Das Jahr 2011 war für die Binnen- und Seeschifffahrt äußerst durchwachsen. Piraterie, Tsunami und die darauf folgende atomare Katastrophe in Japan, die herannahende Weltwirtschaftskrise und einige politische Weichenstellungen haben vielen Reedern zu denken gegeben.
Die wirtschaftliche Entwicklung und der Verfall der Frachtraten
Im Verlauf des Jahres 2011 sind die Charterraten für Containerschiffe und Bulker massiv eingebrochen. Durch Überkapazitäten im Markt sanken die Raten bereits von 12.000 Dollar / Tag (2008) auf unter 1000 Dollar je Tag. Problematisch sind jedoch nicht die Ladungsmengen, sondern die große Zahl an neuen Schiffen, die in Dienst gestellt werden.
Der von der Hamburger Berenberg Bank entwickelte ShipInx bildet die weltweit bedeutendsten Unternehmen aus den Bereichen der Schifffahrtsbranche ab. Für das Jahr 2011 lässt sich ein eindeutig negativer Trend erkennen.
Etwas anders sieht es für den Baltic Dry Index aus. Der Baltic Dry Index bildet die Frachtraten für Schüttgut wie Kohle, Eisenerz, Zement, Kupfer, Kies, Dünger, Kunststoffgranulat und Getreide ab. In den Preis fließen nur die reale Nachfrage und das reale Angebot für den Transport von Rohstoffen auf Standardrouten ein. Er ist daher unabhängig von Spekulation.
Durch die hohe Nachfrage nach Metallen, Treibstoffen und Nahrungsmitteln ist der BDI 2011 auf Jahressicht leicht gestiegen. Der BDI bildet in größerer Dimension das Volumen des Welthandels auf der Anfangsstufe ab.
Für den Tankermarkt gibt es den Baltic Dirty Tanker Index (BDTI). Die Nachfrage nach Rohöl und Chemikalien ist wegen des Wachstums insbesondere in Asien weiterhin hoch. Dies schlägt sich auch in steigenden Kraftstoffpreisen an deutschen Tankstellen nieder.Viel schlechter haben sich allerdings die Preise für Containerschiffe entwickelt. In Containern werden oftmals Konsumgüter insbesondere auf der Relation Asien – Europa / USA verschifft. Über 90 Prozent des Welthandels, fast 95 Prozent des Außenhandels der Europäischen Union und nahezu 70 Prozent des deutschen Im- und Exports werden über den Seeweg abgewickelt. Eine Aufwärtsbewegung des HARPEX signalisiert einen Anstieg des globalen Handels, eine Abwärtsbewegung das Gegenteil.
Am 26. März 2011 markierte der Index mit 901 Punkten einen Jahreshöchststand. Die Abschwächung der globalen Konjunktur, die nachlassende Wirtschaftstätigkeit in China und die Verschärfung der Staatsschuldenkrise im Euroraum führten zu einem Einbruch der Containertransporte. Bis zum 10. Dezember 2011 fiel der HARPEX um 55,2 Prozent auf 404 Punkte. Auch der HARPEX ist frei von Manipulation und Spekulation.
Piraterie
Das Problem mit Piraten im Golf von Aden ist noch lange nicht gelöst. Im Jahr 2011 wurden 421 Piratenangriffe gezählt (Stand 16.12.2011). Ingesamt wurden 42 Schiffe entführt. Mit 231 Piratenangriffen ist das Seegebiet im Golf von Aden das gefährlichste der Welt.2011 wurden dort 26 Schiffe entführt, 450 Seeleute wurden als Geiseln gehalten, 15 wurden von Piraten getötet. Derzeit haben somalische Piraten noch 10 Schiffe mit 172 Seemännern in ihrer Gewalt 1.
Die EU NAVFOR Somalia – Operation Atalanta würde ihr Einsatzgebiet gerne auf somalische Strände ausweiten und dort Gerät der Seeräuber zerstören.
Unglaubliches
Die unglaublichste “Fotostory”, die ich 2011 gesehen habe, waren diese beiden Tanker zwischen denen es im Singapurer Hafen zu einer Beinahekollision kam. Nur das Ausweichmanöver des linken Schiffes verhinderte Schlimmeres (ich bin mir aber nicht sicher ob das rechte Schiff überhaupt fährt. Mir stellt sich sowieso die Frage wie sich beide Schiffe so nahe kommen konnten):
Äußerst intelligent stellten sich auch diese Segler an, die meinten, die Fahrrinne eines Tankers kreuzen zu müssen:
Weitere Ereignisse:
Im Dezember billigt die EU-Kommission die geplante Elbvertiefung. Der Bund und die Hansestadt Hamburg rechnen damit, dass spätestens im Frühjahr 2012 die Planfeststellungsbeschlüsse erlassen werden können.
Bundesverkehrsminister Ramsauer steht mit seiner Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) weiterhin in der Kritik. CDU und FDP planen die Behörde in ein privatwirtschaftliches Unternehmen umzuwandeln. Der Bund soll nur noch eine Kontrollfunktion übernehmen. Rüffel bekam Ramsauer ebenfallsfür die Neueinteilung des Bundeswasserstraßennetzes in Vorrang-, Haupt-, Ergänzungs-, Neben- und Randnetz. Insbesondere in Ostdeutschland ist großer Unmut über die Einteilung zu vernehmen.
Umstritten bleiben auch die Schwefelgrenzwerte in Nord- und Ostsee. Viele Küstenländer fordern eine Vereinheitlichung der Grenzwerte. Die IMO hat festgelegt, dass Schiffstreibstoffe bei Fahrten auf Nord- und Ostsee ab 2015 nur noch 0,1 Prozent Schwefelanteil haben dürfen statt bisher 1 Prozent. Auf allen anderen Meeren soll der Grenzwert ab 2020 0,5 Prozent betragen. Bisher liegt der Schwefelgrenzwert bei 4,5 Prozent. Länder wie Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern fürchten, dass dem Seeverkehr in Nord- und Ostsee somit geschadet werde und die Fracht auf die Straße verlagert werde.
Vergessen darf man auch keinesfalls die äußerst niedrigen Wasserstände des Rheins im Herbst, die die Binnenschifffahrt auf Deutschlands wichtigster Wasserstraße beinahe zum Erliegen brachte. Aber auch am Anfang des Jahres war der Schiffsverkehr auf dem Rhein durch die Havarie des doppelwandigen Tankmotorschiffs “Waldhof” bei St. Goarshausen bereits gestört. Das mit Schwefelsäure beladene Schiff havarierte am 13. Januar 2011. Der Rhein konnte erst einen Monat später, am 14. Februar, wieder vollständig für den Verkehr freigegeben werden.
- ICC Commercial Crime Services – http://www.icc-ccs.org/piracy-reporting-centre/piracynewsafigures ↩