Analyse Eisenbahn Gastartikel Verkehrspolitik

Was hat Wasserburg am Inn mit Fernbussen zu tun?

Dies ist ein Gastartikel von Edmund Lauterbach. Wenn auch Sie Interesse haben, hier einen Gastartikel zu veröffentlichen, dann schreiben Sie uns bitte.

Die Bundesregierung hat beschlossen, die Zulassung von Fernbuslinien als Konkurrenz zur Bahn deutlich zur vereinfachen. Begründet wird die Entscheidung mit einer Stärkung des Wettbewerbs im Öffentlichen Fernverkehr.

Reisebus Setra Schweiz Fernverkehr Doppelstockbus RegulierungFoto von ponte112 @ Flickr– CC BY-NC-SA 2.0

Verkehrsunternehmen nutzen mit Schiene und Straße Betriebsmittel, die sich meist nicht in ihrem Eigentum befinden, und auf die der Zugriff unterschiedlich geregelt ist. Schon daraus ergibt sich, dass jeder Schritt einer Deregulierung im Verkehrsbereich genau abgewogen werden muss. Der Luftverkehr als weiterer Anbieter im Fernverkehr unterliegt wiederum Regeln, die stark durch die Internationalisierung des Luftverkehrsmarktes beeinflusst sind. Die Nutzung von Ressourcen, die nicht frei verfügbar sind, führt dazu, dass man sich auf eine Selbstregulierung des Marktes nicht verlassen kann.

Im Vergleich Schiene / Straße kommt hinzu, dass der Bahnverkehr aufgrund höherer Sicherheitsanforderungen nach deutlich strikteren Regeln durchgeführt wird. Dies führt neben dem erreichten Ziel einer im Vergleich zur Straße extrem geringen Unfallzahl auch zu einer weiteren Verknappung der Ressource Schienenweg. Ein Bus kann sich auf den Autobahnen relativ frei bewegen, und ist im Wesentlichen nur eingeschränkt, wenn durch mangelnde Kapazität oder Unfälle Staus entstehen. Der Zugbetreiber muss, bevor er sich überhaupt auf den Weg machen kann, zunächst einmal Trassen beantragen und sich dann Fahrpläne halten, die er vorher mit den Betreibern der Infrastruktur – meist DB Netz AG – abzustimmen hat. Mangelnde Kapazität und jede Art von Störung führt auch auf der Schiene sehr schnell zu weiteren Einschränkungen.

Die Möglichkeiten und Beschränkungen des Bahnfernverkehrs sind also nur sehr begrenzt mit denen des Busfernverkehrs zu vergleichen. Daher kann man auch nicht davon ausgehen, dass eine Deregulierung automatisch zu einem fairen Wettbewerb führt, von dem die Kunden Vorteile haben. Dieser Gedanke diente bisher als Begründung für die Beschränkung der Busverkehre durch ein Konkurrenzverbot zum Schienenpersonenfernverkehr (SPFV).

Eine begrenzte Deregulierung im Fernbusbereich kann angesichts der Veränderungen im Bahnmarkt der letzten Jahrzehnte – wozu auch die nicht erfüllte Hoffnung auf einen echten Wettbewerb im SPFV zählt – sinnvoll sein. Eine vernünftige Lösung setzt allerdings voraus, dass die Marktparameter, die durch den Gesetzgeber beeinflussbar sind, zwischen beiden Verkehrsformen angeglichen werden. Eine Liberalisierung, die dies nicht tut, stärkt nicht den Wettbewerb, sondern ist stattdessen wettbewerbsverzerrend. In erster Linie sind eine Maut für Fernbusse sowie Fahrgastrechte, die den Regelungen im Bahnverkehr entsprechen, als Mindestanforderungen für eine faire Gleichbehandlung zu nennen.

Die Tatsache, dass die Bundesregierung eine entsprechende Gleichstellung von Bus und Bahn erst gar nicht versucht, hat verschiedene Gründe. Neben dem ideologischen Einfluss des Liberalismus und der Hoffnung, Chancen für sogenannte mittelständische Betriebe zu schaffen, ist hier sicher auch eine entsprechende Lobbyarbeit zu nennen. Von der Deutschen Bahn AG, die neben ihrem Bahnbereich auch Deutschlands größter Busbetreiber ist, kann man bei diesem Thema nicht erwarten, dass sie eindeutig für das System Schiene Position bezieht. Die Entscheidung der DB AG den Fernbussektor zunächst nicht zu forcieren, kam recht spät und wird sicherlich abhängig vom Marktgeschehen bei Bedarf überprüft werden.

Natürlich wird die Zahl der Fahrgäste, die vom ICE auf Fernbusse umsteigen ebenso begrenzt sein, wie die Zahl der Leute, die wegen dem Fernbus ihr Auto stehen lassen. Aber in den weniger gut ausgelasteten Bereichen des Fernzugnetzes wird das gefördert, was seit Einstellung der Interregio-Züge immer wieder passiert: Fernzüge werden durch bestellten “Nahverkehr” ersetzt. Das bedeutet nicht, dass die Fernbuskonkurrenz direkt vor Ort sein muss – die finanziellen Ausgleichmöglichkeiten innerhalb des DB-Konzerns verleiten dazu, Einbußen auf stärker frequentieren Linien auf die aus Konzernsicht weniger wichtigen Strecken abzuwälzen. Letztlich wird also der Steuerzahler für die durch eine falsch durchgeführte Fernbusliberalisierung entstehenden Schäden am System Bahn zur Kasse gebeten.

Wenn nun die Länder Fernzug-Ersatzverkehre finanzieren, fehlt das Geld im eigentlichen Nahverkehr. Dies führt zu den bekannten, teilweise unzumutbaren Zuständen im Ballungsraumverkehr, und in der Fläche drohen Ausdünnungen und sogar Abbestellungen. Darum ist die Fernbusfreigabe eben auch ein Thema auf regionaler Ebene.

Panorama des bayrischen Städtchen Wasserburg am InnPanoramaaufnahme Wasserburg am Inn – Pahu @ Wikimedia Commons – CC BY-SA 3.0

In Wasserburg am Inn sammelt man gerade wieder negative Erfahrung mit dem Bemühen, die 1987 technisch stillgelegte Strecke hinab in die Altstadt für den Bahnverkehr zu reaktivieren. Wasserburg liegt in Bayern, das als großes Flächenland besonders davon betroffen ist, wegfallende Fernverkehrslinien durch Bestellung von Ersatzverkehren auszugleichen. Da man nicht weiß, wie sich diese Tendenz – auch unter den durch die Fernbusse veränderten Marktbedingungen – weiter entwickelt, wird man mit dem Budget für Nahverkehrsbestellungen entsprechend vorsichtig sein. Man darf sich daher auch nicht wundern, dass in Bayern im Vergleich zu anderen Ländern so gut wie keine Streckenreaktivierungen durchgeführt wurden.

Die Ilztalbahn, Endorf – Obing oder Schierling – Langquaid sind Beispiele, wo privates und ehrenamtliches Engagement für den Freistaat in Form von Wochenend- und Ausflugsverkehren in die Bresche springt. Die fränkische Höllentalbahn und die Wasserburger Altstadtstrecke zeigen, wie schwierig und langwierig es sein kann, wieder zu Bahnverkehr zu kommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es diesbezüglich auf Seiten des Bestellers zu einer Meinungsänderung kommt, ist durch die beschlossene Art der Freigabe des Fernbusverkehrs noch etwas geringer geworden.

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Edmund Lauterbach

Studierte Mathematik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und ist heute beruflich tätig im Bereich Software-Entwicklung. Sein Interesse für den Verkehrsträger Schiene verwirklicht er durch seine Mitgliedschaft und aktive Mitarbeit im Fahrgastverband PRO BAHN, dem Freundeskreis Rhein-Sieg-Eisenbahn, Bonn sowie als förderndes Mitglied im "Trägerverein HST" der Horber Schienen-Tage. Seine private Webseite ist hier zu finden.

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Krister
Krister
14. September 2012 23:36

Aus einigen Ländern kenne ich hervorragende Fernbussysteme (meistens in solchen, wo es auf Grund von Demografie und Geografie wenig Bahnstrecken gibt). Nach der heutigen Entscheidung für ein wenig reguliertes Fernbussystem frage ich mich u.a., wer das Geld für die zahlreichen Grundstücke in Spitzenlage (neben dem Hbf) hat, um dort moderne Busterminals zu errichten. Oder werden die Fernbusse alle an den Autobahnrastplätzen vor den Toren der Stadt enden?

Joachim Kroll
Joachim Kroll
21. Juni 2012 18:41

Das Thema Wasserburg zeigt in trauriger Weise, wo die Politik Prioritäten setzt. In einem Gutachten (http://www.pro-bahn.de/wasserburg/pbp_1103.htm) von 2011 werden die Kosten für die Wiederherstellung der Bahnstrecke mit 11 Millionen Euro veranschlagt. Das ist dem Freistaat Bayern zu teuer.
Nicht zu teuer ist hingegen, an der Station Wasserburg Bahnhof, dort wo die Stichstrecke in die Wasserburger Altstadt abzweigt, einen Bahnübergang zu beseitigen und eine Unterführung für die B304 zu bauen. Kosten: 18,1 Millionen Euro (http://www.stbaro.bayern.de/strassenbau/projekte/b0304_reitmehring.php).
Hätte man die Wasserburger Stadtstrecke gleich nach dem Dammrutsch saniert, hätte diese Reparatur damals übrigens geschätzte 100.000 DM gekostet.
Aber wo kein Wille ist, ist eben auch kein Weg.

toko
toko
1. September 2011 17:03

Da hat mal wieder die Autolobby zugeschlagen, Fahrbahnen sollen durch den Bürger Subventioniert werden, ergo sozialisiert werden, die Gewinne aber bei den privaten landen. Im Schienenverkehr muss für die Wege aber Geld abgedrückt werden. Was erwartet man von Ramsauer, Merkel, Westerwelle, CSU, CDU, FDP auch anderes?

Jürgen
9. August 2011 14:46

Informativer Artikel, beide Verkehrsmittel – Arten haben unabhängig voneinander Ihre Berechtigung, das wurde hier sehr schön dargestellt.

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Verfasst von:

Jürgen

Edmund Lauterbach

Studierte Mathematik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und ist heute beruflich tätig im Bereich Software-Entwicklung. Sein Interesse für den Verkehrsträger Schiene verwirklicht er durch seine Mitgliedschaft und aktive Mitarbeit im Fahrgastverband PRO BAHN, dem Freundeskreis Rhein-Sieg-Eisenbahn, Bonn sowie als förderndes Mitglied im "Trägerverein HST" der Horber Schienen-Tage. Seine private Webseite ist hier zu finden.