Fuß- und Radverkehr urbane Mobilität

Groningen: Die wahre Fahrradhauptstadt

Die Planung unserer Verkehrsnetze und anderer Infrastrukturen ist eine auf lange Frist angelegte Angelegenheit. Die Planungen der vergangenen Jahrzehnte haben unsere Städte geprägt. Ebenso werden heute getroffene Entscheidungen die Stadt der Zukunft nachhaltig beeinflussen.

Die Förderung des Radverkehrs ist ebenfalls eine lang dauernde Unternehmung. Zwar mögen bereits nach wenigen Jahren erste positive Effekte wie die Zunahme des Radverkehrsanteils am Berufsverkehr oder eine steigende Zahl radelnder Schüler messbar sein, eine grundlegende Neuorganisation des städtischen Verkehrs benötigt jedoch seine Zeit.

In Groningen, einer Stadt im Nordosten der Niederlande (75 km westlich von Leer (Ostfriesland)) mit knapp unter 200.000 Einwohnern, hat eine linksorientierte Regierung im Jahr 1977 das Zentrum in vier Sektoren unterteilt. Nach dem Prinzip der “gefilterten Durchlässigkeit” 1 wird der nicht-motorisierte Verkehr gefördert und der motorisierte Verkehr “herausgefiltert”, indem direkte Verbindungen zwischen den Sektoren nicht möglich sind. Stattdessen müssen Autofahrer aus dem Sektor herausfahren und den vierspurigen Ringweg nutzen, der die Innenstadt umgibt.

Groningen Autoverkehr Innenstadt Einbahnstraßen Verkehrsorganisation
Prinzip der gefilterten Durchlässigkeit im Innenstadtbereich Groningens, Umweg für den MIV – Grafik: Streetfilms

Durch den Umweg erhöht sich die Fahrzeit für den motorisierten Individualverkehr signifikant, Fuß- und Radverkehr profitieren von den direkten Verbindungen durch die Innenstadt und werden beschleunigt. Durch die Bündelung des Verkehrs sinkt zudem die Lärmbelästigung für die Anwohner (-> logarithmischer Aufbau der Dezimalskala). Anfängliche Proteste von Händlern und Gewerbetreibenden haben sich relativ schnell gelegt.

Durch die “gefilterte Durchlässigkeit” wurde das Fahrrad das mit Abstand schnellste, bequemste und günstigste Verkehrsmittel in Groningen. Dies schlägt sich unter anderem in einem Radverkehrsanteil von 50 Prozent – im Innenstadtbereich sogar über 60 Prozent – nieder. Jeder Einwohner Groningens legt im Schnitt zehn Wege in der Woche mit dem Fahrrad zurück (1,4 Wege pro Tag). Mit Einbeziehung des Umlandes beträgt der Radverkehrsanteil immerhin noch 30 Prozent.

Auch die Verknüpfung mit dem öffentlichen Verkehr ÖPNV-Anteil nur 5%), das öffentliche Fahrradverleihsystem, die Fahrradabstellanlagen am Bahnhof und in der Stadt dienen als gutes Beispiel für andere Städte. Und auch Ikea bietet spezielle Abstellflächen für Mitarbeiter und Cargobikes für seine Kunden an, um Möbel mit dem Fahrrad nach Hause transportieren zu können.

Die Probleme, die mit dem hohen Radverkehrsaufkommen entstanden sind, sollen jedoch nicht verschwiegen werden:

Groningen ist mit 50.000 Studierenden eine Studentenstadt. Die Radwege zur Universität sind daher mit bis zu 20.000 Radfahrten / Tag so stark überlastet, dass Alternativrouten ausgewiesen werden müssen. Einzelhändler, die sich entlang der Radwege angesiedelt haben, fürchten nun, dass die fahrradfahrende Kundschaft auf andere Routen gedrängt wird und den Geschäften fernbleibt.

Ein weiteres Problem ist das Abstellen der vielen Fahrräder am Hauptbahnhof sowie in der Innenstadt. Vor vielen Geschäften stehen teilweise so viele Fahrräder, dass fast kein Durchkommen mehr ist. Zudem wird es immer mehr zur Herausforderung, sein Fahrrad in der Menge der Räder zu finden.

Streetfilms hat in einem 15:36 Minuten langen Film den Radverkehr in Groningen mit all seinen Vorteilen, aber auch den Herausforderungen, dokumentiert. Ansehenswert!

  1. siehe auch MELIA, S., 2007. Eco Town Mobility. Town and Country Planning, November. und MELIA, S. 2008. Neighbourhoods Should be Made Permeable for Walking and Cycling But Not Cars. Local Transport Today, 21.01.2008
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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

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E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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ab.er
ab.er
13. Oktober 2013 21:50

Jetzt soll man sich die überlasteten Radrouten mal vorstellen, wenn statt der Radfahrer dort Autos den Verkehr übernehmen würden. Da wären alle Geschäfte am Weg längst pleite und es gäbe einen ständigen Mega-Stau.

Kai
Kai
10. Oktober 2013 22:42

Vielen Dank! Solche Dinge interessieren mich sehr. Schönes Beispiel, dass es alleine mit “wir bauen jetzt mal einen Radweg, die Radfahrer werden schon irgendwo herkommen”, nicht getan ist. Und auch dafür, dass “Copenhagenize” nicht der einzige, auch wahrscheinlich bei weitem nicht der beste Weg für erfolgreiche Radverkehrsförderung ist. Und dafür, dass Radverkehrsförderung unbedingt mit Einschränkung des Autoverkehrs zusammen zu denken ist.

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