Der öffentliche Verkehr und insbesondere der ÖPNV geltenbei Vielen als nicht wirklich spannend. Im Vergleich zum Luftverkehr, komplexen Logistikproblemen oder schnellen Bahnverkehr wirkt der ÖPNV immer ein wenig langweilig. Eben gefangen zwischen Geldnot und kommunalen Politikspielchen. Aber die Branche hat einen großen Vorteil: Im öffentlichen Verkehr sind umfangreiche Verbesserungen für die Fahrgäste mit relativ wenig Aufwand zu erreichen. Man muss nur etwas unkonventionell und innovativ denken sowie ein bisschen Mut haben. Und das macht diese Branche für mich persönlich so spannend.
Aus den USA kommen derzeit aufgrund der Mentalitätsunterschiede und der weniger Risikoaversen Entscheidungsträger weitaus mehr Innovationen als aus Deutschland. Dies hat maßgeblich damit zu tun, dass die größeren technologischen Veränderungen der vergangenen Jahre weniger in der Fahrzeugtechnik oder dem Fahrwegbau zu finden sind, sondern vielmehr im IT- und Telekommunikationsbereich. Jene kleinen Änderungen, welche keine großen ingenieurtechnischen Berechnungen und Planungen erfordern, sondern schnell und einfach zu implementieren sind, machen heute den Unterschied. Denn für große und umfangreiche Anpassungen fehlt oftmals das Geld. Hinzu kommen größere Widerstände, die man überwinden muss. Es ist daher kein Wunder, dass das Frustrationspotenzial hoch ist und man aus Rücksicht auf seine physische und psychische Gesundheit eher verwaltet denn gestaltet.
Dass kleine intelligente Dinge und Anwendungen manchmal einen großen Unterschied machen können, zeigt das US-Unternehmen Multimodal Logic mit TransitScreen und SmartWalk. SmartWalk macht eigentlich nichts Besonderes: Es ermöglicht die Information von Fahrgästen in Echtzeit. Nicht nur an Haltestellen, sondern auch in anderen privaten und öffentlichen Gebäuden. Von der Funktionsweise her ist SmartWalk nicht groß unterschiedlich von Abfahrtsmonitoren, wie sie beispielsweise der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) oder die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) anbieten. Diese zeigen aktuelle Fahrgastinformationen auf privaten Großbild-Abfahrtsmonitoren an und sind beispielsweise in Supermärkten, Einkaufszentren, Hotels und anderen öffentlich zugänglichen Gebäuden sowie in privaten (Büro-) Gebäuden zu finden.
SmartWalk denkt das Prinzip des Abfahrtsmonitors weiter und projiziert Echtzeit-Informationen an Orte, die über ortsfest installierte Monitore nur schwer zu bespielen sind. Sei es aufgrund der Vor-Ort-Gegebenheiten oder der schieren Masse an Fahrgästen, die informiert werden muss.
SmartWalk bietet für den Fahrgast und das Verkehrsunternehmen verschiedenste Vorteile: Aktuelle Informationen können in unterschiedlichster Größe an Wände, den Boden oder andere Flächen projiziert werden. Über eine farbliche Codierung werden Ortsunkundige zum richtigen Bahn- oder Bussteig geführt. Aktuelle Abfahrtszeiten können nicht nur auf 50-Zoll-Bildschirmen mit einer Bildschirmdiagonale von 127 cm, sondern in verschiedensten Größen und Formen auf einer Fläche von mehreren Quadratmetern angezeigt werden und erreichen somit viel mehr Menschen auf einmal.
Einige Verkehrsunternehmen wie die Düsseldorfer Rheinbahn nutzen zum Zweck der Fahrgastinformation Großbildschirme in U-Bahnhöfen, welche an den Tunnelwänden oder zwischen zwei Bahnsteigen angebracht sind. Auf diesen Bildschirmen werden neben Werbung auch aktuelle Störungsinformationen und allgemeine Hinweise angezeigt. Auch andere Verkehrsunternehmen nutzen in Bahnhöfen/Stationen und Fahrzeugen Infotainment-Systeme, welche abwechselnd Fahrgastinformationen, tagesaktuelle Nachrichten, den Wetterbericht und Werbung anzeigen. Die Anwendungsmöglichkeiten sind jedoch theoretisch noch vielfältiger, das Potenzial bei Weitem noch nicht ausgeschöpft.
Über die Software-Lösung “TransitScreen” werden jedoch nicht nur reine Informationen über Bus und Bahn ausgegeben, sondern auch Daten von Bikesharing-Anbietern aggregiert und Wetterinformationen, Tweets mit Störungsmeldungen und Points Of Interests (POI) im Haltestellenumfeld angezeigt. In den USA sollen in Zukunft auch Informationen über verfügbare Ridesharing-Fahrzeuge (Lyft und Uber) in der Umgebung der Haltestelle bereitgestellt werden. TransitScreen bietet somit ein multimodales Auskunftssystem an.
Natürlich ist die Information von Fahrgästen mittels Projektion nicht immer die optimale Lösung. Im 24-Stunden-Betrieb hält die Birne eines Projektors mit einer durchschnittlichen Lebensdauer von 2000 – 5000 Stunden nur drei bis sieben Monate. Und muss im Anschluss für etwa 350 – 600 Euro getauscht werden. Das Anzeigen von Informationen auf dem Boden ist bei sehr hohem Fahrgastaufkommen ebenfalls eher hinderlich denn hilfreich.
SmartWalk kann aber in bestimmten Situationen große Vorteile bieten. Nach Konzerten oder anderen Großevents (Messen, Fußballspiele) können Veranstalter vorhandene Projektionsflächen nutzen, um Besucher möglichst sicher und komfortabel vom Veranstaltungsgelände zu lotsen. Zudem können Informationen auf dem Weg zwischen Veranstaltungsgelände und Verkehrsstation an Häuserwänden oder anderen Flächen angezeigt werden. Bei entsprechenden Lichtverhältnissen am Tag oder bei räumlicher Enge kann die Rückprojektion helfen.
Ein weiterer Vorteil der Projektion ist die Unabhängigkeit von Endgeräten wie Smartphones. Bildschirm- und Monitor-basierte Fahrgastinformationssysteme sind oft in Gebäuden oder erst an den Eingängen von Bahnhöfen angebracht. Bei hohem Fahrgastaufkommen ist es für den einzelnen Fahrgast recht mühsam, die individuell benötigte Information von einem kleinen Bildschirm abzulesen. In Berkeley soll SmartWalk auf dem Weg zwischen dem Campus der University of California und der BART-Station installiert werden und auf diese Weise pro Jahr mehr als 3 Millionen Fußgänger über die nächsten Abfahrten informieren. Die Wahrnehmung aktueller Informationen “im Vorbeigehen” dürfte über eine flächige Anzeige weitaus effektiver sein als über kleine Bildschirme an der BART-Station.
Auch in Deutschland gibt es sicherlich viele weitere Anwendungsfälle, bei denen die Projektion von Fahrgastinformationen helfen kann. Die Robert Bosch GmbH hat sich beispielsweise im Jahr 2002 ein System zur Anzeige von Fahrgastinformationen mittels Projektion in Fahrzeugen patentieren lassen. Ein Produkt ist meines Wissens daraus noch nicht entstanden. Aber auch dieses Patent zeigt bestimmte Potenziale auf. Und manchmal sind es die kleinen Dinge, welche die Fahrgastzufriedenheit nachhaltig erhöhen.