Straßenverkehr Studien Umwelt urbane Mobilität

[Fakt der Woche] Radfahrer in Städten inhalieren pro Atemzug Millionen von Feinstaubpartikeln

Artikelaktualisierung Zukunft MobilitätAlles Wissenswerte zum Thema Luftverschmutzung durch den Verkehr, Feinstaub, Luftreinhaltepläne und Umweltzonen finden Sie in unserem Dossier.

Eine verstärkte Nutzung des Rades statt des Autos würde die Umweltverschmutzung durch den Verkehrssektor verringern und gleichzeitig die Gesundheit sowie die Luft- und Lebensqualität verbessern. Leider sind Radfahrer nicht die einzigen Verkehrsteilnehmer.

Fahrradfahrer leben im Straßenverkehr gefährlich. Durch ihre exponierte Lage und die nicht vorhandene Knautschzone sind sie häufiger Opfer von tödlichen Verkehrsunfällen. Aber auch andere Gefahren drohen.

Belgische Wissenschaftler haben bei Messungen nachweisen können, dass Fahrradfahrer eine mehrfache Menge Feinstaub einatmen als andere Verkehrsteilnehmer1. Im Verkehr produzieren Dieselmotoren, aber auch Reifen- und Bremsabrieb sowie der Abrieb des Straßenasphalts Feinstaub. Studien haben bereits ergeben, dass Partikel, die durch Verbrennungsmotoren emittiert werden, giftiger und gesundheitsschädlicher sind als andere Partikel in der Atmosphäre. Während einer Fahrradfahrt im Straßenverkehr setzen sich Radfahrer kurzzeitig einer hohen Dosis Feinstaub aus. Dies führt auf längere Sicht zu einem erhöhten Risiko an Lungen- und Herzerkrankungen zu erkranken. Des Weiteren scheinen Neuronen und Gliazellen im Gehirn geschädigt zu werden.

Das Fahrradfahrer mehr Feinstaub als Autofahrer einatmen ist auf den ersten Blick nicht verwunderlich. Was jedoch überrascht ist die Menge an eingeatmeten Nanopartikeln, die in der belgischen Studie gemessen wurde.

Autofahrer, die für den Großteil des Feinstaubausstoßes verantwortlich sind, atmen im Schnitt vier bis neun Mal weniger Feinstaubpartikel ein als Radfahrer. Die Wissenschaftler haben für ihre Messung mit einer Apparatur die Partikelanzahl und ihre Größe (Partikel unter 10 bzw. unter 2,5 Mikrometer) gezählt, die Menschen in der Minute einatmen. Dazu wurde auch die Atemfrequenz, die eingeatmete Sauerstoffmenge, der Blutdruck und das Atemvolumen von 55 Versuchspersonen – alle Nichtraucher – in den Städten Brüssel, Mol und Louvai-la-Neuve erfasst. Mit diesen Daten kann das Volumen der ein- und ausgeatmeten Luft bestimmt werden. Daraus lässt sich wiederum die Menge an Partikeln herleiten, die eingeatmet wurden sowie die Menge an Feinstaub, die in den Lungen verbleibt. Die Messungen wurden zuerst in einem Auto mit geschlossenen Fenstern und abgeschalteter Klimaanlage durchgeführt und danach auf derselben Strecke mit einem Fahrrad.

Das Ergebnis war zu erwarten: Fahrradfahrer inhalieren mit jedem Atemzug Zigmillionen der gefährlichen Feinstaubpartikel. Maximal wurden 100.000 Partikel je eingeatmeten Kubikzentimeter Luft gemessen. Dieser Wert liegt 400 – 900 Prozent über dem Wert, den Autofahrer auf dieser Strecke maximal eingeatmet haben. In der belgischen Stadt Mol, eine Kleinstadt mit etwas über 34.000 Einwohnern, atmen Fahrradfahrer pro Meter etwa 1,1 Millionen Partikel ein, in Brüssel (eine Million Einwohner) sind es 5,5 Millionen. Damit lag die Feinstaubbelastung in Brüssel drei Mal so hoch wie in den anderen beiden Städten.

Diese Hauptfaktoren sind für die höhere Feinstaubbelastung von Radfahrern ursächlich:

  • Da Fahrradfahrer aufgrund der körperlichen Anstrengung schneller und tiefer atmen, erhöhen sie automatisch die Luftmenge, die sie inhalieren. Dadurch gelangen ebenfalls mehr Feinstaubpartikel in die Lunge. Die Testkandidaten atmeten auf dem Fahrrad 4,3 Mal so viel wie im Auto.
  • Die Fahrzeit und somit die Dauer, die ein Fahrradfahrer der erhöhten Feinstaubbelastung ausgesetzt ist, ist höher als bei einer Autofahrt, da die Geschwindigkeit des Radfahrers auf derselben Strecke geringer ist als die des Autofahrers (Stau und Hauptverkehrszeiten ausgenommen).

Die Ergebnisse dieser Studie lassen die Schlussfolgerung zu, dass Radwege in Zukunft vom Autoverkehr besser getrennt werden sollten. Städte, in denen keine Radwege existieren und Radfahrer sich direkt in den Straßenverkehr einordnen müssen, sollten Radwege errichten. Die Feinstaubbelastung hinter einem Auspuff ist um ein Vielfaches höher als neben der Straße. Des Weiteren sollten Maßnahmen ergriffen werden, die Emissionen – insbesondere den Feinstaubausstoß – von PKW weiter zu senken.

Dies ist aber kein Grund für Radfahrer, den Kopf in den Sand zu stecken! Denn: der gesündere Lebensstil und das Mehr an Bewegung verlängern die Lebenserwartung um ein Vielfaches als durch die erhöhte Feinstaubbelastung abgezogen werden muss.

Wer vom Auto aufs Fahrrad umsteigt, erhöht seine Lebenserwartung durch die regelmäßige sportliche Betätigung um 3-14 Monate, durchschnittlich 8 Monate. Das Einatmen der Abgase und Feinstaub sowie durch das erhöhte Unfallrisiko verkürzt sich die Lebenserwartung aber nur um 28 Tage. Das heißt: Radfahrer leben länger.

Und je mehr Radfahrer es gibt, desto weniger Feinstaub wird emittiert. Dadurch wird das Radfahren auch für alle anderen gesünder.

  1. Int Panis, L., de Geus, B., Vandenbulcke, G. et al. (2010). Exposure to particulate matter in traffic: A comparison of cyclists and car passengers. Atmospheric Environment. 44:2263-2270. Online im Internet, zuletzt abgerufen am 12.05.2015
Anonymous

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
6 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments
Anonym
Anonym
13. April 2021 12:33

…und jetzt warte ich auf den entsprechenden Artikel darüber, wie das für den weiblichen Teil der Gesellschaft aussieht. Hier scheinen ja nur Wissenschaftler, Radfahrer, Autofahrer und ja, einmal auch Menschen behandelt zu werden.
Die Verkehrswende muss Mobilität u.a. auch geschlechtergerecht machen, also fangen wir doch mal damit an, den anderen signifikanten Teil der Gesellschaft wenigstens mitzubenennen. Danke.

Günther
Günther
8. Dezember 2012 14:51

Guter Artikel.

Er bestärkt mich in meiner Ansicht, dass Rad- und mot. Verkehr grundsätzlich getrennt werden sollten.

Interessant wäre die Abnahme der Belastung in Abhängigkeit der Entfernung zur Fahrbahn. Da die meisten Autos den Auspuff links zur Fahrrichtung haben, also zur Fahrbahnmitte abblasen, könnten einige Meter Abstand zur Fahrbahn schon einiges bringen, vermute ich.

Interessant wäre auch die Betrachtung von Risikopersonen.

Ist es für etwa Asthmatiker oder sonstwie Lungen-/Kreislaufgeschädigten noch empfehlenswert in der Stadt zu radeln?
Wie sieht es mit schwangeren Frauen aus? Welchen Abstand sollte man bei auf dem Rad mitgeführten Kindern oder Kleinkindern mindestens zur Fahrbahn einhalten?

Müller
Müller
Reply to  Randelhoff Martin
8. August 2016 09:48

Hallo Herr Randelhoff,

Es werden mit all den Gegenmaßnahmen nur wieder die Auswirkungen behandelt, genauso wie es in der Medizin gemacht wird, “Medikamente gegen Schmerzen”, statt die eigentliche Ursache zu bekämpfen besser gesagt “den Verbrennungsmotor rigoros abschaffen,.. dann wird unser Planet wieder rein, und vor allem der Sauerstoff ist frei von Schadstoffen, das wirkt sich nicht nur auf den menschlichen Organismus aus, sondern auch auf unsere gesamte Umwelt, sie würde wieder rein werden,.. wie in einem Sauerstoffzelt,.. alle Pflanzen, Baume, unsere Nahrung,…u.s.w. würden sich wieder erholen, PS: wir Menschen sind das schlimmste Übel auf unserer Erde, wir haben den Tod bringenden Verbrennungsmotor erschaffen, aber davor gibt es noch eine schlimmere Errungenschaft,..” Die Bestie Mensch selbst”,…die alles aus Profitgier / Habgier zerstört,…erst wenn der Mensch vor einem Abgrund steht der sich auftut, wenn die Mutter Erde nicht mehr kann,.. dann ist dieser Mensch wieder
der erste, der hier vorm Absturz um Hilfe / Rettung schreit,…weil er nur an sich denkt,…statt an das, was uns allen gut tun würde,…” Die Spezie Mensch” ist das größte Übel auf unseren Planeten,…ohne sie gäbe es all diese Leiden nicht,.an unseren Mitgeschöpfen und unserer schönen Natur…!! PS: nicht Auswirkungen lindern, sondern das verursachende Übel rigoros abschaffen,.. wenn man will geht alles zu machen, aber hier geht es mal wieder um Profite, statt um unser aller Überleben,…!! einfach nur traurig…!!

Arzt
30. September 2011 14:28

Danke Martin für den Artikel. Einer Studie zur folge sollen Autofahrer wohl doch die Verkehrsteilnehmer sein, die doch am meisten ihren eigenen “Dreck” abbekommen. Ich nehme aber an, dass liegt nur dran, dass die meisten mit geöffneten Fenster fahren und eventuell noch dabei rauchen.

Ich bin selbst Radfahrer und kann diesen Artikel nur zustimmen. Gerade in Berlin merkt man den Gestank der Strasse sehr deutlich. Anbei ein kurzer und ergänzender Artikel: http://j.mp/nYt6tW

Mein Traum: Autofreies Berlin :-)

Jetzt abonnieren

4.416Fans
8.046Follower
2.618RSS-Abonnements
990Follower
  

Neue Diskussionsbeiträge

  • ArztNorbert zu News- und Diskussionsfaden März 2024DPD weitet Bahnnutzung aus https://www.paketda.de/news-dpd-bahn.html
  • ArztNorbert zu News- und Diskussionsfaden März 2024Ich kann das Fachkräfte-Gejammer nicht mehr hören. Teilweise ist das auch ein Einstellungspraxisproblem. Für manche Firmen aber auch nicht: https://www.ccbaeuml.de/aktuelles/sternstunden-bei-cc-b%C3%A4uml
  • ArztNorbert zu News- und Diskussionsfaden März 2024Minderung und Vertragsstrafe im SPNV RLP https://dokumente.landtag.rlp.de/landtag/drucksachen/9066-18.pdf
  • ArztNorbert zu News- und Diskussionsfaden März 2024https://www.hs-geisenheim.de/hochschule/mitteilungen-veranstaltungen-termine/nachrichten/archiv/detail/n/ein-radverkehrsnetz-fuer-die-mobilitaetswende-ohne-kompromisse-geht-es-nicht/ Mehr als 150 Personen nahmen an der hybriden 6. Tagung „Straße und Landschaft“ teil, zu der Hessen Mobil - Straßen- und Verkehrsmanagement, der Landesbetrieb Mobilität Rheinland…
  • ArztRandelhoff Martin zu News- und Diskussionsfaden März 2024An der schwedischen Chalmers tekniska högskola (Technische Hochschule Chalmers) wurde eine neuartige Lkw-Front aus Aluminiumwaben entwickelt, welche den Insassenschutz bei Pkw-Lkw-Kollissionen verbessern soll. In Crashtests konnten Verformungen des Pkw-Innenraums um 30 bis 60 Prozent reduziert werden. - https://news.cision.com/chalmers/r/new-truck-front…

Auszeichnungen

Grimme Online Award Preisträger 2012

Zukunft Mobilität hat den Grimme Online Award 2012 in der Kategorie Information erhalten. Ich möchte mich bei all meinen Lesern für die Unterstützung bedanken!

PUNKT Preisträger 2012

Zukunft Mobilität hat den PUNKT 2012 der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) in der Kategorie "Multimedia" gewonnen.

Logo VDV Verband Deutscher Verkehrsunternehmen

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) hat mich im Rahmen der VDV-Jahrestagung 2013 in Mainz als “Talent im ÖPNV” des Jahres 2013 ausgezeichnet. Der VDV vertritt rund 600 Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehrs, des Schienenpersonennahverkehrs, des Schienengüterverkehrs, der Personenfernverkehrs sowie Verbund- und Aufgabenträger-Organisationen.

Lizenz

Zukunft Mobilität Creative Commons

Die Inhalte dieses Artikels sind - soweit nicht anders angegeben - unter CC BY-SA 3.0 de lizensiert. Grafiken sind von dieser Lizenz aus Vereinfachungs- und Schutzgründen ausgenommen (Anwendung aufgrund der Verwendung von Grafiken / Bildern mit unterschiedlichen Lizenzen zu kompliziert) außer die CC-Lizenz ist ausdrücklich genannt.

Weitere Informationen

Verfasst von:

Arzt

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net