Luftverkehr

Wieso Computermodelle bei der Vorhersage von Aschewolken sinnvoll sind

Dieser Artikel ist Teil der Serie Europaweite Beeinträchtigungen im Luftverkehr durch Vulkanasche – Liveblog. Eine Übersicht über alle Artikel finden Sie hier.

Als die Aschewolke den europäischen Flugverkehr für ein oder zwei Tage lahmlegte, war die Welt noch beinahe in Ordnung. Aber mit fortschreitender Zeit kippte die Stimmung allmählich. Zuerst bei den Fluggesellschaften, die eine Menge Geld verloren, kurz darauf bei den Medien und am Ende – so war es jedenfalls zu spüren – auch in der Bevölkerung. Stein des Anstoßes waren jene ominösen Computermodelle, welche die Ausbreitung der durch den isländischen Vulkans Eyjafjallajökull ausgestoßenen Aschewolke berechneten. Auf Grundlage dieser Vorhersagen wurden die Entscheidungen über die Sperrung gewisser Teile des europäischen Luftraumes getroffen.

Frank Schirmacher, Mitherausgeber der FAZ, schrieb kurz darauf sichtlich erregt: “Der Stillstand des Luftverkehrs beruht nicht auf Daten, sondern auf einer Simulation. Die riesige Datenwolke des Internets dient heute schon für Risikoprognosen nach denselben Algorithmen.” Nun hat sich Frank Schirrmacher nie durch eine besondere Freundschaft zu Daten, Algorithmen und dem eng damit verbundenen Internet hervorgetan. Allerdings wüsste ich auch nicht, dass Herr Schirrmacher umfassende Kenntnisse in Meteorologie, Vulkanologie oder dergleichen besitzt.

Um weiteren Missverständnissen vorzubeugen, will ich kurz einmal das Zustandekommen der Computermodelle darlegen:

Auf Island wird die Höhe der durch den Vulkan emittierten Gase, Asche und sonstigen Teilchen gemessen. Im Volcanic  Ash Advisory Centre (VAAC) in London werden diese Daten gesammelt und daraus ein sogenanntes Ausbreitungsmodell 1 berechnet. In Kombination mit einer relativ genauen Vorhersage der Windrichtungen, lässt sich die Ausbreitung und Bewegungsrichtung der Aschewolke relativ genau vorhersagen.

Diese Simulationen werden durch Messungen und Beobachtungen vom Boden aus bestätigt, zum Beispiel durch LIDAR (Light Detecting and Ranging) 2, einer Lasermessmethode bei der Laserpulse in den Himmel gesandt werden. Diese werden durch Wolken- und Staubteilchen  in der Luft, sogenannte Aerosole, gestreut. Die LIDAR-Messeinrichtung detektiert das aus der Atmosphäre zurückgestreute Licht und kann so zum Beispiel Aufschluss über den Aschegehalt der Luft / der Atmosphäre geben. Allerdings kann LIDAR keine Konzentrationen messen.

In Deutschland gibt es derzeit nur ein LIDAR-System, das beim Leibniz Institut für Troposphärenforschung in Leipzig steht. Das Leibniz-Institut hat seit dem Wochenende die Aschewolke in mehreren Messungen nachweisen können. Aufschlüsse über die Aschekonzentration in der Luft kann aber nur ein Messflug bringen.

In Deutschland verfügt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt über die notwendige Forschungskompetenz, zum Beispiel im Institut für Physik der Atmosphäre, und über die notwendige Ausstattung – unter anderem das Forschungsflugzeug Falcon 20E, das eine zusätzliche Beurteilung der Situation in der Atmosphäre ermöglicht – besitzt.

Das Problem war, dass dieses Forschungsflugzeug erst mit den notwendigen Forschungsgeräten – so zum Beispiel auch einem LIDAR – ausgerüstet werden musste sowie Genehmigungsfragen zu klären waren, um vom Luftfahrt-Bundesamt die Zulassung für den Messflug zu bekommen. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob kommerzielle Fluggesellschaften “Testflüge” durchführen und versuchen die Situation anhand von Klebestreifen an den Tragflächen zur Bestimmung des Abriebs durch den Aschegehalt in der Luft und subjektiven Pilotenaussagen zu beurteilen oder ob wissenschaftliches Equipment in den Flugzeugen eingebaut werden und gesammeltes Material mit einem gewissen Aufwand gesichtet werden muss.

Am Montag Nachmittag war es dann so weit: die Falcon 20E konnte starten und mit ihren Messungen beginnen:

DLR Messungen Vulkanasche Falcon20 E

Auf der Karte erkennt man die Route der Falcon: von ihrem Heimatflughafen Oberpfaffenhofen bei München nach Leipzig, dann über Hamburg nach Bilthoven (Niederlande) und zurück über Stuttgart nach Oberpfaffenhofen.

DLR Messung Vulkanasche Höhenprofil

Das Höhenprofil zeigt: Auf dem Flug von Oberpfaffenhofen nach Norden wurde zuerst Leipzig angesteuert. Dort hat die Falcon einen Abstieg bis auf circa zwei Kilometer Höhe durchgeführt und ist dann wieder auf das Reiseflugniveau aufgestiegen. Während des weiteren Fluges wurde in Höhen zwischen zwei und zwölf Kilometern gemessen. Die gesammelten Daten wurden anschließend ausgewertet. Der Bericht kann hier heruntergeladen werden. (.pdf, englisch)

Anhand der Computermodelle, LIDAR-Messungen vom Boden sowie aus der Luft und weiteren diversen Parametern, die mit demMessflugzeug gesammelt wurden, lässt sich die prognostizierte Entwicklung der Aschewolke überprüfen und bestätigen. Es ist klar, dass Fluggesellschaften aus finanziellen Gründen darauf bedacht sind, die Ausfallzeiten ihrer Flugzeuge möglichst gering zu halten. Allerdings sollte dies niemals auf Kosten der Passagiere gehen. Ich finde es nur legitim, wenn objektive Messungen (vor allem von politischer Seite) abgewartet werden, bis endgültige Entscheidungen getroffen werden können.

Ich nehme auch an, dass das DLR versucht hat, die Messungen schnellstmöglich durchzuführen. Klar ist aber auch, dass es sich um eine Ausnahmesituation sowie für die Fluggesellschaften und Reisenden als auch für die Forscher gehandelt hat. Daher hätte es einigen Medien vielleicht ganz gut zu Gesicht gestanden, wenn die Kritik ein bisschen leiser und die Artikel ein klein wenig ausgeglichener gewesen wären.

Dieser Artikel ist Teil der Serie Europaweite Beeinträchtigungen im Luftverkehr durch Vulkanasche – Liveblog. Eine Übersicht über alle Artikel finden Sie hier.

  1. VDI-Buch Umweltschutztechnik, 7. Auflage, Springer Berlin Heidelberg
  2. http://de.wikipedia.org/wiki/LIDAR
Anonymous

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

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