Hochgeschwindigkeitszüge bieten in vielen Ländern eine schnelle und verlässliche Verbindung zwischen Städten. Je monozentrischer ein Land ausgeprägt ist, desto größere Wirkung kann ein Hochgeschwindigkeitsverkehr entfalten. Viele Länder investieren derzeit in den Aus- bzw. Aufbau eines Hochgeschwindigkeitsnetzes. Auch im Jahr 2012 gab es einige Fortschritte, von denen ich einige vorstellen möchte. Da mittlerweile sehr viele Länder in Schnellfahrstrecken und Hochgeschwindigkeitsverbindungen investieren, ist die Aufstellung nicht vollständig. In Marokko, der Türkei, Russland, Brasilien, Thailand, Laos und weiteren Ländern gab es ebenfalls einige Fortschritte, die allerdings vor allem die Planung und Finanzierung neuer Strecken betreffen. Ich habe versucht, mich auf die Eröffnung neuer Streckenabschnitte und die Schließung von Netzlücken zu beschränken.
China
Das Jahr 2012 stand im Schatten des schweren Hochgeschwindigkeitszugunglücks bei Wenzhou im Jahr 2011. Hinzu kamen Ermittlungen wegen Korruption im Eisenbahnministerium, in deren Rahmen der Eisenbahnminister Liu Zhijun abgelöst wurde.
Trotz des schwierigen Vorjahrs war das Jahr 2012 recht erfolgreich. Mit mehr als 9.300 Kilometern in Betrieb befindlicher Strecke, ist China auf dem besten Weg das Ziel von 18.000 Kilometer HGV-Strecke bis 2015 zu erreichen. Im vergangenen Jahr wurde der erste von vier Nord-Süd-Korridoren fertiggestellt. Die Strecke zwischen Peking und Schanghai mit einem Abschnitt nach Hefei ist im Oktober vollständig in Betrieb genommen worden. Fortschritte gab es auch beim zweiten Nord-Süd-Korridor zwischen Peking und Harbin. Der 904 Kilometer lange Abschnitt zwischen Harbin und Dalian über Shenyang und Changchun ist seit dem 1. Dezember in Betrieb.
Große Fortschritte gab es auch beim Bau des 2229 Kilometer langen dritten HGV-Korridors Peking–Guangzhou–Shenzhen–Hong Kong. Am 28.09.2012 wurde der Abschnitt Zhengzhou – Wuhan und am 26.12.2012 die Abschnitte Shijiazhuang – Zhengzhou und Peking – Shijiazhuang eröffnet. Bis 2016 soll der Abschnitt Shenzhen – Hong Kong fertiggestellt sein.
In Ost-West-Richtung wurden 2012 Streckenabschnitte der Hochgeschwindigkeitsstrecke Shanghai–Wuhan–Chengdu zwischen Wuhan und Yichang (Mischbetrieb, 250km/h), Chongqing und Suining (Mischbetrieb, 200km/h) sowie zwischen Yichang und Lichuan (Mischbetrieb, 200km/h) freigegeben.
Mit 200 km/h sind auch die 2012 eröffneten Strecken Longyan–Xiamen und Jiangyou–Mianyang–Chengdu–Leshan befahrbar.
Einige Linien, deren Fertigstellung für 2012 projektiert war, können erst leicht verzögert 2013 eröffnet werden, z.B. Qinzhou–Beihai, Qinzhou–Fangchenggang, Nanning–Qinzhou, Tianjin–Qinhuangdao und Xi’an–Baoji.
Hauptproblem des Jahres 2012 waren jedoch die hohen Kapitalkosten, die den Etat des Eisenbahnministeriums stark belasteten. Für das 1. Halbjahr des Jahres 2012 wurde nach Steuern ein Verlust von 8,8 Milliarden Yuan, umgerechnet eine Milliarde Euro, ausgewiesen. Das zweite Halbjahr dürfte das negative Ergebnis nicht verbessert haben.
Großbritannien
Im Januar wurde der Bau von High Speed Two (HS2), der Schnellfahrstrecke London – Birmingham, vom britischen Kabinett beschlossen. Der Bau könnte 2026 fertiggestellt sein, allerdings ist das Projekt vor allem wegen der Kosten in Höhe von 32,7 Milliarden Pfund stark umstritten.
Saudi-Arabien
In Saudi-Arabien wurde der Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke Mekka – Medina an ein spanisches Konsortium unter Führung von Talgo und Renfe vergeben. Der Bau der 450 Kilometer langen Strecke kostet 6,9 Milliarden Euro und umfasst neben der Konstruktion auch den Betrieb und die Instandhaltung über 12 Jahre.
Frankreich
Anfang des Jahres 2012 haben Frankreich und Italien den Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke Lyon – Turin beschlossen. In der ersten Baustufe ist der Bau eines 57 Kilometer langen Tunnels zwischen Saint-Jean-de-Maurienne in Frankreich und Susa in Italien enthalten. Insbesondere auf italienischer Seite kam es wiederholt zu Protesten und Demonstrationen gegen den Bau.
Im März wurde ein erster Test zum Aufbau eines Hochgeschwindigkeitsgüterverkehrs durchgeführt. Ein TGV der französischen Post transportierte Päckchen von Lyon Saint-Exupéry nach London St. Pancras mit Zwischenstopp am Pariser Flughafen Charles-de-Gaulle. Weitere Tests mit der Perspektive auf den Aufbau eines europaweiten Frachtnetzes dürften folgen.
Für den Anschluss des spanischen Hochgeschwindigkeitszugnetzes wurde im April der Bau der LGV von Bordeaux über Toulouse bis zur spanischen Grenze beschlossen. Das 410 Kilometer lange Grand Projet ferroviaire du Sud-Ouest soll 2020 fertiggestellt sein. Ebenfalls Anfang April wurden 40 TGV-Duplex-Einheiten aus einem Rahmenvertrag mit dem Hersteller Alstom bestellt.
Am 28. Juni wurde der auf 25 Jahre ausgelegte PPP-Vertrag zum Bau und der Finanzierung der Misch-Hochgeschwindigkeitsstrecke Nîmes – Montpellier unterzeichnet. Ende Juli erfolgte der Spatenstich zum Bau der 132 km langen Hochgeschwindigkeitsstrecke Le Mans – Rennes.
Spanien
Spanien hat nach China das zweitlängste HGV-Netz der Welt und pro Einwohner die meisten HGV-Kilometer. Zudem gibt es kein Land auf der Welt, das einen größeren Anteil von Schnellfahrstrecken am gesamten Streckennetz hat wie Spanien.
Im Jahr 2012 wurden keine größeren Bauprojekte fertiggestellt. Diesbezüglich wird das Jahr 2013 interessanter. Wichtig für das spanische Hochgeschwindigkeitsnetz war 2012 jedoch der Beschluss Frankreichs das HGV-Netz von Bordeaux nach Toulouse bis an die spanische Grenze auszubauen.
Die Europäische Investitionsbank hat Spanien zudem 500 Millionen zusätzlich für den Bau des Baskischen Y, eine Schnellfahrstrecke in Y-Form zwischen Bilbao, Vitoria und San Sebastián zur Verfügung gestellt. Insgesamt hat die EIB eine Milliarde Euro für das Projekt an Spanien geliehen, die Fertigstellung ist für 2016 geplant.
Die 131 Kilometer lange Strecke zwischen Figueres und Barcelona ist mittlerweile fertiggestellt und wir im kommenden Jahr offiziell in Betrieb genommen.
Italien
In Italien wurde im Jahr 2012 ein neues Kapitel im Hochgeschwindigkeitsverkehr geschrieben. Es dauerte fünf Jahre und benötigte etwa 1,3 Milliarden Euro Investitionen. Mit Italo fährt nun der erste private Anbieter für Hochgeschwindigkeitsverkehr in Italien. Nuovo Trasporto Viaggiatori (NTV) fährt die Strecken Turin (Porta Susa) – Mailand (Porta Garibaldi, Rogoredo) – Bologna (Centrale) – Florenz (S. Maria Novella) – Rom (Ostiense, Tiburtina) – Neapel (Centrale) – Salerno (Centrale) und Rom – Florenz – Bologna – Padova (Centrale) – Venedig (Santa Lucia, Mestre) in Konkurrenz zum Angebot der staatlichen italienischen Eisenbahngesellschaft Trenitalia. Diese musste auf das neue Angebot mit Verbesserungen der eigenen Dienstleistung reagieren.
USA
Ein Entwicklungsland in Sachen schneller Eisenbahnverkehre sind ohne Zweifel die USA. Als Technologieführer in vielen Bereichen ist der Schienenpersonenverkehr in vielen Landesteilen dennoch unterentwickelt. Auch im Jahr 2012 gab es nur geringen Fortschritt. Der Fokus liegt eindeutig auf zwei Projekten: der Nordostkorridor zwischen Boston – New York und Washington und Kalifornien. Alle anderen Strecken, die in de letzten Jahren diskutiert wurden, sind nie über einen frühen Planungsstand hinausgekommen.
Aber auch der Bau des 130 Meilen langen Abschnitts im kalifornischen Central Valley hat mit Finanzierungs- und Organisationsproblemen zu kämpfen. Viele Republikaner sind gegen die milliardenschweren Investitionen. Ihr Protest wird auch teilweise von demokratischer Seite unterstützt.
Die Finanzierung des 151 Milliarden Dollar teuren Nordostkorridors wird ebenfalls noch einige Jahre dauern. Amtrak versucht währenddessen den Acela Express durch neue Zuggarnituren, die 2015 geliefert werden sollen, aufzuwerten.
Südkorea (Danke an Nikola!)
Südkorea hat im Mai 2012 den Hochgeschwindigkeitszug HEMU-430X präsentiert, der eine Geschwindigkeit von bis zu 430 km/h erreichen soll. Korail, das Korea Railroad Research Institute (KRRI) und Hyundai-Rotem haben gemeinsam mit anderen Industriepartnern den Zug für 79,69 Millionen Dollar entwickelt. Die Testphase soll 2015 abgeschlossen sein, der reguläre Einsatz wird für 2016 / 2017 geplant. Parallel wird derzeit bereits der HEMU-500X entwickelt, der Geschwindigkeiten von bis zu 500 km/h erreichen soll.
Der HEMU-430X soll die Fahrzeit zwischen den beiden größten Städten Südkoreas, Seoul und Busan, von 2 Stunden 20 Minuten auf eine Stunde und 30 Minuten senken.
Im Juni wurde mit dem Bau der 120,3 Kilometer langen West-Ost-Verbindung von Wonju nach Gangneung begonnen (250 km/h, Eröffnung 2017). Die Strecke soll mit dem Incheon International Airport in Seoul verbunden werden, um eine leistungsfähige Anbindung in die Ausrichterstadt der Olympischen Winterspiele 2018 Pyeongchang zu haben.
Zum Ende des Jahres wurde der Betrieb auf der neuen KTX-Verbindung von Seoul nach Jinju aufgenommen. Zu diesem Zweck wurde ein 53,3 Kilometer langes Teilstück der Strecke in Richtung Gwangyang eröffnet. Die Fahrzeit zwischen Seoul und Jinju sinkt von 6:50 Stunden auf 3:28 Stunden.
Mich erfreut, dass die spanische Strecke zur französischen Grenze schon fertiggestellt ist. Allerdings sollen die Franzosen da bei sich noch etwas schläfig sein, also nach dem Grenzübertritt geht auf der französischen Seite eher auf den normalen Strecken weiter.
Es ist aber ein wichtiger Schritt. Leider, so habe ich das im Gefühl, sollte man auch in Osteuropa (ok, da fehlt wohl auch das Geld) investieren. Westeuropa ist das schon recht gut aufgestellt, aber der Osten hinkt nach meinen aktuellen Informationen doch noch dahinter her.
Hallo Sven,
Zurzeit fehlt noch die Zulassung sowohl für die TGV- und AVE-Züge für das jeweils andere Land. Und die Strecke auf französischer Seite soll ja ebenfalls ausgebaut werden. Zurzeit wird der Neubau einer 135 Kilometer langen SFS durch die Region Languedoc-Roussillon nach Montpellier mit Anschluss an das TGV-Netz Richtung Paris geplant. Dauert aber noch seine Zeit. Die Fertigstellung wird erst nach 2020 angestrebt.
Zu Hochgeschwindigkeitszügen in Osteuropa hatte ich hier etwas geschrieben. Beispiel Polen: http://j.mp/14Nd1zm
Viele Grüße,
Martin
Hey,
geil, dass du das ergänzt hast.
Hier der Link für die Strecke nach Pyeongchang (und weiter bis zur Ostküste):
http://j.mp/UKenGe
Und für die erwähnte neue KTX-Strecke im Süden (von Jinju nach Busan):
http://j.mp/UKenGf
Hallo,
na logisch habe ich das ergänzt. Sonst hättest du den Kommentar ja nicht schreiben müssen. Es ist nur sehr schwierig, Informationen über südkoreanischen Bahnverkehr auf Englisch zu finden. Da ist das Angebot ein bisschen mau. Aber immerhin lag ich mit der Strecke von Wonju nach Gangneung richtig! :-)
Gruß!
Martin
Ja, das stimmt. Eigentlich gibt es nur zwei Blogs:
Mein Blog “Seoul and Korea” versucht Informationen auf Englisch über Verkehr und Stadtplanung in Südkorea zu geben.
Und die zweite Seite ist Kojects, betrieben von einem guten Freund, und es beschäftigt sich mit Verkehrsprojekten im Bereich Schiene.
Mehr hab ich auch nicht gefunden. Da liegt Potenzial drinnen. Sozusagen ein noch unerschlossener Markt… ;-)
Ich würde noch gerne Südkorea auf der Liste hinzufügen:
Dort wurde nämlich in diesem Jahr der Hemu-430X vorgestellt, der den kommerziellen Hochgeschwindigkeitsverkehr auf 370 km/h (zurzeit ca. 300 km/h) heben soll. Theoretisch kann der Hochgeschwindigkeitszug um die 430 km/h fahren. Dadurch wird die Fahrzeit zwischen den beiden größten Städten Südkoreas Seoul und Busan von 2h 20min auf 1h 30min gesenkt. In diesem Jahr wurde der Zug der Öffentlichkeit präsentiert und bis 2015 wird er ausgiebieg getestet.
Außerdem wurde im südlichen Teil eine neue Hochgeschwindigkeitsstrecke eröffnet, die auch erhebliche Fahrzeitverkürzungen mit sich bringt. Und es fiel der Startschuss für den Bau der HSR für die Winterolympiade 2018 in Pyeongchang, Länge der Strecke 118 km.
Hallo Nikola,
Danke für die Info! Ich habe den Artikel mal kurz ergänzt. Kannst du mir noch die Quellen für die neueröffnete Strecke und die Anbindung von Pyeongchang schicken? Ich habe nur die Eröffnung der Strecke Jeongja – Gangnam gefunden. Aber das war bereits 2011… ;-)
Gruß und nochmals Danke!
Martin
Hallo Martin,
weißt du, wie es mit W-Lan/Internet in den Hochgeschwindigkeitsnetzen dieser Länder bestellt ist? Ist das überall ein Problem oder nur in Deutschland bei der DB/Telekom?
Hallo Till,
ich hab mal kurz im Internet gesucht:
1.) Im Eurostar gibt es ab diesem Jahr Wifi: http://j.mp/UJpFL1
Kosten noch unklar.
2.) Thalys: In der 1. Klasse ist das inklusive, in der 2. Klasse zahlt man sich gefühlt wieder einmal dumm. Für die ganze Zugfahrt 13 Euro, 60 Minuten kosten 6,50€. Keine Ahnung wie gut das funktioniert. Siemens hat auf der Strecke zwischen Paris und Brüssel bei 300 km/h Datenraten von 4 MBit/s im Downstream und 2 MBit/s im Upstream erzielt. Siehe heise online: http://j.mp/UJpHT9
3.) SNCF TGV: Da geht das nur im TGV Est, also nur auf den Strecken Stuttgart – Paris und München – Paris. Kostet für die Gesamtstrecke 9,90€ oder für 4,99€ pro Stunde. Nur die Züge zwischen Paris und Strasbourg hatten vor 6 Monaten die technische Ausrüstung. Ich weiß nicht, ob da mittlerweile andere TGV-Linien aufgerüstet wurden, kann es mir aber nicht vorstellen. Bei 320 km/h hat man 2.000 kBit/s im Download und 512 kBit/s beim Upload.
4.) Renfe: So wie man es als Bahnkunde haben möchte: WLAN ist in den Zügen kostenfrei nutzbar. Soll vor allem Leute vom Flugzeug in den Zug bewegen. Ich glaube auch, dass ausnahmslos alle Sitze Steckdosen am Platz haben… ;-)
5.) NTV Italo: Kostenfreies WLAN. Ohne Probleme laut Webseite (http://www.ntvspa.it/en/nuovo-trasporto-viaggiatori/73/4/high-speed-connectivity-ntv-trains). Hab da aber auch keine Erfahrung.
6.) Trenitalia: Auch kostefreies WLAN, allerdings muss der Aktivierungscode an ein Handy mit italienischer Nummmer geschickt werden -> Als Nicht-Italiener ein bisschen kompliziert.
7.) DB: 69 ICE-Zügen und rund 1500 Kilometer des ICE-Netzes sind für die Hotspot-Nutzung ausgerüstet. Bis voraussichtlich Ende 2014 sollen insgesamt 255 ICE-Züge und 5.200 km ICE-(Kern)-Netz mit der Breitband-Internettechnik ausgerüstet sein. 60 Minuten kosten 4,95€, 600 Minuten 19,95€ und ein Monat 34,95 € ( an allen Hotspots verwendbar). Oder man hat die Flatrate im Vertrag mit drinnen…
Hab ich jetzt ein wichtiges Land vergessen? Ich kann wie gesagt, nichts zur Verbindungsqualität sagen. Die scheint wie in Deutschland hin und wieder zu schwanken.
So wie ich das jetzt aber gelesen habe, nutzt die DB / Telekom mehrere Flash-OFDM, GPRS und HSDPA um WLAN anzubieten. Thalys und Co. setzen auf freier Strecke stärker auf Satellit, aber in Frankreich gibt es auch nur sehr wenige Bahntunnel. In Tunneln dürften auch hier UMTS-Repeater oder Antennen zum Einsatz kommen. Kennt man ja aus der U-Bahn…
Gruß,
Martin