Eisenbahn Infrastruktur

Ein Bahnprojekt im Kostenrahmen: Der Katzenbergtunnel

Eine Anmerkung vorab: Verkehrsinfrastrukturprojekte wie Stuttgart 21 oder der Flughafen Berlin Brandenburg (BER) lassen in der Öffentlichkeit zu meinem Bedauern das Bild entstehen, dass wir in Deutschland nicht mehr in der Lage sind, Infrastrukturprojekte innerhalb des Kostenrahmens durchzuführen. Als Folge dieser Fehlentwicklung ist zu beobachten, dass Projekte mit Verweis auf eben jene im Bau bzw. in der vorbereitenden Bauplanung misslungenen Großprojekte grundsätzlich abgelehnt werden, ohne den speziellen Charakter des jeweiligen Bauprojekts genauer zu betrachten. Dies halte ich persönlich aus verschiedenen Gründen für gefährlich. In Deutschland ist man sehr wohl in der Lage, große Bauprojekte trotz Schwierigkeiten in der Bauausführung, Finanzierungsproblemen und einer langen Diskussion mit Anwohnern und Betroffenen durchzuführen. Der Katzenbergtunnel im Südwesten Deutschlands ist dafür ein gutes Beispiel.

Am 4. Dezember 2012 wurde der Katzenbergtunnel zwischen Bad Bellingen und Efringen-Kirchen eröffnet. Der Tunnel, Teil der Ausbau- und Neubaustrecke Karlsruhe–Basel, ist mit einer Länge von 9385 Metern der drittlängste Eisenbahntunnel und der längste Zweiröhrentunnel Deutschlands. Durch den Tunnel soll die Kapazität der Rheintalbahn in diesem Abschnitt erhöht und das Hindernis “Isteiner Klotz” umfahren werden. Der Tunnelbau ist notwendig geworden, da die gesamte Rheintalstrecke durchgängig viergleisig ausgebaut und unterschiedlich schnelle Verkehre entflochten werden sollen. Die Strecke dient als Zulauf des im Bau befindlichen alpenquerenden Tunnel des NEAT-Projekts in der Schweiz (Gotthard-Tunnel), für den dringend neue Kapazitäten geschaffen werden müssen. Zudem wird die Lärmbelästigung der Anwohner insbesondere durch die Verlagerung des Güterzugverkehrs in den Tunnel verringert.

Karte Katzenbergtunnel Bahn
Katzenbergtunnel mit anschließenden Streckenabschnitten (rot) und Anbindungen an die Bestandsstrecke (grau)

Die Diskussion um den Streckenausbau begann bereits in den frühen 1980er Jahren. Das Raumordnungsverfahren für den Streckenabschnitt Schliengen–Basel, zu dem der Tunnel gehört, wurde 1987 begonnen und verschiedene Varianten abgewogen. Unter anderem war auch eine Streckenführung unmittelbar östlich entlang des Rheins, die sogenannte “Rheinvorlandvariante” diskutiert.  Im Raumordnungsbeschluss vom 24. Februar 1989 wurde die Rheinvorland-Variante abgelehnt und die Katzenberg-Variante favorisiert. 1998 wurden die Baukosten mit 1,3 Milliarden DM, umgerechnet 665 Millionen Euro, angegeben.

Das nach dem Planungsprozess durchgeführte Planfeststellungsverfahren wurde am 22. November 2002 beendet. Die Vergabe der Baumaßnahmen erfolgte im Anfang 2003 an die Arbeitsgemeinschaft Katzenbergtunnel. Am 1. September 2003 begannen offiziell die Bauarbeiten, mit der Fertigstellung wurde 2007 gerechnet.

Kurz nach Aufnahme der Bauarbeiten kam das Projekt jedoch ins Stocken. Aufgrund von Verzögerungen und Neupriorisierungen in der Verkehrswege-Bedarfsplanung ruhten die Bauarbeiten im Jahr 2004 für knapp fünf Monate bis August 2004.

Der Katzenbergtunnel wurde als 2-Röhren-Tunnel konzipiert und verfügt somit über zwei jeweils eingleisige parallel geführte Tunnelröhren (Ost und West). Diese werden zusätzlich im Abstand von ca. 500 m durch so genannte Querschläge / Verbindungsstollen mit einem Querschnitt von ca. 20 m2 , welche mittels konventionellen Vortriebs nach der Neuen Österreichischen Tunnelbauweise (NÖT) in Spritzbetonbauweise aufgefahren werden, miteinander verbunden.

Der Einbau der Tübbingteile (gefertigt aus wasserundurchlässigen B 65-Beton) zur Sicherung des Hohlraumes erfolgt unmittelbar nach dem Auffahren mit dem Erektor, einem Montagekran als festem Bestandteil der Vortriebsmaschine. Diese Ausbauart ist gleichzeitig Sicherung, Abdichtung und Innenausbau des Tunnels. Die sieben Teilstücke werden von der Sohle aus nacheinander eingebaut und miteinander verschraubt. Der 17 – 25 cm breite Spalt zwischen Gestein und Tübbing wird mit Mörtel verpresst.

Der Zusammenbau der beiden Vollschnitttunnelbohrmaschinen der Firma Herrenknecht benötigte wiederum ein Jahr. Der Vortrieb der östlichen Röhre begann im Juni 2005, der Vortrieb der westlichen Röhre im Oktober 2005. Aufgrund verschiedener Probleme mit Grundwassereinbruch kam der Vortrieb kurz zum Stocken, der Durchbruch soll aber dennoch acht und vier Monate vor geplanter Fertigstellung erfolgt sein. Der Kostenrahmen soll um zehn Prozent überschritten worden sein.

Video des Rohbaus (ab Minute 01:20)

Der Tunnel wurde im Dezember 2010 im Rohbau fertiggestellt. Der Einbau der festen Fahrbahn war in der Weströhre im Oktober 2011 weitgehend abgeschlossen und im März 2012 in der Oströhre beendet. Die Fahrleitung (Fertigstellung: Mai 2012), die Leit- und Sicherungstechnik sowie die rettungstechnischen Anlagen wurden in Anschluss eingebaut.

Der Katzenbergtunnel wurde insgesamt fünf Jahre später als geplant fertiggestellt. Die Baukosten betrugen inklusive Anbindung an das bestehende Netz rund 610 Millionen Euro und hat damit 55 Millionen Euro weniger als im 1998 festgelegten Budget gekostet. 1

Die Kosten für den Tunnelrohrbau sind dennoch von 250 Millionen Euro Vergabesumme um 90 Millionen Euro auf 340 Millionen Euro gestiegen. Da ursprünglich jedoch der Tunnelvortrieb mit herkömmlicher Sprengtechnik und nicht mit dem günstigeren Schildvortrieb durchgeführt werden sollte, wurden die ursprünglichen Baukosten auf 335 Millionen Euro budgetiert. In der Rohbauphase ist daher nur eine Kostenüberschreitung von fünf Millionen Euro entstanden. (Anmerkung: Die Schlussrechnung der DB Netz AG bzw. der DB Projektbau liegt noch nicht vor. Die Erstellung kann durchaus bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen. Die Ergebnisse werden üblicherweise nicht veröffentlicht. Bei der Bezifferung der Kosten muss ich mich daher auf die offiziellen Verlautbarungen der DB Netz AG stützen, die leider nicht nachprüfbar sind.)

Der Bau des Katzenbergtunnels ist wegen der vielen technischen Neuerungen und speziellen Bauweise ein gutes Beispiel für ein deutsches Infrastrukturprojekt, das trotz seiner Komplexität im Kostenrahmen geblieben ist.

Die eisenbahntechnische Ausrüstung des Katzenbergtunnels

Das folgende Video der DB Netz AG listet nochmals die verschiedenen eisenbahntechnischen Ausrüstungselemente auf, die im Katzenbergtunnel erstmals in Deutschland verbaut wurden. Auch als eisenbahntechnischer Laie kann man die Komplexität eines solchen Projektes nochmals nachvollziehen, die durchaus Verzögerungen und Kostensteigerungen hervorrufen kann.

Durchfahrt durch den Katzenbergtunnel

Das folgende Video zeigt die Durchfahrt durch den Katzenbergtunnel aus Führerstand. Die Ausfädelung auf die Ausbausstrecke erfolgt ab Minute 00:31, die Tunneleinfahrt ab Minute 03:26, die Tunnelausfahrt geschieht zu Minute 09:09 und die Einfädelung in die Bestandsstrecke zu Minute 10:50.

  1. Meldung Ausbau-Probleme. In: Eisenbahn-Revue International, Ausgabe 4, 1998, ISSN 1421-2811, S. 115
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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
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