Fuß- und Radverkehr Konzepte urbane Mobilität

[Wohnen und Mobilität] Autofrei und fahrradfreundlich in Malmö leben

Malmö Architektur Fahrradfreundlich autofreies Wohngebäude
Bild: hauschild + siegel architecture
Ein Immobilienprojekt in der schwedischen Stadt Malmö stellt die Anforderungen eines fahrradorientierten Lebensstils in den Mittelpunkt. Verbunden mit einem umfassenden Mobilitätskonzept konnte die Pflicht zur Schaffung von Stellplätzen entfallen.

In der schwedischen Stadt Malmö wird derzeit ein neues Wohngebäude und Motel errichtet, welches auf die Bedürfnisse von Fahrradfahrern zugeschnitten ist. Das vom deutsch-dänisch-schwedischen Architekturbüro hauschild + siegel architecture entworfene “Cykelhuset Ohboy” wird 55 Wohnungen und 33 Motel-Zimmer umfassen und das erste Gebäude in Schweden sein, welches die “Parkeringsnorm 0” erfüllt. Dies bedeutet, dass für das siebengeschossige Gebäude nur ein einzelner Behindertenstellplatz errichtet wird. Auf die Schaffung weiterer Stellplätze wird verzichtet.

Das in der Malmöer Innenstadt liegende Gebäude setzt auf das Fahrrad statt den Pkw. Beim Entwurf des Gebäudes und der Grundrisse wurde stark auf die Anforderungen eines fahrradorientierten Lebensstils geachtet. So lassen sich Türen in beide Richtungen öffnen. Sie sind ebenso wie die Gänge und der Aufzug ausreichend dimensioniert, um mit einem Lastenrad in die Wohnung gelangen und beispielsweise die Einkäufe direkt in der Küche ausladen zu können. Fahrräder können direkt vor der Haustür im Laubengang angeschlossen oder sicher im Fahrradabstellraum im Erdgeschoss verwahrt werden. Alternativ steht den Bewohnern zum Beispiel für Gäste eine Auswahl verschiedener Leihfahrräder unterschiedlichster Größe und Bauart zur Verfügung.

malmö fahrradhaus autofreies wohnprojekt

Ebenfalls sind eine kleine Fahrradwerkstatt und ein Raum mit Ölabscheider für die Fahrradwäsche integriert. Zu jeder Wohnung (ein bis fünf Zimmer) gehört eine Paketbox, in welche (Lebensmittel-)Einkäufe oder Retouren deponiert werden können.

Für die Genehmigung, die nach dem 1952 erlassenen Stellplatzschlüssel notwendigen Stellplätze nicht schaffen zu müssen, musste ein gleichwertiges Mobilitätskonzept entwickelt werden. Neben den umfangreichen Annehmlichkeiten für den Radverkehr erhalten Mieter ebenfalls eine Mitgliedschaft beim Carsharing-Anbieter Sunfleet und eine Monatskarte (Jojo-busskort) für den ÖPNV. Im Umkreis von 500 Metern um das Gebäude befinden sich neun Carsharing-Stationen. Die Wirksamkeit des Mobilitätskonzepts muss im Rahmen einer Evaluation mehrfach über einen Zeitraum von zehn Jahren nachgewiesen werden.

Der Verzicht auf ein Auto wird durch die Lage des Cykelhuset Ohboy leicht gemacht. Mit dem Fahrrad sind es etwa drei Minuten bis zum 1.400 Meter entfernten Hauptbahnhof, im unmittelbaren Umfeld befinden sich diverse Supermärkte, Bars und Restaurants. Die nächste Bushaltestelle (Linie 5) ist 50 Meter entfernt, die Linie 3 hält 300 Meter entfernt.

Die 33 Motel-Apartments im Erdgeschoss sind ebenfalls auf die Bedürfnisse von Radfahrern zugeschnitten. Sie besitzen jeweils einen separaten Eingang und Radabstellanlagen. Auf dem Dach befindet sich eine Orangerie mit einem Dachgarten für alle Mieter. Die Etagen drei bis sechs sind zudem mit Balkonen ausgestattet. In der sechsten Etage werden Maisonettewohnungen errichtet.

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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

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Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Johannes
3. Januar 2017 15:53

Die wirklich erschreckende Nachricht dabei versteckt sich doch eigentlich in der Entlassung aus der Stellplatzpflicht: Nennt mir bitte einen einzigen Pkw-Stellplatz in der europäischen bzw. westlichen Welt, dessen Sinnhaftigkeit mittels einer Mehrfachevaluation über einen Zeitraum von zehn Jahren nachgewiesen werden musste.

Noch dazu: Witzigerweise werden Fahrradprojekte üblicherweise genau ein Mal evaluiert, was die Ergebnisse dann zumeist schlecht bis gar nicht belastbar macht (One Shot Study). ABER um den Wegfall von Pkw-Stellplätzen zu rechtfertigen, muss es schon ein deutlich höherer Aufwand sein?

Ein Schelm, wer denkt, die Beweispflicht sei Machtinstrument in den Händen derer, die den Besitzstand wahren wollen …

Markus
27. Oktober 2016 10:32

Hallo Martin,
deine Seite hier finde ich wirklich Klasse. Hab hier auch schon etwas gestöbert und mir andere Beiträge angeschaut.
Das sind wirklich tolle und mutige Ansätze die hier in Malmö gezeigt werden. Ob sich diese Konzepte auch in anderen Ländern umsetzen lassen, gerade auch in Deutschland ist schon wieder eine andere Frage. Die Kulturen sind hier schon sehr verschieden und die skandinavischen Länder habe gerade wenn es um die Umsetzung solcher Innovationen geht schon immer eine Nasenlänge voraus. Ich denke das hier viele Leute einfach zu bequem sind zum Fahrrad zu greifen, da müsste der Staat schon enorm Nachdruck verleihen damit sich da etwas umsetzen lässt.
Mich würde interessieren wie du die Zukunft der Mobilität in Vietnam siehst oder generell im asiatischen Raum wie China und Thailand?

Jaheira
Jaheira
15. September 2016 05:27

Aus einer einfachen Idee wird teuer und kompliziert. Eigentlich ist Radfahren kostengünstig und unkompliziert. Mit all dem Schnickschnack (Ölabscheidung für die Fahrradreinigung?) scheint hier eine Luxusbeherberung für die ideologisch Korrekten gebaut worden sein. Statt den Mietern Monatsfahrkarten und Carsharing-Mitgliedschaft aufzuzwingen, wäre doch die Sonderregelung einfacher, dass es kein Anwohnerparken für die Bewohner dieser Wohnungen gibt.

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Randelhoff Martin

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