Straßenverkehr Verkehrspolitik Zukunft

Eine kleine Frage an die Verkehrspolitik und den ADAC

Wenn der ADAC mit seiner Statistik richtig liegt, gab es im Jahr 2011 auf deutschen Autobahnen rund 189.000 Staus mit einer Gesamtlänge von 450.000 Kilometern. Im Jahr 2002 maß der ADAC noch 321.000 Kilometer, 2006 waren es bereits 359.000 Kilometer und 2010 schon 400.000 Kilometer 1.

Auf die einzelnen Bundesländern verteilten sich die Staus im Jahr 2011 folgendermaßen:

Bundesland Anzahl Staus Veränderungen zum Vorjahr
Nordrhein-Westfalen 59045 2000
Berlin 30167 -4500
Bayern 26210 -1500
Baden-Württemberg 18374 4000
Hessen 14657 1500
Niedersachen 12776 keine Veränderung
Rheinland-Pfalz 6096 1000
Schleswig-Holstein 4429 2000
Brandenburg 4312 -500
Hamburg 4111 1000
Sachsen-Anhalt 2558 keine Veränderung
Sachsen 2419 keine Veränderung
Thüringen 2333 -500
Saarland 646 keine Veränderung
Bremen 506 -500
Mecklenburg-Vorpommern 438 keine Veränderung

Interessant ist auch der Anteil der häufigsten Ursachen für Stau auf deutschen Fernstraßen (leider nur für das Jahr 2008 vorhanden):Stauursachen Deutschland Autobahn: hohes Verkehrsaufkommen, Baustellen, Unfälle und defekte FahrzeugeMit 66 Prozent ist ein zu hohes Verkehrsaufkommen Stauursache Nummer 1. Unfälle und Baustellen folgen mit jeweils 16 bzw. 15 Prozent weit abgeschlagen auf Platz 2 und 3. In den vergangenen neun Jahren ist die Staulänge um 130.000 Kilometer gestiegen. Und Staus haben einen erheblich negativen Effekt auf unsere Volkswirtschaft.

In den nächsten Jahren wird die Staulänge auf deutschen Autobahnen eher zu- als abnehmen. Betrachtet man die Gleitende Mittelfristprognose für den Güter- und Personenverkehr Sommer 2011 im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung so fällt auf, dass der motorisierte Individualverkehr 2010 annähernd stagnierte. Für 2011 wurde eine Zunahme von etwa einem Prozent erwartet 2. Im Straßengüterverkehr ist im Jahr 2010 das Aufkommen ebenfalls über eine Stagnation nicht hinausgekommen (-0,3 %), die Transportleistung dagegen um knapp 5 % gestiegen. Im Jahr 2011 ist ein Anstieg um gut 8 % beim Transportaufkommen und um gut 6 % bei der Leistung zu erwarten 3. Trotz des geringen Wachstums der Verkehrsmenge stieg die Staulänge um 12,5 Prozent.

Die Güterverkehrsleistung des Straßengüterverkehrs soll bis 2050 von 484 Milliarden Tonnenkilometern im Jahr 2010 auf 873 Milliarden Tonnenkilometer steigen. Das Güterverkehrsaufkommen soll sich bis 2050 ebenfalls verdoppeln. Über 80 Prozent der Güter werden voraussichtlich auf der Straße transportiert 4. Die Verkehrsleistung des motorisierten Individualverkehrs soll nicht in diesem Maße wachsen. Verschiedene Studien geben eine Bandbreite von fünf bis dreißig Prozent an.

Eine Frage, die sich mir nun persönlich stellt: Wie sollen wir das zukünftige Verkehrsaufkommen in unserem Straßennetz ohne größere Komplikationen abwickeln können, wenn wir heute schon so große Probleme haben? 

Ein weiterer Ausbau des deutschen Autobahnnetzes wie es zum wiederholten Male der ADAC-Präsident Peter Meyer fordert, kann kaum der richtige Weg sein. Aber auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer wirkt bei diesem Thema nicht allzu souverän (siehe: Wie Ramsauer Staus bekämpfen will und wie er dabei versagt). Für mich scheint es so, dass wir endlich massiv daran arbeiten müssen, Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern und stauminimierende Maßnahmen wie ein Tempolimit zu ergreifen. Ansonsten droht der Verkehrskollaps.

Meine Frage an die Herren und Damen vom ADAC, den Industrie- und Handelskammern und aus der Verkehrspolitik ist daher folgende: Wie wollen Sie diesen drohenden Kollaps verhindern? Und bitte diesmal keine Worthülsen, sondern konkrete Vorschläge…

  1. ADAC Motorwelt, Nr. 7/2011, Seite 24
  2. Gleitende Mittelfristprognose für den Güter- und Personenverkehr Sommer 2011, intraplan consult GmbH, Ralf Katzenberger, Juli 2011, München, Seite 4
  3. Gleitende Mittelfristprognose für den Güter- und Personenverkehr Sommer 2011, intraplan consult GmbH, Ralf Katzenberger, Juli 2011, München, Seite 3
  4. Abschätzung der langfristigen Entwicklung des Güterverkehrs bis 2050, progtrans, Basel, 2007 – http://www.bmvbs.de/cae/servlet/contentblob/30886/publicationFile/455/gueterverkehrs-prognose-2050.pdf

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Max Schneider
Max Schneider
24. März 2014 12:58

Re Gigaliner: Der Gedanke dass mehr Platz im Gigaliner zu weniger Verkehr führt (weil die transportierte Gütermenge gleicht bleibt) ist irreführend.

Die Kapazität eines Lastwagens ist begrenzt durch das Volumen und das Gewicht. Wenn ich Getriebe transportiere bringt ein Gigaliner nichts da das Maximalgewicht bereits durch das Gewicht des Transportgutes eingeschränkt ist. Anders sieht es beispielsweise bei Chipstüten aus, dort ist momentan das Volumen der begrenzende Faktor.

Mit einem Gigaliner habe ich eine größere Transportkapazität pro Laster. D.h. ich kann mehr Chipstüten in einen Laster packen. Fahren nun also weniger Laster als vorher?

Nein, mitnichten, denn auch die Transportkosten pro Chipstüte sinken (_ein_ Fahrer fährt jetzt _mehr_ Chipstüten durch die Gegend), d.h. ich kann meine Chipstüten weiter durch die Gegend fahren (lassen), und das eintüten der Chips beispielsweise in Rumänien anstatt bereits in Ungarn erledigen.

Insgesamt geht die Anzahl der Laster also nicht signifikant zurück, da diese nun bei gleichen Kosten pro Chipstüte weiter fahren können.

Matthias
Matthias
8. Februar 2012 11:21

Wichtig wäre auch zu vergleichen, ob sich die Unfallzahlen und Baustellen in den vergangenen Jahren erhöht haben. Zumindest letzteres trifft meiner Meinung nach zu. Die Korrelation zwischen Stau und seiner Ursache lässt sich daher nicht ausschließlich auf die Verkehrsstärke runterbrechen. Aber die Tendenz dieses Beitrages ist klar: Mehr Verkehr -> mehr Belastung -> Kapazitätsüberschreitungen auf Autobahnen steigen -> mehr Staus.
Christoph hat drei Vorschläge gebracht. Zum einen das Tempo-Limit(max 100): Wenn man ein Tempo-Limit einsetzt, dann sollte dies meiner Meinung nach 120km/h betragen, sonst würde sich der Verkehr zum Teil auf die Bundesstraßen verteilen, was nicht Sinn und Zweck einer Autobahn entspricht. Rein theoretisch hast du aber Recht. Gemäß Fundamentialdiagramm, welches den Verkehrsablauf mit den Größen Verkehrsdichte, Verkehrsqualität und Geschwindigkeit beschreibt, ist die optimale Geschwindigkeit bei ca. 90km/h (maximale Verkehrsstärke bei optimaler Verkehrsdichte).
Ein Rechtsüberholen würde ich auch strikt ablehnen, besonders im Zusammenhang mit dem hohen Aufkommen an Güterverkehr und den daraus resultierenden schlechten Sichtverhältnissen (wenn ein Lkw auf dem 2. Fahrstreifen fährt und man rechts überholt).
Man sollte dies auch als Gesamtkonzept sehen.
Meine Vorschläge wären:
a) gegebenfalls Standstreifenfreigabe, wenn die Bedingungen dafür erfüllt sind
b) bessere Integration der Verkehrstelematik und Verkehrsbeeinflussungsmodellen(Zuflussdosierung auf Autobahn durch Lichtsignalregelung vor den Auffahrrampen,Floating Car Data etc.)
c) Tempo-Limit 120km/h
d) Regelwerk zum Beschleunigen von Baustellenprozessen
e) wie schon beschrieben: Mehr Güterverkehr auf Schiene holen, aber ein gesundes Gleichgewicht einhalten
f) Förderung von PPP-Projekten zum Ausbau/Neubau von Straßen
g) Pkw-Maut und somit Nutzerfinanzierung (Internalisierung externer Effekte etc…)

Natürlich gibt es noch reichlich weitere Möglichkeiten die Leistungsfähigkeit zu steigern und den Verkehrsablauf flüssiger zu gestalten, aber diese sollten hier nicht genannt werden.
Meine Frage wäre noch: Was spricht gegen den Gigaliner!? Habe mich mit dem Thema noch nicht ausgiebig genug auseinandergesetzt.

Grüße,
Matthias

Christoph
Christoph
1. Januar 2012 21:20

die meisten Verkehrsprognosen die Verkehrsleistung auf der Strasse betreffend sind mit Sicherheit falsch. Wie letztens in den Medien zu lesen war, hat sich ja herausgestellt, dass z.B. die prognostizierten Werte für einige neugebauten Projekte nicht annähernd eingetreten sind. Wenn ein Lokalfürst eine neue Strasse haben will, sorgt er dafür dass die Werte stimmen. Warum sollen im Jahr 2050 (wenn in D nur noch alte Menschen leben, die keine Ipods und keine Handys mehr bei Amazon bestellen) doppelt so viele Güter durch die Lande kurven?

Mehr Verkehr auf die Schiene geht nur wenn dies auch von der Politik gefördert wird. Und zwar radikal. Aber das wird so schnell nicht passieren. Weder mit Ramsauer noch mit der darauf folgenden Regierung.

Eine Vergrößerung der Leistungsfähigkeit der Autobahnen ohne großen Ausbau würde so funktionieren:

a) Tempolimit (max 100)
b) Rechtsüberholen einführen (wie in USA)
c) nachfrageabhängige PKW-Maut (also keine Vignette)

Felix Staratschek
31. Dezember 2011 10:46

Die meisten Staus erzeugt das Verkehrsaufkommen! Die sogenannte “Freie Fahrt für freie Bürger” erstickt sich selber. Und der ADAC fördert das durchzusammen mit der Politik durch Tatenlosigkeit.

Dabei ist der ÖPNV noch lange nicht so gut, wie er sein könnte! Wichtige Bahnstrecken werden zerstört oder zu Radwegen umgebaut, die wesentlich dazu beitragen könnten Autobahnen zu entlasten, wie:
Wuppertal/ Solingen -) Remscheid – Wermelskirchen – Burscheid – Leverkusen (- Köln)
(Hagen -) Gevelsberg – Wuppertal Vohwinkel (Nordbahn) – Mettmann (- Düsseldorf).
Hier würde ein ÖPNV mehrere 1000 Fahrgäste erreichen, die direkt von den Autobahnen A1, A3 und A46 geholt würden.
Und seit Jahren weise ich den ADAC auf Konzepte für mehr Güterverkehr auf der Schiene hin:
http://j.mp/u92lG5

http://j.mp/tZ75wb

Der lobenswerte Einsatz gegen Gigaliner des DAC ist zu wenig, wen man nicht auch Transportalternativen nennt! Aber da fordert der ADAC lieber mehr Straßen, statt für eine bessere Bahnpolitik zu streiten, die allen mehr dienen würde. Und damit fördert der ADAC indirekt sogar die Gigaliner!

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