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Ridesharing-Anwendung Wasselni: Die Antwort aus Gaza auf Uber

Wasselni-Gründerin Mariam Abultewi
Wasselni-Gründerin Mariam Abultewi

Logo Wasselni gaza

Die Stadt Gaza (46 km²) hat etwa 515.000 Einwohner, in der Agglomeration leben 1,4 Millionen Menschen. Aufgrund der israelisch-ägyptischen Blockade des Gazastreifens und der ständig wiederkehrenden Konflikte ist das Leben in Gaza mitunter beschwerlich. Neben einer instabilen Strom- und Wasserversorgung ist auch die Verkehrsinfrastruktur in einem schlechten Zustand. Ein öffentliches Verkehrsangebot existiert nicht.

Im Bereich Mobilfunk liegt Gaza ebenfalls weit zurück. Während viele Mobilfunknetze im Nahen Osten bereits auf LTE-Standard (4G) aufgerüstet werden, existiert in Gaza nur ein 2G-Netz. Die israelischen Behörden beschränken den beiden Mobilfunkanbietern Jawwal aus der West Bank und Wataniya aus Kuwait die nutzbare Bandbreite. Bis zu acht Stunden lange Stromausfälle am Tag und teurer Kraftstoff für Dieselgeneratoren erschweren den Betrieb eines Mobilfunknetzes zusätzlich. Dennoch ist die Smartphone-Dichte auch im Gazastreifen relativ hoch. Und dass, obwohl viele Funktionen eines Smartphones nicht nutzbar sind, denn im Vergleich zu 3G (UMTS) ist 2G mehrere Tausend Mal langsamer.

Trotzdem hat die 25-jährige Mariam Abultewi es geschafft, in Gaza das
technologiegestützte Ridesharing-Angebot Wasselni
aufzubauen. Im Vergleich zu vielen westlichen Ridesharing-Angeboten funktioniert Wasselni auch ohne Mobilfunkempfang.

Wasselni-Gründerin Mariam Abultewi
Wasselni-Gründerin Mariam Abultewi

“Ich lebe im al-Nuseirat Flüchtlingslager,” so Abultewi gegenüber dem Guardian. “Fahrer brauchen dort sehr lange, um eine passende Fahrt zu finden. Fahrgäste müssen ebenfalls sehr lange auf das nächste Taxi warten.”

Ist ein Smartphone mit einem WLAN-Netzwerk verbunden, nutzt Wasselni die ermittelte Position, um Facebook-Freunde und Taxifahrer in der Nähe aufzuspüren, welche in die gewünschte Richtung fahren. Über die Anwendung kann direkt mit dem Taxifahrer kommuniziert werden. Ebenfalls ist es möglich, Mitfahrer für die jeweilige Strecke zu finden. Private Fahrten werden nur zwischen Facebook-Freunden vermittelt. Pkw-Besitzer können ganz klassisch nach dem Ridesharing-Prinzip Fahrten eintragen, welche von deren Freunden gefunden werden können.

Im Offline-Modus kann eine Liste von Taxiunternehmen und Taxifahrern aufgerufen werden, welche in dem jeweiligen Stadtviertel ihre Dienste anbieten. Zur Lokalisierung reicht es, den Namen eines nahe gelegenen Cafés in die App einzutragen. Zurzeit sind bei Wasselni über 2.000 Personen, darunter etwa 70 professionelle Taxifahrer, registriert. Geld verdient die Anwendung über Provisionen, welche Taxifahrer für vermittelte Fahrten bezahlen.

Ich finde es sehr bewundernswert, dass die damals 22-jährige Mariam Abultewi vor drei Jahren Wasselni gegründet hat. Sie ist zum einen eine der wenigen Unternehmerinnen im Gazastreifen, von Web-Unternehmerinnen gar nicht erst zu sprechen. Es gelang ihr als erste Frau aus Gaza, Kapital für ihre Startup-Idee einzuwerben. Heute leitet sie ein Team von jungen Programmiererinnen und stellt sich darüber hinaus tagtäglich den Widrigkeiten durch Kriege, der Blockade und der maroden Infrastruktur. Trotz der schwierigen Umstände hat sie es geschafft, einen Service aufzubauen, der das Leben vieler Einwohner von Gaza besser machen kann. Chapeau!

Der Guardian hat in einem sehr interessanten Artikel über Web-Unternehmer und -Unternehmerinnen sowie Startups in Gaza berichtet. Dort gibt es mittlerweile bereite einige Startups und seit kurzem auch den ersten Startup Accelerator. Ebenfalls empfohlen seien dieser Wired-Artikel und dieses Feature bei Al Jazeera America über die weibliche Startupszene im Gazastreifen.

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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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jan
jan
13. Dezember 2014 12:00

Kleiner Fehler:
Im Vergleich zu 3G (UMTS) ist 2G mehrere Tausend Mal langsamer.
Das ist nur sehr eingeschränkt richtig.
2G geht mit EDGE bis 384kbit/s (ok, fängt bei 14,4kbit/s an, und ich weiß nicht was in Palästina installiert ist).
3G/UMTS fängt bei 384kbit/s an, und geht derzeit bis 42Mbit/s.
Nur mit den Infos 2G und 3G ergibt sich ein Verhältnis der Geschwindigkeiten von 1:1 bis ~1:3000. Ich vermute recht stark, dass zumindestens einige 2G-Erweiterungen aktiv sind.

Je nachdem, was für 2G-Technik installiert ist, kann man damit eigentlich halbwegs eine Taxiapp betreiben, allerdings ist es schon ziemlich klever auch über WLAN zu arbeiten und dadurch vom Netz und Servern (?) unabhängig zu sein. Zumal man dann über die beschränkte Netzgröße direkt eine Umkreissuche hinbekommt :-)

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jan

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
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