Deutschland mit seiner Lage mitten in Europa und seiner international stark verflochtenen Wirtschaft benötigt ein leistungsfähiges Verkehrssystem. Die Bevölkerung – insbesondere Pendler – sind auf ein funktionierendes Straßennetz und einen gut funktionierenden öffentlichen Personenverkehr angewiesen. In den letzten Jahren wurden jedoch keine ausreichenden Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur getätigt. Nach Berechnungen des DIW Berlin besteht allein für die erforderlichen Reinvestitionen in die Verkehrsinfrastruktur eine Investitionslücke von jährlich rund 3,8 Milliarden Euro. Hinzu kommen der Nachholbedarf aufgrund vernachlässigter Ersatzinvestitionen, der bei der Fahrzeugflotte anstehende Investitionsbedarf und die – auch bei vorrangig zu behandeln den Ersatzinvestitionen punktuell notwendigen – Investitionen für Netzausbau und -erweiterung. Insgesamt ergibt sich eine Investitionslücke von mindestens zehn Milliarden Euro pro Jahr. 1
Insgesamt beläuft sich der Ersatzbedarf der Verkehrsinfrastruktur auf insgesamt rund 13,2 Milliarden Euro jährlich zu Preisen von 2005. Von dieser Summe wurden jährlich nur 9,4 Milliarden Euro tatsächlich getätigt, sodass eine jährliche Investitionslücke von 3,8 Milliarden Euro besteht. Etwa 29 Prozent des bestehenden Erhaltungsbedarfs werden nicht durchgeführt. Für den Zeitraum 2006–2011 sind Erhaltungsmaßnahmen im Umfang von rund 22,8 Milliarden Euro unterblieben, welche nachgeholt werden müssen.
Die größte Lücke zwischen Bedarf und getätigtem Ersatz besteht mit 2,5 Milliarden Euro pro Jahr bzw. 30 Prozent bei den Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen. Das Defizit beim Erhalt der Infrastruktur des schienengebundenen öffentlichen Straßenpersonennahverkehrs (ÖSPV), darunter fallen Anlagen für Straßenbahnen, Stadtbahnen und U-Bahnen, beläuft sich auf 54 Prozent (260 Millionen Euro) und bei den Wasserstraßen auf 63 Prozent. Für den Erhalt von Schleusen, Kanälen und Wasserstraßen fehlen jährlich etwa 330 Millionen Euro.
Noch problematischer ist, dass viele Erhaltungsbedarfe an wichtigen Schlüsselbauwerken wie Brücken, Schleusen und Tunneln anfallen. Prominente Beispiele sind die Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals, die Rheinbrücke Leverkusen (BAB 1) und viele Stadtbahntunnel wie in Köln oder Frankfurt am Main. Eine Einschränkung der Nutzung bzw. gar Sperrung hat enorme Konsequenzen für die Funktion des örtlichen und unter Umständen des nationalen / europäischen Verkehrsnetzes.
Die Zustandsnoten der Eisenbahnbrücken und Straßenbrücken verschlechtern sich zunehmend, sodass hier in Zukunft ein größerer Erhaltungsbedarf besteht. Die Finanzierungslücke von 3,8 Milliarden Euro pro Jahr ist folglich als untere Grenze anzusehen und dürfte in den kommenden Jahren vermutlich weiter wachsen.
Auf der anderen Seite müssen die Herausforderungen der Zukunft gelöst und entsprechend investiert werden. Beispielsweise sind Investitionen zur Lärmreduktion des Schienenverkehrs durchzuführen. Die Hinterlandanbindung der Seehäfen und der Güterverkehrskorridore ist zu verbessern. Die Verkehrswege und öffentlichen Verkehrsangebote in den Ballungsräumen sind unter Berücksichtigung der energie- und umweltpolitischen Ziele auszubauen.
Man kann sich nur wünschen, dass die Politik zeitnah konstruktive und dauerhaft tragfähige Finanzierungsmechanismen für den Erhalt der gesamten Verkehrsinfrastruktur (Bundesverkehrswege, Landes- und Gemeindestraßen, ÖPNV) entwickelt und eine klare Priorisierung bei Neu- und Ausbauprojekten zu erkennen ist.
Wenn auch Sie eine interessante Zahl aus dem Bereich Verkehr haben, dann lassen Sie es mich bitte wissen! Vielen Dank!
- DIW Wochenbericht NR. 26/2013 vom 26. Juni 2013, S. 37 ↩
Die zusammen getragenen Zahlen sind beeindruckend, insbesondere was die Aufwendungen für den Erhalt des Straßennetzes anbetrifft. Dieser Umstand ist zum großen Teil dem Design der Verkehrswege geschuldet. Straßenkonstruktionen, wie sie die Menschen heute für unumstößlich halten, sind aber kein Schicksal. Wir sollten ernsthaft über andere Materialien und andere Konstruktionen nachdenken, die widerstandsfähiger und umweltfreundlicher sind und helfen, die Lebensqualität zu verbessern. Anders als in der IT-Industrie und im Maschinenbau, in der die Spitzenposition vergeben ist oder schwindet, könnte Deutschland sich im Straßenbau 3.0 wieder als Technologieführer erweisen. Die dazu passenden, neuartigen Fahrzeugkonstruktionen könnten die im PS-Wahn erstarrte Autoindustrie beleben. Was wir in der Energiewirtschaft zurzeit mutig angehen, sollte ein Vorbild für die Verkehrspolitik sein. Fahrerlose Fahrzeuge, Car-2-Car Kommunikation und allgemein Lösungen, die einseitig die Fahrzeuge optimieren, sind kein Allheilmittel für unsere überlasteten Straßen. Wir müssen auch das Fundament für eine moderne Verkehrsinfrastruktur angehen. Konkrete Ansätze dazu gibt es genug und viele davon wurden in Deutschland in den 70ern und 80ern angedacht und zum Teil ernsthaft getestet. Der Fetisch „Rennreisemobil“ hat unseren Blick leider verstellt und 40 Jahre später wundern wir uns über die Versäumnisse. Es gilt neu anzupacken, bevor wir die Lösungen der Zukunft nicht mehr exportieren, sondern zu hohen Preisen aus dem Ausland importieren müssen.