Fahrradfahren und zu Fuß gehen ist rein theoretisch auch bei Wind und Regen kein Problem – die richtige Bekleidung vorausgesetzt. In der Praxis kann es aber durchaus unangenehm werden. Denn wer bewegt sich schon gerne nass und frierend auf seinem Fahrrad oder per pedes durch die Stadt?
Zur Förderung des nicht-motorisierten Verkehrs haben daher einige Städte begonnen, die Umlaufzeiten von Lichtsignalanlagen an die Wetterlage anzupassen. Radfahrer und Fußgänger sind Wind und Wetter ausgesetzt, während Autofahrer gleichzeitig wettergeschützt im trockenen und warmen Fahrzeuginnenraum sitzen. Durch eine Verkürzung der Umlaufzeit, der Dauer zwischen dem Beginn einer Grünphase bis zum nächsten Beginn der gleichen Grünphase, wird die Wartezeit an Lichtsignalanlagen verkürzt und der Fahrkomfort bei schlechtem Wetter etwas gesteigert.
Verschiedene niederländische Städte haben an einigen Kreuzungen Regensensoren installiert. Die optischen Sensoren emittieren ein Infrarotsignal, welches durch Niederschlag unterbrochen wird. Die Unterbrechung wird detektiert und ein Signal an die Steuerungssoftware der Lichtsignalanlage gesendet, welche daraufhin die Umlaufzeiten für Radfahrer anpasst. Zurzeit sind zwei Arten von Sensoren auf dem Markt: ein Sensor detektiert das Auftreten von Schnee und Regen, während der andere Sensor auch die Intensität des Niederschlags in vier verschiedene Klassen einteilen kann. Das Nachrüsten einer bestehenden Lichtsignalanlage an einer Kreuzung kostet rund 10.000 Euro. Bei der Installation einer neuen Anlage betragen die Kosten nur wenige hundert Euro. Die Verwendung eines Regensensors ist nur möglich, wenn die Lichtsignalanlage nicht in eine “grüne Welle” integriert oder mit mehreren anderen Lichtsignalanlagen synchronisiert wird.
Die niederländischen Städte Rotterdam und Groningen haben den Sensor bereits erprobt – die Ergebnisse sind jedoch gemischt.
In Groningen wurde eine erste Kreuzung im Jahr 2012 umgerüstet, eine zweite folgte. Radfahrer bekommen bei Regen, Temperaturen unter 10 °C und einer geringen MIV-Verkehrsstärke zwei statt einer Grünphase. Im Rahmen des mehrmonatigen Tests an der Oosterbrug-Kreuzung kam es zu einem positiven Ergebnis. Die Wartezeiten für Radfahrer halbierten sich, während sich die Wartezeiten für die übrigen Verkehrsteilnehmer und den öffentlichen Verkehr nicht signifikant verlängerten. Eine weitere Aufrüstung ist seit Längerem geplant, verläuft jedoch schleppend. Hinzu kommt, dass Groningen die Umlaufzeit von 90 auf 120 Sekunden angehoben hat – die Wartezeit für den Radverkehr hat sich bei Regen wieder erhöht.
Kijk, dat is gaaf! Regensensor voor fietsers, twee keer zo snel groen bij regen! @rotterdam #innovatie pic.twitter.com/xEdYnxFl0Y
— Olivier Van Herck (@VanHerckOlivier) 24. November 2015
Ende 2015 wurden in Rotterdam erste Regensensoren an der Kreuzung Bosdreef-Boezemweg installiert. Radfahrer erhalten bei schlechtem Wetter nun zwei statt nur einem Grünzyklus. Die durchschnittliche Wartezeit für Radfahrer soll bei schlechtem Wetter um 40 Sekunden sinken. In den ersten Tagen kam es jedoch zu langen Staus, sodass die Programmierung angepasst wurde. Kfz, welche aus der Innenstadt herausfahren, haben nun wieder eine längere Grünzeit. Nach einer sechsmonatigen Testphase soll entschieden werden, ob und an welchen Stellen weitere Regensensoren platziert werden.
De regensensor voor overstekende fietsers Bosdreef werkt! Kortere wachttijden bij stoplicht.Met een file als gevolg. pic.twitter.com/wsKji99uHk
— Mirjam de Winter (@mirjamdewinter) 24. November 2015
Effektiv oder reine PR?
Der Verkehrsplaner Remi Kok, welcher im Jahr 2007 den ersten Regensensor in Oosterhout installieren ließ, ist indes gemischter Meinung. Zwar klingt die Idee zunächst gut, in der Praxis sei eine Anwendung jedoch nur in einigen Fällen sinnvoll.
An stark befahrenen Straßen ist eine Installation häufig nicht möglich, da es ansonsten zu einem starken Rückstau kommt. Bisweilen ragt dieser in den zurückliegenden
Kreuzungsbereich hinein. Aufgrund des schlechten Wetters ist zudem die Verkehrsmenge motorisierter Verkehrsmittel höher, da einige Radfahrer auf den Pkw oder den ÖPNV umsteigen. Dies verschärft das Problem. Ständiges Bremsen und Wiederanfahren erhöht zudem den Ausstoß von CO2, Stickoxid und Feinstaub und emittiert zudem mehr Lärm – negative Einflüsse, von denen Radfahrern direkt betroffen sind. Hinzu kommt ein unerwünschter Zielkonflikt zwischen einer Beschleunigung des öffentlichen Personenverkehrs und des Radverkehrs.
An Kreuzungen, an denen das Rückstauproblem aufgrund der geringen Verkehrsstärken nicht auftritt, stellt sich die Frage, ob Radfahrer nicht generell häufiger Grün erhalten sollten – auch wenn es trocken ist. Für den motorisierten Verkehr entstünde kein Nachteil, während der Radverkehr bei jedem Wetter profitiert. Auf die Installation eines speziellen Sensors könnte daher verzichtet werden.
Regensensoren könnten am Ende gar keine Maßnahme zur Radverkehrsförderung, sondern eher geschicktes Marketing der Politik sein. Für wenige hundert Euro wird der Radverkehr bei Regen öffentlichkeitswirksam gefördert, obwohl eine viel weitergehende Verbesserung für Radfahrer durch eine einfache Umprogrammierung des Signalzeitenplans möglich wäre. Aussagen, dass keine negativen Auswirkungen für andere Verkehrsarten entstehen oder keine Beschwerden geäußert wurden, sind ein Zeichen, dass eine viel weitergehende Anpassung möglich wäre. Ohne Regensensor, dafür aber mit einer wetterunabhängigen und ganzjährigen Förderung des Radverkehrs.
Beitrag gelungen.
Zitat:
“Radfahrer und Fußgänger sind Wind und Wetter ausgesetzt, während Autofahrer gleichzeitig wettergeschützt im trockenen und warmen Fahrzeuginnenraum sitzen”
Bei schlechten Witterungsverhältnissen fällt mir innerhalb der Stadt vor allem Folgendes auf:
Obwohl Autofahrer schön im Trockenen und Warmen sitzen,
so bringen diese eine Eile und Hektik auf die Strasse, dass ich mich sehr oft frage: “Wer ist hier eigentlich den schlechten Witterungsverhältnissen ausgesetzt?”
Radfahrer werden übersehen, teils ignoriert, stark gefärdet.
In dieser Situation fühle ich mich als Radfahrer oft sehr unsicher und gefärdet. Generell sollte mehr Sicherheit durch bauliche Maßnahmen für Fußgänger und Radfahrer erreicht werden.