Zu Beginn des 20. Jahrhunderts existierten in ganz Großbritannien etwa 8.000 Pkw. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts wuchs die Zahl derer auf 21 Millionen. Am Beispiel der britischen Hauptstadt London lässt sich der rasante Aufstieg des Automobils in Großbritannien sehr gut nachvollziehen.
Im Jahr 1920 waren in London etwa 100.000 Führerscheine ausgestellt, bis 1930 wuchs deren Zahl auf 261.000 an. Innerhalb von zehn Jahren waren Pkw etwas kleiner, leichter und mit dem “Nippy” des Automobilherstellers Austin aus Birmingham vor allem für einen breiteren Teil der Bevölkerung erschwinglicher geworden. Zu jener Zeit (Oktober 1931) eröffnete auch Henry Ford seine erste britische Fabrik im Osten Londons. Neben der wachsenden Zahl an Pkw auf Londons Straßen nahm jedoch auch die Zahl der Verkehrstoten ständig zu: 1920 starben jeden Tag durchschnittlich drei Menschen im Straßenverkehr. Im Jahr 1929 wurden 1362 Menschen auf Londons Straßen getötet, 1901 waren es noch 186. Als Folge dieser Entwicklung wurden 1934 eine Höchstgeschwindigkeit von 30 mph (48 km/h) und eine Führerscheinpflicht eingeführt.
Während des Zweiten Weltkriegs produzierten britische Autofabriken vor allem für das Militär. Nachdem die letzte Schlacht geschlagen, die Kriegsschäden größtenteils beseitigt und das normale Leben wieder aufgenommen war, explodierte auch in Großbritannien die Zahl der zugelassenen Pkw. Zwischen 1950 und 1970 vervierfachte sich der Autobesitz in London. Mitte der 1960er Jahre waren bereits 1,5 Millionen Fahrzeuge in London zugelassen. Bis Ende des 20. Jahrhunderts stieg die Zahl der Pkw-Zulassungen auf 2,2 Millionen.
Das wachsende Pkw-Aufkommen sorgte bereits in den 1960er Jahren für die ersten Probleme: Morgens und Abends kam es in der Londoner Innenstadt zu massiven Staus. In den achtziger Jahren war bereits das gesamte Stadtgebiet über den ganzen Tag hinweg zugestaut. Drei Prozent der Londoner Haushalte besaßen zu dieser Zeit drei Fahrzeuge und mehr, 39% gar keins.
In den vergangenen Jahren versuchte die Londoner Stadtregierung mit verschiedensten Maßnahmen den Problemen des wachsenden Pkw-Verkehrs mit all seinen negativen Effekten Herr zu werden (siehe z.B. “London: Die Folgen der Innenstadtmaut und der Low Emission Zone“) und begann systematisch den öffentlichen Nahverkehr und den Radverkehr zu fördern.
Ein Video des Filmemachers Simon Smith zeigt recht eindrucksvoll, wie sich London und der Londoner Verkehr zwischen 1927 und 2013 verändert haben. Es ist leicht zu erkennen, welche Pkw-freundliche Strukturen bereits Ende der 1920er Jahre in London existierten. Natürlich ist ein Großteil des Straßennetzes ursprünglich für den Droschken- und Kutschen-Verkehr errichtet worden, zwischen 1900 und 1930 wurde das Londoner Straßennetz jedoch für die speziellen Anforderungen des Automobils hergerichtet. Neben der höheren Zahl an Fahrzeugen sieht man jedoch auch, dass die Straßenzüge mittlerweile auch für die Bedürfnisse anderer Verkehrsarten wie den Radverkehr oder den Fußverkehr angepasst wurden. So kann man beispielsweise heute nicht mehr in Londoner Parks mit dem Auto herumfahren. Die schiere Anzahl an Fahrzeugen macht dies ebenso wie die mangelhafte Verkehrssicherheit für andere Verkehrsteilnehmer und das Ziel, Städte für Menschen und nicht für Autos zu gestalten, unmöglich.
^s^ nachschiebe…
Aufgrunddessen, daß Pferde, Kutschen sowie Fuhrwerke die Definition von PKW nicht erfüllen, betrug die Zahl der PKW zu Beginn des 19. Jahrhunderts exakt 0 – und zwar weltweit. Andernfalls würde mich die neue Dimension einer Raumzeitkrümmung, die Sie entdeckt zu haben scheinen, doch brennend interesieren. :-)
Ich habe leider keine neue Dimension einer Raumzeitkrümmung entdeckt, sondern vielmehr eine Krümmung meiner Hirnwindungen übersehen. Es soll natürlich “20. Jahrhundert” heißen. Danke für den Hinweis!