Die am 27. Oktober 1904 eröffnete New York City Subway befördert jeden Werktag rund 5,6 Millionen Fahrgäste im 24/7-Betrieb. Das U-Bahn-Netz zählt zu den ältesten und mit seinen 26 Linien, 468 Bahnhöfen, 1355 Kilometern Gleis und 6.200 Personenwagen zehn unterschiedlicher Baureihen zugleich zu den komplexesten Netzen weltweit.
Ein Großteil dieser Infrastruktur ist marode und seit mehreren Jahrzehnten erneuerungsbedürftig. Große Teile der Stellwerke und des Zugsicherungssystems sind zwischen 1930 und 1960 eingerichtet worden und seitdem 24/7 in Betrieb. Sie haben ihre maximale Lebensdauer erreicht und müssen ersetzt werden. Darüber hinaus hat die New York City Subway nicht mit dem technischen Fortschritt der letzten Jahrzehnte Schritt gehalten. Folge sind Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit und vergleichsweise häufig auftretende Störungen.
Die New Yorker U-Bahn verkehrt in festen Blockabständen. Die einzelnen Streckenblöcke sind etwa 300 Meter lang. Durch moderne Zugleittechnik wie das LZB-Pendant Communication-Based Train Control (CBTC) können die Zugfolgezeiten verringert und die Streckenkapazität um rund 20 Prozent ohne den Bau zusätzlicher Gleise erhöht werden. Mit Ausnahme der Linien 1, G, J/Z, L und M operieren alle Linien am Kapazitätslimit (die Linie L ist bereits mit dem System Trainguard MT CBTC von Siemens automatisiert worden). Bis zum Jahr 2050 soll CBTC flächendeckend im New Yorker U-Bahn-Netz zum Einsatz kommen. Pro Jahr sollen etwa 25,75 – 33,8 km Strecke umgerüstet werden.
Das CBTC-System soll in Zukunft die Geschwindigkeit der Züge sowie Anhalte- und Anfahrvorgänge kontrollieren. Hierfür sind jedoch die Ausstattung des Streckennetzes mit Balisen und Kommunikationstechnik sowie eine Umrüstung der Züge notwendig (für Details siehe: Automatisierter Bahnbetrieb und führerlose Züge: Eine Einführung (Technik, Vorteile, Hürden, Umsetzungszeitraum).
Die seit dem Jahr 2000 im Betrieb befindlichen Züge der Baureihen R143 und R160 (8313-8376) sind bereits für den CBTC-Betrieb ausgerüstet. Neue Züge der Baureihen R179, R188 und R211 werden ebenfalls für den CBTC-Betrieb geeignet sein.
Siemens und Thales werden die Local- und Express-Trasse der Queens Boulevard Line für den CBTC-Betrieb umrüsten. Die Strecke ist der erste Abschnitt im New Yorker U-Bahn-Netz auf dem mehrere Linien (E, F, M, R) verkehren. Die Planungen für den Umbau beginnen im Jahr 2015, erste Umbaumaßnahmen sind für das Jahr 2017 geplant. Die Umrüstung der Strecke während des laufenden 24/7-Betriebs gilt als große Herausforderung. Der Umbau wird in Phase 1 205,8 Millionen US-Dollar, umgerechnet rund 190 Millionen Euro, kosten. Für die Umrüstung der gesamten Queens Boulevard Line wird mit Kosten von rund 900 Millionen US-Dollar (~825 Millionen Euro) gerechnet.
Toronto
Die kanadische Großstadt Toronto steht vor ähnlichen Herausforderungen wie New York City: Ein 60 Jahre altes und somit erneuerungsbedürftiges Zugsicherungssystem sowie eine ausgereizte Streckenkapazität. Toronto hat hinter New York und Mexiko City das am drittstärksten genutzte Metro-Netz Nordamerikas. Im Jahr 2009 wurde Alstom mit der Automatisierung der 31 km langen Yonge-University-Spadina Linie (YUS) beauftragt. Durch das CBTC-System Alstom Urbalis soll die Zugfolgezeit von 2 Minuten 30 Sekunden auf 1 Minute und 48 Sekunden verkürzt werden.
Aber nicht nur in Nordamerika muss veraltete Zugsicherungs- und Leittechnik ersetzt werden. In Deutschland besteht beispielsweise akuter Bedarf in Düsseldorf und Duisburg. Mit entsprechenden Finanzierungsproblemen.
Stadtbahn Rhein-Ruhr und insbesondere Duisburg
Ein erster Teil der Stadtbahn Düsseldorf erfolgte 1981 mit einem Tunnel und zwei U-Bahnhöfen nördlich der Innenstadt. Der Innenstadttunnel ging 1988 in Betrieb. Die ersten Streckenabschnitte und die im Einsatz befindliche Zugsicherungstechnik haben somit bereits ein Alter von mehr als 30 Jahren erreicht.
Die betriebenen Relaisstellwerke sind teilweise extrem hohen Belastungen ausgesetzt und weisen einen wachsenden Instandhaltungsbedarf auf. Dieser dürfte mit steigendem Alter der technischen Anlagen noch weiter anzuwachsen. Hinzu kommt, dass die Verfügbarkeit von Ersatzteilen zurückgeht und diese von der Industrie nicht mehr gefertigt werden. Mitarbeiter, welche die Fähigkeit für umfangreiche Reparaturen besitzen und Ersatzteile teilweise selber bauen, nähern sich dem Pensionsalter und werden der Rheinbahn nur noch für einige Jahre zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund hat man sich für den Ersatz veralteter Stellwerkstechnik entschieden.
Zwischen Düsseldorf und Duisburg verkehrt die Stadtbahnlinie U 79. Diese betreibt die Rheinbahn in Gemeinschaft mit der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG). Der Ersatz der Zugsicherungstechnik betrifft somit nicht nur Düsseldorf, sondern auch Duisburg.
Die Stadt Duisburg leidet jedoch unter einer sehr angespannten Finanzlage. Für die Erneuerung der Stellwerkstechnik müsste Duisburg einen Anteil von 35 bis 36 Millionen Euro tragen, davon vier Millionen für Fahrzeuge und 32 Millionen für die in Tunneln eingebaute Technik. Jahrelang war unklar, wie Duisburg die Ersatzinvestition finanzieren soll. Schlimmstenfalls wäre die U 79 an der Stadtgrenze unterbrochen worden.
Nach langen Verhandlungen hat der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) im Februar 2015 zugesichert, 80 Prozent der förderfähigen Gesamtkosten von 32 Millionen Euro, zu übernehmen.
Die Schwierigkeiten Duisburgs bei der Bereitstellung der notwendigen Finanzmittel für den Erhalt der Stadtbahn stehen nur stellvertretend für ein größeres Problem. Der Ausbau des Stadtbahn-Netz Rhein-Ruhr wurde in den siebziger und achtziger Jahren großzügig von Bund und Land über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) mit 90 Prozent gefördert. Alleine für den Bau des 21 Kilometer langen Straßen-/U-Bahn-Netzes in Duisburg flossen damals 1,5 Milliarden Euro Fördermittel. Pro Jahr kostet die Instandhaltung von Stadtbahn-Infrastruktur und -Betriebstechnik rund vier Millionen Euro – Geld, das Duisburg eigentlich fehlt.
Ersatzinvestitionen werden nicht durch den Bund gefördert und sind von den Kommunen und Verkehrsunternehmen selbst zu tragen. Diese haben jedoch in den vergangenen Jahrzehnten keine Rücklagen für Investitionen in neues Rollmaterial, Schienen und Bahnkörper, Stadtbahntunnel sowie Zugsicherungstechnik gebildet. Häufig war dies auch aufgrund der kommunalen Haushaltslage gar nicht möglich. Die Finanzierungslücken sind jedoch eklatant:
Kommunen und Verkehrsunternehmen müssen bis 2016 ca. 1,1 Milliarden Euro allein in die Erneuerung der U-/Straßenbahn-Systeme in NRW investieren. Das sind im Durchschnitt jährlich gut 180 Mio. € Investitionen durch die Verkehrsunternehmen selbst und weitere knapp 40 Mio. € direkt durch die Kommunen. Direkte kommunale Investitionen sind deshalb notwendig, weil sich die unterirdischen Verkehrsanlagen (Tunnel, Bahnhöfe) in einigen Städten ganz oder teilweise in deren Eigentum befinden. Pro Kilometer Stadtbahntunnel fallen etwa 10,5 Millionen Euro für die Erneuerung an. Von 2017 – 2025 sind weitere ca. 2,0 Mrd. € an Investitionen für Erneuerungsmaßnahmen erforderlich. Das entspricht jährlich 193 Mio. € an Investitionen durch die Verkehrsunternehmen selbst und weitere 26 Mio. € jährlich direkt durch die Kommunen. Von diesem Investitionsbedarf in die Erneuerung der Anlagen können die Unternehmen gut 26% durch eingesparte Abschreibungen bis 2016 selbst finanzieren. Für den verbleibenden Rest von annähernd 74% oder ca. 800 Mio. € besteht aktuell keine Finanzierungsbasis.
Neben einem hohen Finanzbedarf für ortsfeste Infrastruktur besteht ein hoher Bedarf für neues Rollmaterial.
U-Bahn – und Straßenbahnfahrzeuge sind überaltert. Das Flottenalter liegt mit knapp 18 Jahren etwa 20% über den technisch – wirtschaftlich gebotenen Durchschnitt von 15 Jahren. Allein 178 Fahrzeuge von 1.407 Fahrzeugen haben die technisch-wirtschaftliche Nutzungsdauer von 30 Jahren bereits überschritten. Für Redesign und Ersatzbeschaffung müssen die Verkehrsunternehmen von 2012 – 2016 ca. 630 Mio. € (oder 126 Mio. € jährlich) aufwenden. Für den Zeitraum 2017 – 2025 sind gut 1,6 Mrd. € (oder 180 Mio. € jährlich) notwendig. Aufgrund eingesparter Abschreibungen stehen in der Betrachtungsperiode 2012 – 2016 40 Mio. € oder ca. 32% der notwendigen Investitionssumme zur Verfügung (vgl. Wente, Volker: Wesentliche Ergebnisse der „Unternehmensbefragung zum Reinvestitionsbedarf bei Verkehrsunternehmen und Kommunen im schienengebundenen ÖPNV in NRW“)
Der WDR hat in der Dokumentation “Endstation – Kollaps im Nahverkehr” die Situation des ÖPNV im Ruhrgebiet aufgearbeitet und bot unter anderem einen interessanten Einblick in die zu erneuernden Stellwerke und die dort heute immer noch tagtäglich eingesetzte Technik. Leider steht die Dokumentation nicht mehr in der Mediathek zur Verfügung.
Hallo Herr Randelhoff,
gute Nachricht: wenn Sendungen mal nicht in der Mediathek zu finden sind, kann man solche Reportagen oftmals noch auf Youtube finden, wie auch hier in Bezug auf die Sendungen: [Doku] Endstation – Kollaps im Nahverkehr Teil 1/3
Die links dazu:
Teil 1
https://www.youtube.com/watch?v=xvUDaaNj9Sc
Teil 2
https://www.youtube.com/watch?v=yxJq9ZgRu74
Teil 3
https://www.youtube.com/watch?v=Qnu7CPUFGO0
Natürlich ist das nicht die Qualität wie im Fernseher, aber man bekommt die Info. Hoffe,dass Sie die Sendungen meinten,deren Links ich aufgeführt habe.
Viele Grüße
Nina Picasso
Interessant finde ich, dass weiterhin kein führerloser Betrieb vorgesehen ist, wo man ja nun auch in London umstellen möchte. Aber vermutlich liegt das einfach an den noch viel höheren Investitionskosten für die entsprechende Sicherung der Bahnsteigkanten. Schön, dass man die finaziellen Mittel hier sinnvoll einsetzt! An vielen Stationen wurde ja seit ihrer Eröffnung nichts mehr getan.
Laut Wikipedia-Artikel ( https://en.wikipedia.org/wiki/Automation_of_the_New_York_City_Subway#Queens_Boulevard_CBTC ) gab es jedoch auch schon in den 1950er Jahren Pläne für die Automatisierung der Subway.
Bemerkenswert auch, dass derzeit noch auf fast allen Linien im Zweimannbetrieb operiert wird. Auch die R211 sind dafür vorgesehen.
Wiedermal danke für den sehr informativen Artikel. Eine Freude soetwas zu lesen.
Das Hauptproblem bei solchen Großprojekten ist ja politisch. Eine neue Strecke eröffnen zu können ist (wie bei Aachen) immer eine super Sache, bringt Wählerstimmen. Angemessene Instandhaltung? Not so much. Siehe den Nahverkehr rund um Buenos Aires für die haarsträubendsten Horrorstories.
Mit welcher Lebensdauer rechnet man eigentlich bei den Nachfolgesystemen ?
Das jüngste der betracheten Altsysteme in Düsseldorf erreicht mit 35 Jahren nun gerade mal eine Lebensdauer, die man in New York allein für die Umstellung des Netzes ansetzt.
Und aktuelle Computertechnik hat eher kürzere Lebensdauer als diese alte, elektromechianische Sicherungstechnik.
Ich würde mich nicht wundern, das man in New York über das Nachfolgesystem der jetzt einzuführenden Technik nachdenken muß, bevor das Netz komplett umgestellt ist.
Die neue Technik müsste wie im schienengebundenen Verkehr üblich für mehrere Jahrzehnte ausgelegt sein. Elektronische Stellwerke und die dazugehörige Zugsicherungstechnik sind so aufgebaut, dass einzelne Komponenten (Hardware oder Software) ersetzt werden können, ohne dass das Gesamtsystem angefasst werden muss. Die streckenseitige Ausrüstung mit Balisen ist ja vergleichsweise störungsunanfällig. Inbesondere wenn es sich um passive Balisen handelt.
Technischer Fortschritt dürfte vor allem in den Bereichen Software, IT (stationär wie auch Bordrechner) und Kommunikation auftreten.
In Zhengzhou wird beispielsweise schon LTE eingesetzt (http://www.railjournal.com/index.php/telecoms/lte-displays-potential-in-zhengzhou.html), im Vergleich zu WiFi oder GSM-R hat dies natürlich Bandbreiten-Vorteile. Eine Umstellung dürfte in bestehenden Netzen ebenfalls möglich sein ohne umfangreiche Maßnahmen über mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte durchzuführen. Ebenso lassen sich Rechner mit vergleichsweise geringem Aufwand austauschen bzw. die Software aktualisieren. Häufig werden die Systeme für eine Übergangszeit auch redundant betrieben und ausführlich getestet.
Meiner Meinung nach dürfte die Nutzungsdauer einzelner Komponenten niedriger sein als bisher, allerdings ist ein Umstieg aufgrund der Modularität weniger komplex und auch weniger kapitalintensiv.
Hier noch einige Zitate bezüglich der Umstellung der Zugsicherung bei New York City Transit (NYCT) und der Southeastern Pennsylvania Transportation Authority (SEPTA), die ich gefunden habe:
“The CBTC/AWS System was specified to be designed such that the failure of any single component, processor, or device would not render the system unavailable or a critical function non-operative. The CBTC/AWS System was specified to be designed for a useful life of at least thirty (30) years for mechanical equipment and electro-mechanical equipment, and twenty-five (25) years for microprocessor equipment.”
“The technical specifications for the SEPTA CBTC implementation required the CBTC equipment to be designed for a useful life of at least 25 years. Under the SEPTA CBTC contract, the CBTC Contractor was required to provide a spare parts list including the equipment manufacturers recommended quantity of spare parts of each type based on the quantity of equipment installed under this contract, and the life expectancy of each part.”
Quelle: http://www.fta.dot.gov/documents/FTA_REPORT_No._0045.pdf
Vertraglich festgezurrt sind also wohl doch “nur” 25 bzw. 30 Jahre. Mehr werden die Hersteller auch nicht garantieren wollen.
Da ich in einem Bereich arbeite, wo Support für ähnlich langlebige Produkte zu leisten ist, bekomme ich mit, wie problematisch das nach dieser Zeit wird. Auch bei modularem Aufbau. Z.B. wenn die an den Schnittstellen der Module verwendeten Standardbauteile abgekündigt wurden.
Oder Knowhow-Verlust,weil die Entwickler des Systems dann in den Ruhestand gegangen sind und deren Wissen leider nie zu 100% dokumentiert und an die Nachfolger übergeben wird.
Über 55 Jahre Lebensdauer wie bei den in New York und Toronto zu ersetzenden Systeme wird man wohl eher nicht mehr erreichen.