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[Open Data] Die vollkommen unterschiedlichen Strategien von SNCF und Deutscher Bahn

Die Deutsche Bahn AG und die französische Staatsbahn SNCF sind die beiden größten europäischen Eisenbahnverkehrsunternehmen. Das Verhalten beider Unternehmen hat einen großen Einfluss auf den europäischen Verkehrssektor. Beim Thema Open Data / Open Transit, also dem Bereitstellen von Informationen zur freien Verwendung in Drittanwendungen, haben beide Unternehmen einen unterschiedlichen Weg eingeschlagen. Die Deutsche Bahn AG hat sich für einen restriktiven Weg entschieden. Daten werden nur in den seltensten Fällen und dann nur ausgewählten Partnern, wie beispielsweise Google, zur Verfügung gestellt. Als Grund für die restriktive Weitergabe werden verschiedenste Bedenken geäußert. So seien Open Data-Projekte für die DB nicht kontrollierbar. Die Bahn wisse nicht, welche wie alten Bestände konkret genutzt würden und was wo ankomme. Somit könnten keine validen und stabilen Kundeninformationen gewährleistet werden. Entsprechende Initiativen wie openPlanB, die de facto Urheberrechtsverletzungen begehen, werden juristisch verfolgt.

Die SNCF geht einen komplett anderen Weg als die DB.

Im Januar 2012 hat die französische Staatsbahn einen Onlinedialog mit der Open Data-Community gestartet, welche Daten in welcher Qualität zu welchem Zweck zur Verfügung gestellt werden sollten. Der Austausch zwischen den Entwicklern und der SNCF sollte eine gute Datenqualität und die Verfügbarkeit der benötigten Daten garantieren.

Zu diesem Zweck hat die SNCF die Webseite data.sncf.com ins Leben gerufen. Das Ziel dieser Plattform ist die Schaffung eines Innovations-Ökosystems, in dem Entwickler und französische Staatsbahn gemeinsam zusammenarbeiten und die französische Eisenbahn als Gesamtes voranbringen. 

Ebenfalls hat sich die französische Staatsbahn gemeinsam mit Le Groupe La Poste, SUEZ ENVIRONNEMENT und Groupe POULT an der Erstellung des Weißbuchs Publication du livre blanc «Open Data: quels enjeux et opportunites pour l’entreprise?» beteiligt. Eine englische Version kann hier gegen Ausfüllen eines Formulars heruntergeladen werden.SNCF Open Data Portal

Im Rahmen eines Wettbewerbs hat die SNCF die besten Anwendungen und Anwendungsmöglichkeiten prämiert. Aus über 2.000 eingereichten Ideen kamen 117 in die engere Auswahl. In der Publikumswahl hat Appli Fit’ gewonnen, eine App, welche die Schritte und verbrannten Kalorien zählt, die man beim Umstieg zwischen zwei Zügen oder dem Zu-/Abgang vom Bahnhof benötigt. 

Die Juryentscheidung hat die Anwendung Transifoule gewonnen, die eine gewählte Strecke mit zusätzlichen Statistiken unterlegt, wie zum Beispiel die durchschnittliche Auslastung eines Zuges, die durchschnittliche Zahl der ein- und aussteigenden Fahrgäste an einem Bahnhof, usw. Mit diesen Daten lässt sich abschätzen, wie komfortabel eine Zugfahrt sein wird und ob man nicht lieber einen weniger stark frequentierten Zug nutzen möchte.

Jeweils ein Coups de Coeur ging an die Ideen Nice to Meet You und Faut Y Aller. Nice to Meet You ist eine Anwendung, die den idealen Treffpunkt in Abhängigkeit der Reisezeit zweier Personen berechnet. Faut Y Aller (Zeit zu gehen!) informiert einen über den Zeitpunkt, zu dem man das Haus verlassen muss, um den Zug noch zu erwischen.

Zur Umsetzung dieser, aber auch anderer Ideen, hat die französische Staatsbahn im Oktober einen 48 Stunden-Hackathon veranstaltet.

Bereits im Juli 2012 hat die SNCF die Hack Days in Paris veranstaltet, in deren Rahmen auch Stipendien von 10.000 Euro vergeben wurden. Die ersten App-Prototypen des Hackathons können hier aufgerufen werden.

Open Data Portal der SNCF

Derzeit hat die französische Staatsbahn eine Betaversion ihres Open Data-Portals online gestellt. In diesem können Fahrplandaten, Stationsdaten, Linienverläufe, Fahrpreise, Pünktlichkeitswerte der TGV, usw. in verschiedenen Dateiformaten (GTFS, CSV, etc.) heruntergeladen werden. Hinzu kommen Schnittstellen für den Zugriff auf Regionalverkehrsdaten.

Gewählte Lizenzen

Die Pünktlichkeitswerte des Hochgeschwindigkeitszugverkehrs stehen unter Open Database License (ODbL) v1.0. Des Weiteren gelten folgende Lizenzen für Bahnhöfe und Verbindungsdaten (Licence Ouverte ähnlich OGL, ODC-BY et CC-BY 2.0), die Daten der NCF TER Intercités stehen unter dieser Lizenz (LICENCE OPEN DATA SNCF kompatibel mit OGL, ODC-BY et CC-BY 2.0) sowie unter dieser Lizenz, welche die Weiterverwendung regelt.

Fazit

Während bei der Deutschen Bahn noch die Bedenkenträger die Oberhand haben, positioniert sich die französische Staatsbahn als modernes und fortschrittliches Verkehrsunternehmen. In den nächsten Monaten dürften die ersten Anwendungen veröffentlicht werden, die auf die Offene Daten der SNCF zugreifen. Es wird spannend werden zu sehen, wie sich das Verhalten der Fahrgäste in Deutschland und Frankreich in Zukunft unterschieden wird. Sollte es die französische Staatsbahn schaffen, zusammen mit der Kreativität der Entwickler und dem Willen, die Reise mit der Eisenbahn noch besser zu machen, wird auch die Deutsche Bahn hoffentlich erkennen, welche großen Vorteile offene Fahrplandaten auch für sie haben können. Und dass offene Fahrplandaten sehr wohl “valide und stabile Kundeninformationen” gewährleisten können. Aber bis dahin wird es wohl noch eine Weile dauern…

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Verfasst von:

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
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