Fahrzeugtechnik Straßenverkehr

PSA Peugeot Citroën und Bosch entwickeln ein Hybridfahrzeug mit Membranspeicher. Es fährt nicht mit Luft!

Artikelaktualisierung Zukunft MobilitätPSA Peugeot Citroën und Bosch haben gemeinsam einen Hybridantrieb entwickelt, bei dem anstatt eines Akkumulators ein Drucklufttank als Energiespeicher genutzt wird. Normalerweise ist Fahrzeugtechnik nicht so prominent in diesem Blog vertreten. Allerdings fällt mir schon seit längerer Zeit auf, dass sogar Fachmedien technisch eher unausgereifte, wenn nicht sogar falsche Artikel verfassen. Am Beispiel des neuen Hybridantriebs kann man das sehr gut nachvollziehen. Viele Medien haben nämlich aus der Überschrift der Bosch-Pressemitteilung “Bosch arbeitet an hydraulischem Hybrid für Pkw” die Überschrift “Peugeot fährt mit Luft” (Golem, Autoblog) oder Peugeot präsentiert den Luftantrieb (euronews) erdacht.

Die genannten Medien sollen nur exemplarisch für die Vielfalt an falschen Meldungen stehen. Die Presseabteilungen sollten dringend befähigt werden, technische Zusammenhänge in ihren Pressemitteilungen genauer zu erläutern. Journalisten sollten Presse- bzw. Agentur-Meldungen und ihre eigenen Artikel kritisch hinterfragen. Und falls die technischen Kenntnisse nicht vorhanden sein sollten, ist eine Nachfrage bei der jeweiligen Pressestelle oder bei Personen mit Fachkenntnissen sicherlich nicht verkehrt. Denn nach meinem Empfinden steigt die Fehlerrate in letzter Zeit rapide an!

Funktionsweise – Einfach erklärt

Funktionsweise hybridAir Peugeot Bosch
Schematische Darstellung von HybridAir (© PSA Peugeot Citroën)

Das hydraulische Hybridsystem besteht im Wesentlichen aus zwei Hydraulikeinheiten sowie den dazugehörigen Druckspeichern von jeweils rund 20 Litern Fassungsvermögen. Im Hauptspeicher des Fahrzeugs, der sich im Kardantunnel befindet, ist ein Vordruck mithilfe von Stickstoff hergestellt. Stickstoff wird aufgrund seiner großen Moleküle genutzt, da dieses bei der Wandlung nicht so leicht entweichen kann.

Funktionsweise eines Membranspeichers
Schematische Darstellung eines Membranspeichers – Zeichnung: karl.krieger@aon.atCC BY-SA 3.0

Die reversible Hydraulikpumpe, welche vom Verbrennungsmotor angetrieben wird und sich an der Kurbelwelle befindet, pumpt beim Bremsen das Hydrauliköl aus einem Ausgleichsbehälter in den Druckbehälter. Stickstoff und Hydrauliköl sind durch eine Gummimembran voneinander getrennt. Durch das einströmende Öl wird der Stickstoff von 200 auf etwa 350 Bar verdichtet und die enthaltene Energie mittels Kompression gespeichert. Bei Bedarf kann das Hydraulikventil wieder geöffnet werden, die Hydraulikflüssigkeit entweicht und lässt dem Stickstoff Raum zur Expansion. Der sich ausdehnende Stickstoff beschleunigt wiederum das Hydrauliköl, welches einem Hydraulikmotor als Antriebsenergie für rund 400 Meter dient. Von den insgesamt rund 17 Liter Hydraulikflüssigkeit im System, werden jeweils rund acht Liter bewegt.

Vorteile des Systems

  • Niedrige Kosten und geringes Gewicht von rund 100 kg – es sind nur zwei Druckluftbehälter und einige Steuerelemente erforderlich
  • Hohe Leistungsdichte. Die Leistung des Systems mit zwei 20-Liter-Druckluftbehältern liegt bei rund 41 PS.
  • Effiziente Umwandlung kinetischer Energie in Druckluft-Energie
  • Extrem schnelle Ladung und Freigabe gespeicherter Energie
  • Fahrzeuge wie der Citroën C3 oder Peugeot 208 sollen mit HybridAir nur 2,8 Liter/100 km verbrauchen und 69 g CO2 / km emittieren
  • Bis zu 45 Prozent weniger Kraftstoffverbrauch im Stadtverkehr laut PSA Peugeot Citroën
  • Im Vergleich zu Lithium-Ionen-Batterie oder anderen Batteriearten fallen bei der Herstellung weniger Emissionen an
  • Ersatzinvestitionen bedürfen geringeren finanziellen Mitteln

Ob sich diese Antriebstechnologie durchsetzt, wird der Markt entscheiden. Die Kosten für die Antriebseinheit dürften aufgrund der geringeren Komplexität und der nicht vorhandenen Batterie einige tausend Euro günstiger sein. Man wird allerdings beobachten müssen, wie sich die Batteriekosten und die Batteriekapazität in den nächsten Jahren entwickeln werden, um ein abschließendes Fazit ziehen zu können. Des Weiteren müssen weitere Partner gefunden werden, da ohne entsprechende Skaleneffekte die Fertigung des Hybridsystems zu teuer ist.

ETH Zürich-Professor Lino Guzzella, der 2009 einen pneumatischen Hybridmotor entwickelte, bezweifelte den Erfolg des von PSA Peugeot Citroën und Bosch entwickelten Systems. Dieses sei “als technische Lösung faszinierend, aber sehr komplex, und deshalb eher keine kostengünstige Alternative zum Elektrohybriden.” (Auto Bild Nr. 5/2013, S. 18) Bei dem von ihm erdachten Konzept wird beim Beschleunigen durch ein zusätzliches Ventil im Zylinderkopf die vom Kompressor fehlende Druckluft eingeblasen und beim Bremsen der Lufttank wieder gefüllt 1.

Aktualisierung – 16.10.2013

In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass auch die Auto Bild in Ausgabe 5/2013 den zu Beginn dieses Artikels bemängelten Fehler gemacht habe. Dies entspricht leider nicht der Realität. Nach einem Hinweis aus der Auto Bild-Redaktion und Überprüfung des Sachverhalts habe ich dies entsprechend korrigiert.

Aktualisierung – 14.07.2014

Einige technische Details ergänzt und spezifiziert.

  1. Dönitz, C., Vasile, I., Onder, C., and Guzzella, L., “Realizing a Concept for High Efficiency and Excellent Driveability: The Downsized and Supercharged Hybrid Pneumatic Engine”, SAE Technical Paper 2009-01-1326, 2009, doi:10.4271/2009-01-1326. – http://papers.sae.org/2009-01-1326
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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Maximilian
5. Februar 2013 11:45

Hallo Martin,

wieder mal danke für einen deiner Beiträge zur Aufklärung! Leider gibt es im Themenbereich motorisierte Individualmobilität der Zukunft ganz, ganz häufig solche Meldungen, allein schon die ganzen Beiträge rund um E-Autos tun ja richtig weh, vom Hype um die anderen alternativen Antriebe ganz zu schweigen.

Solange wir jedoch kein Perpetuum Mobile erfinden, wird motorisierte Individualmobilität jedoch darunter leiden, dass der Energieaufwand pro Personenkilometer einfach jenseits von gut und böse ist und irgendwann nicht mehr leistbar sein wird (unabhängig von der Art des Antriebs). Also müssen wir umstellen und ich glaube davor haben viele Leute Angst: alte Gewohnheiten radikal zu verändern ist nicht einfach. Also schreiben wir uns lieber alle eine Zukunft herbei, in der auch morgen alles so schön ist wie heute.

Mach weiter so!

Paul
4. Februar 2013 15:48

Hallo Martin,
das Entscheidende ist die Energiedichte (sowohl gravimetrisch als auch volumetrisch) des Speichermediums, denn man kann ja kein Anhänger hinterher ziehen (obwohl einige auch darauf kommen http://j.mp/11BuivB
) auf dem das nötige Volumen bereitgestellt wird.

Abbildung 4 zeigt das ganz gut:
http://j.mp/11Bukna

Da sieht man die Druckluft leider ganz abgeschlagen in niedriger volumetrischer Energiedichte. Soll heißen: In diesen Behälter im Kardantunnel kann man einfach nicht viel speichern. Ob das bissl Zusatzenergie, was man da mit hat die Nachteile durch das höhere Gewicht von Druckspeichern und Pumpe/Motor aufwiegt…
Außerdem kann man schon von Zyklenfestigkeit und Haltbarkeit etc. lesen (http://www.rosseta.de/texte/druckgas.pdf) und naja, was soll ich sagen: Ich denke es ist mal wieder mehr Marketing als alles andere.

Zur genannten Ersparnis:
Der Zyklusverbrauch wird im Allgemeinen mit zu Beginn voll geladenem Energiespeicher ermittelt. Klar, wenn ich mit vollem Zusatzspeicher los fahre und nur den Kraftstoffverbrauch ermittle, dass der sich um 45% verringern lässt.
Da kann ich auch meinen Nachbarn fragen, ob der mir jeden Tag vorm Weg auf die Arbeit immer 5L SuperPlus in den Tank kippt, dann habe ich auch 45% gespart.

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Auszeichnungen

Grimme Online Award Preisträger 2012

Zukunft Mobilität hat den Grimme Online Award 2012 in der Kategorie Information erhalten. Ich möchte mich bei all meinen Lesern für die Unterstützung bedanken!

PUNKT Preisträger 2012

Zukunft Mobilität hat den PUNKT 2012 der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) in der Kategorie "Multimedia" gewonnen.

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Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) hat mich im Rahmen der VDV-Jahrestagung 2013 in Mainz als “Talent im ÖPNV” des Jahres 2013 ausgezeichnet. Der VDV vertritt rund 600 Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehrs, des Schienenpersonennahverkehrs, des Schienengüterverkehrs, der Personenfernverkehrs sowie Verbund- und Aufgabenträger-Organisationen.

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Paul

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
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