Am 31.05.2012 habe ich auf Einladung der Ratsfraktion der Piratenpartei Braunschweig einen Vortrag zum Thema “Fahrscheinloser Öffentlicher Personennahverkehr – ein Modell für Braunschweig?” gehalten. Da ich meine Vorträge (Übersicht) immer recht offen gestalte und auch versuche auf die Hintergründe und Funktionsweisen von Verkehr ein wenig näher einzugehen, ist der Vortrag und das dazugehörige Video mit etwas über zwei Stunden recht lang geworden.
Neben dem ÖPNV waren auch Parkraumbewirtschaftung, Best Case-Beispiele aus anderen Städten und die Weiterentwicklung des ÖPNV in Braunschweig Thema.
Der Foliensatz kann hier heruntergeladen werden (PDF) und steht unter CC BY-SA 3.0 de-Lizenz.
Die theoretischen Hintergründe und Erfahrungswerte aus anderen Städten sind hier zu finden:
Unentgeltliche Nutzung des Nahverkehrs in Tallinn ab 2013 – ein Modell für andere Städte?
Aktualisierung – 27.06.2012
In der Samstagsausgabe der Braunschweiger Zeitung vom 23.06.2012 ist auf einer fast kompletten Seite ein Artikel zu meinem Vortrag erschienen. Dieser kann hier online abgerufen werden: Stress-Test: Nulltarif in Bussen und Bahnen?
Ergänzend zu dem Artikel möchte ich folgende Anmerkungen machen (entsprechend ihres Vorkommens innerhalb des Artikels):
- Die genannten 50 Millionen Euro sind ein grober Richtwert, der keineswegs belastbar ist. Ich habe das aktuelle Defizit der Verkehrs-AG, die Aufwände für die bislang bestellte Leistung sowie eine Ausweitung der Fahrleistung um 20 bis 30 Prozent angenommen. Die realen Kosten können aber je nach Nachfrageveränderung höher oder niedriger liegen.
- Ich bin zwar im August für einen Vortrag in Zürich, allerdings zu einem anderen Thema und bei einem Privatunternehmen. Die Stadt und das Kanton Zürich planen derzeit keine Einführung eines fahrscheinlosen ÖPNV. Dies ist in Zürich aufgrund des exzellenten Öffentlichen verkehrsangebots auch nicht notwendig.
- Der im Artikel genannte Fahrgastzuwachs um 50 Prozent ist so nicht richtig. Hintergrund ist die Simpson-Curtain-Regel, mit der die Elastizität für ÖPNV-Nachfrage gemessen werden kann. Diese liegt normalerweise bei -0,3. Dies bedeutet, dass eine Verringerung der Fahrtkosten um 10 Prozent eine zusätzliche Nachfrage von drei Prozent induziert. Somit ergibt eine Reduktion des Fahrpreises auf Null Euro, also um 100 Prozent, theoretisch einen Nachfragezuwachs um 30 Prozent. Bei Versuchen diesen Effekt empirisch zu messen, wurde ein realer Nachfragezuwachs von im Schnitt etwa 50 Prozent gemessen 1. Dieser Wert wurde jedoch nur in einem begrenzten Gebiet in den USA (im Vergleich mit Europa schlechteres ÖPNV-Angebot) bestimmt und ist somit nicht ohne weitere Betrachtungen auf Europa, Deutschland oder Braunschweig übertragbar.In der belgischen Stadt Hasselt wurden innerhalb von zehn Jahren (1996 – 2006) Zuwachsraten über 1000 Prozent gemessen:
Jahr Fahrgäste Prozentsatz 1996 360 000 100% 1997 1 498 088 428% 1998 2 837 975 810% 1999 2 840 924 811% 2000 3 178 548 908% 2001 3 706 638 1059% 2002 3 640 270 1040% 2003 3 895 886 1113% 2004 4 259 008 1217% 2005 4 257 408 1216% 2006 4 614 844 1319% - Die Hauptumsteigergruppe Fußgänger und Radfahrer wurde in Templin festgestellt. Die brandenburgische Stadt Templin ist mit einem Durchmesser von fünf Kilometern allerdings auch entsprechend klein. Bei größeren Entfernungen dürfte der Fuß- und Radverkehrsanteil, der umsteigen könnte, niedriger sein.
Aktualisierung – 10.09.2012
Link zum Foliensatz aktualisiert
Aktualisierung – 24.02.2020
Video neu eingebunden
- Hodge, D.C., Orrell III, J.D., & Strauss, T.R. (1994). Fare-free Policy: Costs, Impacts on Transit Service and Attainment of Transit System Goals. Report Number WA-RD 277.1. Washington State Department of Transportation ↩