beim Radverkehr kommt noch erschwerend hinzu, dass er flächendeckend wächst und die Strukturen sich noch nicht entsprechend auf den neuen Verkehrsteilnehmer eingestellt haben. Dies lässt sich zum einem im Bereich Infrastruktur als auch im Bereich des Umgangs miteinander feststellen. “safety in numbers” stellt die Hypothese auf, dass die Zahl der Verkehrstoten mit zunehmendem Auftreten einer Verkehrsart sinkt (Beispiele). Ähnliches dürfte sich auch beim Stress- und Aggressionslevel feststellen lassen.
In Großbritannien hat BBC One am Mittwoch die Dokumentation “The War on Britain’s Roads” gezeigt, in der die Rücksichtslosigkeit des Radverkehrs dargestellt wurde. Dazu wurden sehr viele Youtube-Videos zusammengeschnitten und mit zusätzlichen Informationen angereichert. Vorab muss man festhalten, dass die Dokumentation äußerst stark diskutiert wird, da einige Situationen aus dem Zusammenhang gerissen und falsch dargestellt wurden. Einige Ausschnitte hat der Guardian zusammengestellt:
So wurden beispielsweise Szenen des äußerst rücksichtslosen und in meinen Augen bescheuerten “Stunt-Radfahrers” Lucas Brunelle (jedenfalls für seine Stunt-Videos im öffentlichen Verkehrsraum) als Verhalten eines normalen Fahrradkuriers in London dargestellt. Zwei weitere Radfahrer, die Videomaterial zur Verfügung gestellt haben, sind nicht mit dem Kommentar und dem Kontext einverstanden, in den sie gesetzt wurden.
Ausschnitt aus London Calling von Lucas Brunelle:
Der britische Abgeordnete Ian Austin äußerte sich wie folgt zu der Dokumentation:
I think it’s dangerous to promote this culture of confrontation on the roads. It makes cycling more dangerous. The image of cycling the show presents doesn’t really represent what it’s like for most people in Britain. If that’s the impression motorists get of Britain’s cyclists it’s not going to help road users treat each other with respect.
Mehrere Radfahrorganisationen haben sich ebenfalls kritisch geäußert. So sagte Charlie Lloyd von der London Cycling Campaign dem Guardian:
The programme’s integrity is destroyed by the use of six-year-old commercial video footage of professional cyclists doing reckless stunts, endangering themselves and everyone else. Showing this as real behaviour is as false as presenting a James Bond car chase as how average people drive to work. The programme makers chose to fan the flames of aggression on the roads, that can only increase the risk for all of us.
The War on Britain’s Roads online sehen
Um das heutige Video zum Wochenende in ganzer Länge sehen zu können, sind einige Vorbereitungen notwendig. Die BBC hält die Dokumentation noch für drei Tage in ihrem iPlayer bereit, der allerdings nur mit einer britischen IP-Adresse abgerufen werden kann. Diese kann man sich recht einfach über einen sogenannten VPN-Tunnel besorgen. Der VPN-Anbieter Easy Hide IP lässt sich für drei Tage umsonst nutzen, eine vorherige Anmeldung ist nicht notwendig (meine Empfehlung). Eine andere Möglichkeit ist der VPN-Anbieter Unblock-US, der für sieben Tage kostenlos genutzt werden kann, jedoch vorab eine Registrierung und bei der Einrichtung ein paar zusätzliche Schritte benötigt.
“The War on Britain’s Roads” im BBC iPlayer:
Die BBC und das Filmstudie Leopard Films haben eine einseitige und hysterisch anmutende Dokumentation gedreht bzw. in Auftrag gegeben. Es gibt eigentlich kein Grund, das Fahrverhalten von “Stunt-Radfahrern” mit den normalen Verhältnissen auf britischen Straßen gleichzusetzen. Ohne Kenntnis dieses Fakts erscheinen britische Radfahrer als rüpelhafte, rücksichtslose Chaoten, denen man dringend Einhalt gebieten sollte.
Das erste Opfer auf britischen Straßen war anscheinend die Wahrheit. Fragt sich nur, wieso die BBC so etwas nötig hat…
Weitere Reaktionen in britischen Medien und Blogs:
The Independent: Cyclists hit out at depiction of the war on Britain’s roads in BBC documentary
road.cc: Truth the first casualty in BBC’s War on Britain’s Roads?
Guardian: Cycling groups and MPs condemn BBC1 documentary about road users und BBC cycling documentary is ‘irresponsible’, says MP
London Cyclist: BBC’s new documentary: “The War On Britain’s Roads” – war? really?
Telegraph: The War on Britain’s Roads, review
THE WEEK: ‘War’ on Britain’s roads? BBC cycling doc starts fiery debate