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Hiriko Fold: Einklappbares Elektroauto für die Lösung des letzte Meile-Problems

Berlin Faltbares Elektroauto Hiriko Fold
Ein Hiriko Fold in Berlin - Foto: Deutsche Bahn
Das einklappbare Elektrofahrzeug Hiriko Fold sollte das passende Fahrzeugkonzept für den Carsharing-Einsatz werden. Bei Nichtnutzung sollte es platzsparend im eingeklappten Zustand am Straßenrand geparkt werden, im Fahrmodus etwa 100 km Reichweite bieten. Die Aufnahme der Serienfertigung war für den Frühjahr 2013 geplant, ein zweistelliger Millionenbetrag öffentliche Förderung floss in deren Aufbau. Leider sollte es anders kommen…
MIT Hiriko Fold Elektroauto
Hiriko Fold im ausgeklappten Zustand – Foto: M.I.T. Changing Places Blog

Ich werde recht oft bei Vorträgen oder Podiumsdiskussionen gefragt, wie die Zukunft des Automobils oder der gesamten Automobilbranche aussieht. Für mich ist diese Frage immer sehr schwer zu beantworten, da ich keine Glaskugel besitze und nicht in die Zukunft sehen kann. Ich möchte aber behaupten, dass Fahrzeuge in zwanzig oder dreißig Jahren nicht mehr so aussehen wie heute. Der Elektroantrieb oder der Brennstoffzellenantrieb werden sich sicherlich durchgesetzt haben, Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor werden die Ausnahme bleiben. Auch wird sich etwas an der Form der Fahrzeuge geändert haben. Wir werden bewusster mit den uns zur Verfügung stehenden Werkzeug Automobil umgehen, die emotionale Aufladung des Pkw wird ein wenig zurückgehen. Und die Fahrzeuge der Zukunft werden definitiv andere Maße haben als die heutigen. Einen ersten Vorgeschmack auf diese Entwicklung gab das einklappbare Elektrofahrzeug, welches von der Changing Places Group am MIT und DENOKINN gemeinsam entwickelt wurde.

Das Hiriko Fold getaufte Fahrzeug sollte ursprünglich ab 2013 für 16.000 Dollar angeboten werden. Hiriko ist das baskische Wort für “städtisch”. Zunächst sollte das Fahrzeug im Carsharing-Bereich eingesetzt werden. Hiriko wurde dafür intensiv auf den Straßen der spanischen Stadt Vitoria-Gasteiz getestet. Die Aufnahme der Serienfertigung war für den Frühjahr 2013 geplant. Leider sollte es anders kommen…

Hiriko Fold Fronansicht Elektrofahrzeug MIT
Frontansicht des Hiriko Fold im eingeklappten Zustand – Foto: Hiriko

Das Fahrzeugkonzept sollte ein Ansatz sein, die Lücke zwischen der Wohnung und öffentlichen Personennahverkehr, das sogenannte erste Meile-Problem sowie das letzte Meile-Problem zwischen ÖPNV und Arbeitsstelle zu schließen. In den letzten 50 Jahren ist die Zu- und Abgangsproblematik immer stärker in ihrem Umfang und ihrer Bedeutung gewachsen. Insbesondere der Zugang zu hochkapazitativen Systemen wie U- und S-Bahn ist durch lange Fußwege oftmals so unattraktiv, dass auf die Nutzung des ÖPNV gänzlich verzichtet wird. Hiriko wurde vom MIT entwickelt, um eine Lösung für dieses Problem zu finden.

Hiriko Fold MIT Elektroauto Zweisitzer faltbar
Hiriko Fold im Parkmodus – Foto: M.I.T. Changing Places Blog

Der kompakte elektrisch angetriebene Zweisitzer ist für die Fahrt in der Stadt gedacht. Bei beengten Platzverhältnissen kann die Fahrzeugfläche verringert werden, indem sich die Hinterachse unter die Fahrerkabine schiebt und diese in aufrechte Position gedrückt wird. Im ausgeklappten Zustand misst das Fahrzeug 2,5 Meter Länge, im Parkmodus verringert sich die Länge auf gut 1,5 Meter. Ein- und Ausstieg erfolgen von vorne. Im Vergleich zum Smart Fortwo ist der Hiriko Fold etwa 20 Zentimeter kürzer.

Die Räder können um bis zu 80 Grad geschwenkt werden, sodass sich das Fahrzeug auf der Stelle um die eigene Achse drehen kann. Dadurch wird das Einparken am Straßenrand komfortabler und ist mit weniger Rangieren zu bewerkstelligen. Der Hiriko Fold benötigt etwa ein Drittel der Fläche, die ein normales Fahrzeug benötigt.

In den Rädern befinden sich jeweils ein Elektromotor mit 14,7 KW (20 PS), die Federung, die Bremsanlage und die Lenkung. Durch Drive-by-Wire benötigen die Räder nur eine Daten-, Energie- und mechanische Verbindung zum Fahrzeugchassis. Die Batteriepacks werden geleast und speichern Energie für 100 Kilometer Reichweite. Die Lithium-Ionen-Batterien sollen nur 15 Minuten zum vollständigen Aufladen benötigen. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 50 km/h. Das Leergewicht beträgt um die 500 Kilogramm.

Der Hiriko Fold ist die kommerzielle Anwendung des CityCar-Projekts des M.I.T. Die anfängliche Förderung durch General Motors endete 2008. Der ursprüngliche Ideengeber, Prof. William J. Mitchell, starb im Jahr 2010. Das Projekt wurde im Anschluss von Prof. Kent Larson geleitet. Die Fertigung verantwortete der Belgier Armando Gaspar, der zuvor bei Daimler beschäftigt war.

Um das Fahrzeug bauen zu können, schlossen sich hauptsächlich spanische Unternehmen zu einem Konsortium zusammen. An diesem waren die folgenden Unternehmen beteiligt: Guardian (Glaskomponenten), Maser-Mic (Elektrotechnik / Mechatronik), FORGING PRODUCTS (Aluminiumchassis), tmarakistain (tragende Elemente und Fronttüren), SAPA PLACENCIA (elektrischer und mechanischer Antrieb), ingeinnova (Fertigung) und BRW – BASQUE ROBOT WHEELS (Reifen und Lenkung).

Hiriko Fold auf Testfahrt in Vitoria-Gasteiz:

Die Geschichte des Scheiterns

Im Jahr 2012 wurde der Hiriko Fold vom damaligen EU-Kommissionspräsident José Manuel Durão Barroso als Möglichkeit gefeiert, der in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise am Boden liegenden spanischen Industrie neue Impulse zu geben. 16 Monate später stand das Konsortium vor dem Kollaps. Kein einziges Fahrzeug sollte in Serie gefertigt werden. Dafür wurden Millionen Euro Steuermittel wortwörtlich verschwendet.

Die spanische Regierung förderte das Vorhaben mit 14,7 Millionen Euro, die baskische Regionalregierung mit weiteren 2,7 Millionen Euro. Ein Geflecht aus undurchsichtigen Verträgen und sechs Geschäftsmännern, die Subunternehmen ohne Mitarbeitern Aufträge zuspielten oder das Unternehmen zu marktunüblich hohen Mieten in eigenen Geschäftsräumen einquartierten, trugen jedoch zum Scheitern bei.

Auf dem Papier sollten pro Jahr 24.000 – 60.000 Fahrzeuge produziert und ein Umsatz von etwa 720 Millionen Euro erreicht werden. 6.000 neue Arbeitsplätze sollten entstehen, nun sind vor allem die Gerichte mit der Aufarbeitung des Falles beschäftigt.

Die Geschäftsführung verweist auf das schwierige Marktumfeld und die Wirtschaftskrise, namentlich nicht genannte angestellte Ingenieure auf Inkompetenz, überzogene Planungen und Erwartungen sowie ein nicht funktionierendes Projektmanagement.

Von 20 geplanten Prototypen wurde nur einer gefertigt, ein weiterer zu Teilen fertiggestellt. Zwei von drei angemeldeten Patenten wurden aufgrund der hohen Kosten nie angewendet, der Prototyp in einer einfacheren Variante gebaut.

Aktualisierungen

Aktualisierung – 24.10.2012

Die Deutsche Bahn wird den Hiriko Fold im Rahmen des Projektes BeMobility 2.0 des Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) ab Herbst 2013 erproben. Das Fahrzeug soll 2014 in das DB-Carsharing-Angebot Flinkster aufgenommen werden.

Aktualisierung – 20.12.2012

Die beteiligten Unternehmen planen die Aufnahme der Serienfertigung für Frühjahr 2013. Der Hiriko Fold soll der Öffentlichkeit erstmals auf dem Genfer Auto-Salon (07.03 – 17.03.2013) vorgestellt werden.

Aktualisierung – 21.04.2015

Die Geschichte des Scheiterns

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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Jan
Jan
25. April 2015 10:32

Für mich das vielversprechendste Konzept für ein zukunftsfähiges Auto, das ich bislang gesehen habe – gerade weil es nicht das Auto ist, das Michael Lebens fordert: Mit 100km/h Höchstgeschwindigkeit wäre es viel schwerer, teurer und ineffizienter. Das wäre dann ein Einsatzbereich für ein anderes Auto, das auf die Hochstellfunktion verzichten kann.
Durch die Reduktion auf einen Einsatzzweck können enorm Kosten gespart werden, gerade im Gegensatz zu den derzeitigen Car2go-Smarts – Teuer, Ineffizient und laut – ein Gewinn. Im städtischen Kontext ist die Höchstgeschwindigkeit keine Beschränkung, da man eh nicht schneller fahren darf. Wobei die Frage ist, wann man im verdichteten städtischen Kontext zukünftig überhaupt noch ein Auto braucht.
Etwas mutlos finde ich die Reichweite von 100km – aber das ist wohl der Fluch von Henne und Ei: Das Fahrzeug macht vor allem als Carsharing-Auto in einem definierten Einsatzbereich Sinn, d.h. dieser Bereich wäre vergleichsweise leicht mit passenden Ladestationen auszustatten – es müssen auch nicht überall gleich die 15min-Stationen sein, 3kW sind eher verfügbar als 50kW. Dann könnte man den Akku halbieren, hätte geringere Herstellungskosten und nochmal geringeren Energieverbrauch – auf der anderen Seite werden dann die Anfangsinvestitionen noch höher.
Sehr schön finde ich, dass das Platzproblem nicht ignoriert wurde – viele Diskussionen um Mobilität vergessen dieses leider.

Martin
Martin
22. April 2015 21:45

Unglaublich. Die Idee war großartig. Wie sieht das Patentrechtlich aus. Könnte theoretisch eine andere Firma die Idee mit dem zusammenschiebaren Auto zur Marktreife bringen?

Michael Lebens
Michael Lebens
29. November 2012 11:15

Ich finde das Konzept sehr interresant,aber wahrscheinlich nur in großen Ballungzentren,weil man Ihn nur als Zweitwagen nutzen kann.Für leute die nicht so finanzstark sind,die sich nur ein Auto leisten können wäre es schön wenn man bei gleicher Reichweite 100km/h fahren könnte um auch mal einen Ausflug am Wochenende zu machen.Da die ladezeit nur 15 min beträgt und wenn selbst 1std wäre es möglich.Das würde die Vielseitigkeit erhöhen.Außerdem betreibe ich eine Solaranlage womit dieses Fahrzeug fü mich noch interresanter wäre

Michael

sven
16. August 2012 07:57

Mir ist der Zusammenhang zur Ersten-Meile-Problematik ehrlich gesagt überhaupt nicht klar geworden. Wenn Hiriko einigermaßen komfortabel nutzbar ist und mich in gängiger Geschwindigkeit durch die ganze Stadt befördern kann, warum sollte ich Hiriko dann nur bis zur nächsten ÖPNV-Station nutzen? Ich denke das funktioniert nicht.

Der Ansatz, die benötigte Stellfläche durch einen Faltmodus nahezu zu halbieren, ist jedoch ziemlich charmant.

Sven

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Zukunft Mobilität hat den Grimme Online Award 2012 in der Kategorie Information erhalten. Ich möchte mich bei all meinen Lesern für die Unterstützung bedanken!

PUNKT Preisträger 2012

Zukunft Mobilität hat den PUNKT 2012 der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) in der Kategorie "Multimedia" gewonnen.

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Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) hat mich im Rahmen der VDV-Jahrestagung 2013 in Mainz als “Talent im ÖPNV” des Jahres 2013 ausgezeichnet. Der VDV vertritt rund 600 Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehrs, des Schienenpersonennahverkehrs, des Schienengüterverkehrs, der Personenfernverkehrs sowie Verbund- und Aufgabenträger-Organisationen.

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Verfasst von:

Randelhoff Martin

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
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