Die Bauministerium der kanadischen Provinz British Columbia hat Ende 2023 die provinzielle Baugesetzgebung mit dem Ziel novelliert, die bauliche Dichte um Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs zu steigern. Die Gesetzgebung zielt darauf ab, den Wohnraumbedarf insbesondere im Großraum Vancouver zu adressieren, die Nutzungsbasis und somit den wirtschaftlichen Erfolg des ÖPNV zu stärken, alternative Mobilitätsformen ohne Pkw zu fördern und den Klimaschutz voranzubringen.
Für die als Transit-Oriented Areas (TOAs) bezeichneten Gebiete werden spezifische Vorgaben bezüglich der Mindestdichte und -höhe für Neubauten sowie weitere Regularien festgelegt. Diese Regelungen sind entfernungsabhängig gestaffelt und umfassen eine Distanz von 800 Metern Luftlinie um eine SkyTrain-Haltestelle (light rail rapid transit) sowie 400 Meter Luftlinie um bedeutende Knotenpunkte des Busnetzes und Bahnhöfe des West Coast Express (Vorortbahn). Die Regelungen gelten nur für festgesetztes Wohnbauland und nicht für gewerbliche Nutzungen und landwirtschaftliche Flächen.
28 Kommunen wurden verpflichtet, das lokale Bauplanungsrecht und die Stellplatzregelungen bis Sommer 2024 an die neuen Regelungen anzupassen. Bis zur Umsetzung der neuen Regelungen wurden diese vorläufig durch die Provinz in Kraft gesetzt und galten unmittelbar.
Zentrale Regelungen für die Transit-Oriented Areas (TOAs) lauten:
- Mindestdichten und -höhen für Neubauten und ein Korridor, in welchem Anträge bis zu einer gewissen Höhe durch die Gemeinde zu genehmigen sind. Höhere Werte können durch die Gemeinde genehmigt werden. Bebauungspläne sind nur im Falle eines Vorhabens in ihrem Geltungsbereichs und nicht grundsätzlich anzupassen.
- Keine Stellplatzpflicht für Wohnraum. Es wird von der Provinzregierung erwartet, dass die Projektentwickler weiterhin Stellplätze entsprechend der Nachfrage errichten. Die Kommunen dürfen weiterhin Vorgaben zu Behindertenstellplätzen und Ladezonen sowie Nicht-Wohnnutzungen machen.
Die festgelegten Mindestdichten und -höhen für Neubauten sehen eine Staffelung vor. Die Vorgaben orientieren sich an den Prinzipien des Transit Oriented Development. Diese sehen eine hohe Bebauungsdichte um Haltestellen vor, um möglichst vielen Menschen einen direkten Zugang zum öffentlichen Nahverkehr zu ermöglichen und die positive Erschließungswirkung zu entfalten. In unmittelbarer Nähe zu Stationen des Vancouver SkyTrain (200 Meter Radius) wurde eine grundsätzliche Zulässigkeit von Vorhaben bis zu 20 Geschossen und einer Geschossflächenzahl (Gesamtgeschossfläche durch Grundstücksfläche) von 5,5 festgesetzt, zwischen 200 und 400 Metern zwölf Geschosse und eine GFZ von 4,0 und in einer Entfernung zwischen 400 und 800 Metern acht Geschosse und eine GFZ von 3,0.
200 Meter um wichtige Bushaltestellen sind Bauvorhaben bis zu zwölf Geschosse und einer Geschossflächenzahl von 4,0 zu genehmigen, und 200 bis 400 Meter bis zu acht Geschosse und einer GFZ von 3,0.
Um den sozialen Aspekt nicht zu vernachlässigen, müssen Projekte, die die maximale Höhe und Dichte ausschöpfen wollen, entweder 20 % der Wohnfläche als Sozialwohnungen bereitstellen oder 100 % Mietwohnungen mit einer Miete 20 % unter dem Mietspiegel anbieten.
Der Ansatz der Provinz British Columbia geht deutlich über häufig informelle Planwerke zu Transit Oriented Development (TOD) und Transit-Adjacent Development (TAD) – zu den Unterschieden siehe diesen Artikel – hinaus. Das deutsche Baurecht sieht keine Mindestanforderungen für Geschossigkeiten und die Geschossflächenzahl vor. § 17 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) nennt zwar Orientierungswerte für verschiedene Gebietstypen, diese sind jedoch als Obergrenzen zu verstehen und differenzieren nicht hinsichtlich der Nähe zu einem leistungsfähigen ÖPNV:
- Kleinsiedlungsgebiete: GFZ von 0,4
- Reine und allgemeine Wohngebiete: GFZ von 1,2
- Urbane Gebiete: GFZ von 3,0
Kommunen haben zwar die Möglichkeit gemäß § 16 (4) BauNVO Mindestmaße für die Geschossflächenzahl oder die Größe der Geschossfläche, für die Zahl der Vollgeschosse und die Höhe baulicher Anlagen im Bebauungsplan festzusetzen, machen davon aber nur begrenzt Gebrauch.
Die neuen Regelungen der Provinz British Columbia sehen auch den Schutz bestehender Strukturen. So werden Maßnahmen zum Erhalt von Gewerbegebieten, historischen Vierteln und Grünflächen integriert. Dies entspricht dem TOD-Prinzip, nicht nur Wohnraum zu schaffen, sondern vielfältige und lebenswerte Stadtviertel zu entwickeln. Durch die unmittelbare Gültigkeit wurde die Schaffung zusätzlichen Wohnraums beschleunigt und leistet hoffentlich einen Betrag, die hohe Wohnungsnachfrage insbesondere im Großraum Vancouver stadtverträglich zu bedienen.