Die dänische Hauptstadt Kopenhagen gilt als eine der fahrrad- und fußgängerfreundlichsten Städte der Welt. Dies dürfte ein wichtiger Grund für die ebenfalls herausragende Stellung als eine der lebenswertesten Städte weltweit sein. Die Grundlage für diese Entwicklung wurde in den 1970er Jahren zu Zeiten der Ölkrise gelegt. Der einsetzende politische Wandel wurde von einigen Schlüsselfiguren aus dem Planungsbereich unterstützt, die Stadtviertel um Stadtviertel umbauten und somit die gesamte Stadt Stück für Stück transformierten.
So wurden beispielsweise in den vergangenen Jahrzehnten 18 Parkplätze zu öffentlichen Parkanlagen, Spielplätzen und Treffpunkten umgebaut. Straßencafés säumen die Straßen und bieten mehr als 7.500 Sitzplätze zum Verweilen. Natürlich riefen die vielen einzelnen Veränderungsprozesse immer wieder Widerstand aus der Bevölkerung und der lokalen Wirtschaft hervor. So wurde argumentiert, dass in Kopenhagen keine südländische Straßencafé-Mentalität entstehen würde und Wege durch das kalte Winterwetter nur im eigenen warmen Pkw auszuhalten seien. Einzelhändler fürchteten um ihre Umsätze und glaubten nicht, dass Fußgänger Umsätze in gleicher Größenordnung wie Pkw-(Mit-)Fahrer generieren würden. Jahre später wurden viele eines Besseren belehrt. Heutzutage hat Kopenhagen mit der Strøget die längste Fußgängerzone in Europa.
Ebenfalls stark umstritten war die Anpassung der Höchstgeschwindigkeit. Ähnlich wie im heutigen Deutschland wurden in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Befürchtungen geäußert, dass der Verkehr durch Geschwindigkeitsbegrenzungen ausgebremst werden würde, der Verkehrskollaps nicht weit sei und die Stadt zum Erliegen komme. Im Stadtgebiet gilt heute flächendeckend eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 – 40 km/h. Einzelne Wohnstraßen dürfen maximal mit 15 km/h befahren werden und sind im Aufbau einer deutschen Spielstraße recht ähnlich.
Viele Abschnitte des Nebenstraßennetzes wurden zudem mit Verkehrsberuhigungsmaßnahmen wie Bremsschwellen, aufgerauten Straßenbelägen, gepflasterten Bereichen und Fahrbahnverengungen ausgestattet. Ebenfalls werden mehrere Versuche mit Shared Space-Bereichen, in denen Pkw-Fahrer, Radfahrer und Fußgänger gleichberechtigt sind und sich gegenseitig respektieren und beachten müssen.
Es ist großartig, die Gedanken des dänischen Architekten und Stadtplaners Jan Gehl (Mitgründer von Gehl Architects und Autor des Buches Public Spaces, Public Life) und Gil (Guillermo) Penalosa (Geschäftsführer von 8-80 Cities) über die Transformation der Stadt zu hören. Ebenso inspirierend sind die Gedanken der Abgeordneten und dänischen Umweltministerin, Ida Auken, und des Leiters der Verkehrsplanungsbehörde der Stadt Kopenhagen, Niels Torslov.
Eine Zeit wie die Osterzeit ist sehr gut geeignet, die Inspiration und die Energie zu nutzen, um unsere Städte Stück für Stück zu lebenswerteren Orten zu machen. Packen wir es an und frohe Ostern!
Im Video sieht man fast überall Kopfsteinpflaster. Die Dänen müssen einen Gummirücken haben.
Bislang ist mir kein übermäßiges Ansteigen der Bandscheibenvorfälle in Dänemark bekannt. Spricht eindeutig für die Gummirücken-Theorie! ;-)
Ich wohne in Göteborg, da ist es ähnlich… überall Kopfsteinplaster, auch die Fußwege mit Kopfsteinpflaster und den langen Granitsteinstreifen drin sind mir bekannt, vor allem aber die Bodenschwellen. Alles zusammen ist leider dazu geeignet, einen als Fahrradfahrer halb in den Wahn zu treiben (mir ist neulich, nach einem Jahr Radfahren in Schweden, zum ersten Mal in meinem Leben ein Fahrradrahmen gebrochen – beim normalen Fahren auf der Straße!). Das mit dem Wahn gilt natürlich auch für Rollstuhlfahrer und Nutzer von Gehwagen, Hackenporsches oder Rollkoffern.
In Göteborg kommen zum Kopfsteinpflaster allerdings eine absolut unfähige Verkehrsbehörde, unzusammenhängende Radwegschnipsel, die gerne mal auf zweispurigen Schnellstraßen enden, Bodenschwellen auf Radwegen (sic!), völlig chaotische Kreuzungen und vor allem Straßen, Radwege und Busspuren in unfassbar schlechtem Zustand.
Da zeigt sich, dass guter Wille nicht reicht (der wird zumindest regelmäßig kundgetan), sondern ein gewisses Verständnis für die Bedürfnisse von (in diesem Fall) Fahrradfahrern nötig ist.
Das scheint in Kopenhagen sehr wohl vorhanden zu sein, in Göteborg ist es unbekannt.
Aber zusammenfassend lässt sich sagen: Anti-Auto-Maßnahmen wie Bodenschwellen und Kopfsteinpflaster treffen auch Radfahrer. Mangels Federung sogar deutlich stärker als Autofahrer, die im Zweifel recht kommod drüberrauschen können. Das Geheimnis liegt also woanders, das sieht man in Göteborg (Radfahranteil bei 6%)…