Eine neue Untersuchung aus den Niederlanden liefert empirische Daten, dass die politisch gewollte Wirkung von Park + Ride-Anlagen nicht in allen Fällen erreicht wird und sogar gegenteilige Effekte, d.h. eine Attraktivierung des motorisierten Individualverkehrs (kurz: MIV; Pkw und motorisierte Zweiräder), beobachtet werden können. Giuliano Mingardo, Senior Researcher für Verkehrswirtschaft an der Erasmus Universität Rotterdam, hat in einem Paper die Wirkung von Park and Ride-Plätzen in Rotterdam und Den Haag untersucht.1
Im Allgemeinen sollen mit P+R unterschiedliche Wirkungen erzielt werden. “Fern-Park+Ride-Anlagen” sollen Autofahrer bereits am Anfang ihrer Fahrt ansprechen, d.h. sie sind in suburbanen Räumen in der Nähe von Wohngebieten verortet. Park + Ride-Anlagen in der Peripherie sollen die Fahrt unterbrechen, bevor sie in das Stadtgebiet einfahren und ihr Ziel erreichen. Diese Art der Anlage ist an Stadträndern zu finden. Lokale P+R-Plätze dienen der Erschließung eines bestimmten Gebietes und sollen die Fahrt an einer Stelle zwischen Start und Ziel unterbrechen. Diese P+R-Art befindet sich meistens entlang eines wichtigen Verkehrsweges und ist in einem unbewohnten suburbanen Gebiet wie einem Gewerbegebiet o.ä. verortet.
Park + Ride-Anlagen sollen im Allgemeinen eine Art Kompromiss zwischen MIV und ÖPNV darstellen und Autofahrten im Stadtgebiet auf den ÖPNV verlagern. Seit den 1980er Jahren werden Park + Ride-Plätze mit dieser Intention errichtet. In den vergangenen Jahrzehnten konnten jedoch mehrfach unbeabsichtigte Wirkungen festgestellt werden, die den Nutzen von Park+Ride-Anlagen teilweise in Frage stellen.
Dickins (1991) stellte bereits 1991 fest, dass Park + Ride-Plätze aufgrund des induzierten Verkehrs zu Mehrverkehr führen können 2 Parkhurst stellte eine räumliche Neuverteilung des Verkehrs statt einer Verkehrsreduktion für europäische Park + Ride-Anlagen fest 3. Topp (1995) 4 und Meek et al. (2009 5, 2010 6) kamen zu ähnlichen Ergebnissen.
Mingardo versuchte nun, diese anhand einer Nutzerbefragung in den Niederlanden zu referenzieren. In den Jahren 2008 und 2009 wurden 738 Nutzer von neun Park+Ride-Anlagen nahe Den Haag und Rotterdam zu ihrer Nutzung befragt. Die Befragung wurde an Werktagen in den Abendstunden durchgeführt. Die Größe der P+R-Anlagen differenziert sich zwischen 15 und 730 Stellplätzen. Die Parkanlagen sind waren entweder per Bus oder per schienengebundenen ÖPNV an die Städte angebunden. Die Befragung richtete sich auf das Nutzerverhalten, wenn die P+R-Anlage nicht existieren würde. Des Weiteren wurde gefragt, wie Nutzer auf Parkgebühren auf den P+R-Plätzen in Höhe von 1-2 Euro in Rotterdam und 3-4 Euro in Den Haag (Differenzierung hinsichtlich des Gebührenniveaus in den Innenstädten) reagieren würden. An fünf der neun Anlagen wurden zudem Beobachtungen durchgeführt, ob es zu einer unbeabsichtigten Nutzung der Park+Ride-Anlage als Parkplatz in der Nähe ihres Zieles (Park + Walk) kommt.
Rotterdam
In Rotterdam nutzen 47,3 Prozent der Nutzer vier- bis fünfmal in der Woche das P+R-Angebot. Der Großteil der Befragten nutzte die Anlage jedoch maximal einmal in der Woche. Die Befragten hatten zum Großteil das Ziel Rotterdam, fuhren aber auch mit der Bahn weiter nach Utrecht, Amsterdam, etc. 90 Prozent der Fahrten waren Alleinfahrten. Hauptgrund für die Nutzung der Anlagen waren ein höherer Komfort (34,2 Prozent), niedrigere Wegkosten (27,7 Prozent) und eine geringere Reisezeit (23,7 Prozent).
Wären die Rotterdamer Park and Ride-Anlagen nicht vorhanden, würden die Nutzer
- zu 23,4 Prozent den Gesamtweg mit dem Pkw zurücklegen (beabsichtigter Effekt)
- zu 30,6 Prozent den Gesamtweg mit dem ÖPNV zurücklegen (unbeabsichtigter Effekt, die P+R-Anlage ermöglicht die Fahrt mit dem Pkw auf der ersten Teilstrecke)
- zu 3,7 Prozent den Gesamtweg mit dem Fahrrad zurücklegen (unbeabsichtigter Effekt, Verlagerung von Radverkehr hin zum MIV)
- 39,7 Prozent hätten den Weg nicht unternommen. Dieser hohe Wert kommt dadurch zustande, dass P+R-Anlagen in Rotterdam schon lange existieren und die Befragten vorher auf dieser Strecke nicht unterwegs waren (Schule statt Arbeitsplatz, o.ä.)
Die meisten Nutzer wechselten von einer alleinigen ÖPNV-Nutzung zu einer Kombination aus Pkw und ÖPNV aufgrund des höheren Komforts (37,3 Prozent) und einer höheren Reisegeschwindigkeit (32,5 Prozent). 18,2 Prozent dieser Nutzergruppe waren zudem der Meinung, dass eine Kombination aus Pkw und ÖPNV günstiger für sie sei als eine Nutzung des ÖPNV für die Gesamtstrecke (subjektive Wahrnehmungsverzerrung der Pkw-Kosten). Die meisten Radfahrer stiegen aus Komfortgründen auf eine Kombination aus MIV und ÖPNV um, in 15 Prozent der Fälle war eine kürzere Reisezeit Ursache für den Umstieg (d.h., Nutzer hatten vermutlich eine große Distanz zwischen Start und Ziel zurückzulegen).
Bis zu 15 Prozent der Anlagennutzer nutzten die P+R-Anlage als reinen Parkplatz. Bei einer Einführung von Parkgebühren in Höhe von 1-2 Euro würden über die Hälfte der Nutzer die P+R-Anlagen weiternutzen, 13,7% würden für die Gesamtstrecke den Pkw nutzen, 16,3% den ÖPNV und sechs Prozent das Fahrrad.
Den Haag
In Den Haag ist ein Anteil in Höhe von 77,8% mit dem Arbeitsweg verbunden, nahezu 99 Prozent dieser Nutzer nutzen die Anlage nur an Werktagen. Der Anteil der Freizeitnutzer in Höhe von 11,9 Prozent nutzt die Anlage zu 78,3 Prozent nur an Wochenenden. 90 Prozent der Nutzer waren Alleinfahrer.
Der Großteil der Nutzer (68,6%) fährt nicht in das Stadtgebiet von Den Haag, sondern bleibt in den Randgebieten der Stadt (Fernfunktion).
In Den Haag nutzen 48,1 Prozent der Nutzer vier- bis fünfmal in der Woche das P+R-Angebot. Fast alle Freizeitnutzer nutzten die Anlage jedoch maximal einmal in der Woche (95,7 %). Hauptgrund für die Nutzung der Anlagen waren ein höherer Komfort (42,2 Prozent) und eine geringere Reisezeit (25,0 Prozent).
Wären die Den Haager Park and Ride-Anlagen nicht vorhanden, würden die Nutzer
- zu 19,0 Prozent den Gesamtweg mit dem Pkw zurücklegen (beabsichtigter Effekt)
- zu 37,0 Prozent den Gesamtweg mit dem ÖPNV zurücklegen (unbeabsichtigter Effekt, die P+R-Anlage ermöglicht die Fahrt mit dem Pkw auf der ersten Teilstrecke)
- zu 5,3 Prozent den Gesamtweg mit dem Fahrrad zurücklegen (unbeabsichtigter Effekt, Verlagerung von Radverkehr hin zum MIV)
- zu 20,1 Prozent mit dem Pkw in der Nähe einer anderen ÖPNV-Haltestelle parken und das gleiche Nutzungsverhalten zeigen
- zu 16,9 Prozent mit dem Fahrrad zu einer anderen Haltestelle fahren und dann den ÖPNV nutzen (unbeabsichtigter Efffekt, teilweise Verlagerung vom Radverkehr)
- 1,6 Prozent würden auf den Weg verzichten
Es zeigt sich, dass in Den Haag Park and Ride-Anlagen den Parkdruck in Nähe von Haltestelle absorbieren und daher einen zusätzlichen positiven Effekt insbesondere auf Wohngebiete haben.
Die meisten Nutzer wechselten von einer alleinigen ÖPNV-Nutzung zu einer Kombination aus Pkw und ÖPNV aufgrund des höheren Komforts (45,6 Prozent). 13,2 Prozent dieser Nutzergruppe waren zudem der Meinung, dass eine Kombination aus Pkw und ÖPNV günstiger für sie sei als eine Nutzung des ÖPNV für die Gesamtstrecke (subjektive Wahrnehmungsverzerrung der Pkw-Kosten). Die meisten Radfahrer stiegen aus Komfortgründen auf eine Kombination aus MIV und ÖPNV um (50 Prozent), in zehn Prozent der Fälle war eine kürzere Reisezeit Ursache für den Umstieg (d.h., Nutzer hatten vermutlich eine große Distanz zwischen Start und Ziel zurückzulegen).
Auf zwei P+R-Anlagen konnte eine massive Fehlnutzung (50 und 81 Prozent) festgestellt werden, da Angestellter zweier großer Unternehmen in unmittelbarer Nähe die P+R-Anlagen als Parkplatz nutzen. Die Nutzung ist jedoch mit der Stadtverwaltung abgesprochen gewesen.
Bei Einführung von Parkgebühren in Höhe von 3-4 Euro würden nur noch 22,3 Prozent der Befragten weiterhin das P+R-Angebot nutzen, 11,4 Prozent würden den Gesamtweg mit dem Pkw zurücklegen, 21,2 Prozent den ÖPNV nutzen. 16,6 Prozent der Befragten würden versuchen in der Nähe einer anderen Haltestelle zu parken und 24,4 Prozent würden mit dem Fahrrad zu einer nahegelegenen Haltestelle fahren. Alle Freizeitnutzer würden auch mit Parkgebühren weiterhin die P+R-Anlage nutzen.
Fazit
Die Untersuchung hat gezeigt, dass Park + Ride-Anlagen einen Teil des ÖPNV und des Radverkehrs im ersten Teil der Wegstrecke auf den MIV bzw. beim Radverkehr auf MIV und ÖPNV verlagern. Dieser unbeabsichtigte negative Effekt ist vergleichsweise groß. Ein weiteres interessantes Ergebnis der Befragung ist die recht hohe Akzeptanz von Parkgebühren auf P+R-Anlagen. Zwar differenziert sich der Zustimmungsgrad zwischen einzelnen Anlagen insbesondere aufgrund ihrer Lage, dennoch sollten Kommunen eine entgeltliche Nutzung der Anlagen durchaus als Refinanzierungsmittel prüfen lassen. Zudem lassen sich mit Parkgebühren die unbeabsichtigten Effekte von P+R-Anlagen mindern: Frühere Rad- und ÖPNV-Nutzer würden zu ihrer ursprünglichen Verkehrsmittelwahl zurückkehren, während ehemalige MIV-Nutzer zur Zahlung von Parkgebühren bereit sind. Die Entscheidung zur Einführung von Parkgebühren sollte jedoch eine Einzelfallentscheidung bleiben, da sich der Parkdruck um die jeweilige Anlage erhöhen kann bzw. die Pkw-Nutzung auf der Gesamtstrecke steigt.
Besonders interessant ist der beobachtete Unterschied zwischen den einzelnen P+R-Typen.
Der Bau von P+R-Anlagen in der Peripherie führt zu einem negativen Nettoeffekt hinsichtlich der zusätzlichen Fahrleistung und Fahrzeugemissionen. Da dieser Art der P+R-Anlage den Fahrer erst relativ kurz vor dem Ziel zu Umstieg auf den ÖPNV bewegen soll, ist der negative Effekt durch eine Verlagerung vom ÖPNV / Rad auf den MIV besonders groß. Dieser Effekt kann auch durch die Nutzung des ÖPNV im zweiten Teil der Wegstrecke nicht kompensiert werden. Periphere P+R-Anlagen haben daher den negativen Effekt, dass sie die Verlagerung hin zum MIV im ersten Teil der Wegstrecke fördern und daher einen übermäßig großen negativen Effekt hervorrufen. Der wohnortnahe Bau von P+R-Anlagen ist aus verkehrlichen und ökologischen Gründen daher eindeutig vorzuziehen!
Eine Anmerkung zum Schluss: Dieser Artikel soll keinesfalls eine Argumentation gegen Park+Ride-Angebote sein. Es ist vielmehr ein Plädoyer für Städte und Gemeinden, die Wirkung der Anlagen auf den Verkehr zu überwachen und wenn notwendig entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Der reine Bau eines Parkplatzes mit ÖPNV-Anbindung ist keinesfalls ausreichend!
- Mingardo, Giuliano: Transport and environmental effects of rail-based Park and Ride: evidence from the Netherlands, In: Journal of Transport Geography Volume 30, Juni 2013, Seiten 7–16 – http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0966692313000185 ↩
- Dickins, I.S.J., 1991. Park and Ride facilities on light rail systems. Transportation 18 (1), 23–36. ↩
- Parkhurst, G., 1995. Park and Ride: could it lead to an increase in car traffic? Transport Policy 2 (1), 15–23. ↩
- Topp, H.H., 1995. A critical review of current illusions in traffic management and control. Transport Policy 2 (1), 33–42. ↩
- Meek, S., Ison, S., Enoch, M., 2009. Stakeholder perspectives on the current and future roles of UK bus-based Park and Ride. Journal of Transport Geography 17 (6), 468–475. ↩
- Meek, S., Ison, S., Enoch, M., 2010. UK local authority attitudes to Park and Ride. Journal of Transport Geography 18 (3), 372–381. ↩
P+R halte ich auch für eine sehr sinnvolle Sache! Ich versuche auch möglichst viele Öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen oder es zumind zu verbinden mit dem Auto, wenn es Sinn macht.
Eine andere Möglichkeit ist folgende: http://comfort-airport-parking.de/ . Die nutze ich, wenn ich in den Urlaub fliege.
Aber so ansich sind die park and ride Möglichkeiten doch super. besser als wenn die ganze stadt etc zugeparkt wird. und so hat man wenigstens eine einfache Möglichkeit sein Fahrzeug abzustellen.