Dies ist ein Gastartikel von Erward T. McMahon. Wenn auch Sie Interesse haben, hier einen Gastartikel zu veröffentlichen, dann schreiben Sie uns bitte.
Was finden Sie besser? An einem Ort zu leben, wo man jeden Weg mit dem Auto zurücklegen muss oder an einen Ort, wo man entweder zu Fuß gehen, mit dem Fahrrad fahren, den Öffentlichen Personennahverkehr nutzen oder mit dem Pkw alle Orte erreichen kann?
Diese Frage ist das Kernelement der derzeitigen Diskussion in den USA über die Verteilung der Investitionsmittel im Verkehrssektor in den nächsten Jahren. Der Verkehrs- und Infrastrukturausschuss des US-Repräsentantenhauses hat am 2. Februar dafür gestimmt, alle Mittel für den nicht-motorisierten Verkehr (z.B. für Geh- und Radwege) zu streichen. Diese Mittel waren Teil des neuen Bundesverkehrsgesetzes, das derzeit im US-Kongress beraten wird. Dieses unausgewogene Gesetz gefährdet ebenfalls geplante Bundesmittel für den Öffentlichen Personennahverkehr.
Durch diese Entscheidung macht der US-Kongress einen großen Schritt zurück. In den 70er und 80er Jahren wurde mit Bundesmitteln ausschließlich der Ausbau des Highway-Netzes gefördert. Erst 1991 wurde durch den Intermodal Surface Transportation Efficiency Act (ISTEA) die Mittelverwendung auf andere Verkehrsmodi ausgeweitet. ISTEA brach mit der Vergangenheit und machte die Förderung des ÖPNV sowie des Gehweg- und Radwegenetzes möglich. Seit 1991 wurden 20 Prozent der früheren Mittel für den Highway-Ausbau für den Öffentlichen Personennahverkehr und zwei Prozent für Anlagen des Fußgänger- und Radverkehrs genutzt.
Der neue Gesetzentwurf versagt jedoch die Unterstützung für Projekte abseits des Straßenverkehrs. Die Unterstützer dieser Gesetzesänderung argumentieren, dass Investitionen in diese Bereiche Luxus seien und wenig Einfluß auf den Verkehr hätten.
Sie ignorieren aber einen wichtigen Punkt: Verkehr ist mehr als Straßen und Brücken. In europäischen Städten wie Kopenhagen, Amsterdam und Stuttgart fahren bis zu 30 Prozent der Erwerbstätigen mit dem Fahrrad zur Arbeit. Bedeutet dies, dass Deutsche, Niederländer oder Dänen Autos nicht mögen? Natürlich nicht, sie lieben sie genauso wie wir Amerikaner es tun. Der Unterschied ist, dass sie ihr Auto nicht die ganze Zeit nutzen müssen, weil sie mehr Vielfalt und Wahlmöglichkeiten haben. Zusätzlich zu ihrem meist exzellenten Öffentlichen Nahverkehrsangebot haben die meisten europäischen Staaten ein gut ausgebautes Radverkehrsnetz, Gehwege und andere Einrichtungen für den nicht-motorisierten Verkehr.
Diese Alternativen sollten wir auch in den USA haben. Zur Zeit besitzen etwa 100 Millionen Amerikaner ein Fahrrad, Fuß- und Radverkehr steht für 12 Prozent aller Ortsveränderungen. Für den Preis einer Meile vierspurigen Highways (1,6 Kilometer) von etwa 50 Millionen Dollar könnten wir etwa 100 Meilen (160 Kilometer) innerstädtische Radwege und mehr als 150 Meilen (241 km) nicht-straßengebundene Radwege bauen.
Natürlich fahren die Menschen nur dann mehr Rad, wenn die Städte das Radwegenetz auch ausbauen. Ein kleines Beispiel: 1980 und Anfang der neunziger Jahre war Portland, Oregon wie jede andere Stadt in den USA. Heute fahren sechs Prozent der Bevölkerung mit dem Fahrrad zur Arbeit, im nationalen Durchschnitt sind es unter einem Prozent. Die Fahrradnutzung in Portland ist gewachsen, während alle anderen Verkehrsmodi nur leicht wuchsen oder gar schrumpften. Seit 1990 stieg der Radverkehrsanteil um 400 Prozent, der ÖPNV wuchs um 18 Prozent und die Autofahrten nahmen sogar um vier Prozent ab, alle Werte relativ zur Bevölkerungszahl.
Zwischen 1990 und 2008 stieg die Zahl der Fahrradpendler stärker als die der ÖPNV-Nutzer. Portlands Verkehrsplaner sagen, dass die Radverkehrsinfrastruktur im Gegensatz zu anderen Verkehrsträgern relativ einfach und günstig zu errichten sei. Die geschätzten Kosten für das mittlerweile 300 Meilen (482 km) lange Radverkehrsnetz liegen bei etwa 60 Millionen Dollar, was wie bereits festgestellt, gerade einmal eine Meile (1,6 km) Highway wäre.
Eine weitere Stadt mit stark wachsendem Radverkehr ist Minneapolis, Minnesota. Heute fahren bereits 4% der Einwohner mit dem Fahrrad zur Arbeit. Seit 2007 wuchs der Radverkehr um 33 Prozent und seit 1980 sogar um 500 Prozent.
Radverkehr, egal ob tägliche Nutzung oder nur Freizeitverkehr, benötigt eine gut ausgebaute Radverkehrsinfrastruktur. Diese Notwendigkeit ergibt sich unabhängig von Klima, Topographie, Größe einer Stadt oder anderer Faktoren. Nehmen wir beispielsweise New York City. In New York wächst der Radverkehr, obwohl ÖPNV- und Pkw-Nutzung nahezu konstant bleiben. Laut Zahlen des New Yorker Department of Transportation nahm der Fahrradanteil aller Wege nach Manhattan 2010 um 13% und in den letzten zehn Jahren um 262 Prozent zu.
Das langfristige Potential des Radverkehrs als leistungs- und konkurrenzfähiges Verkehrsmittel zeigt sich in fahrradfreundlichen Städten wie den Universitätsstädten Boulder, Colorado; Eugene, Oregon; Madison, Wisconsin; Gainesville, Florida; Iowa City, Iowa und einigen mehr. Die 62.500 Einwohner-Stadt Davis in Kalifornien hat 35 Meilen (56 km) Radweg, 50 Meilen (80 km) off-road Radwege und gemeinsame Geh- und Radwege mit mehreren baulichen Trennungen auf Brücken und in Unterführungen. Das Ergebnis: über 20% aller Wege werden mit dem Rad zurückgelegt. Der Schulbezirk Davis hat sein teures Schulbus-System abgeschafft und laut Aussagen mehrerer Einwohner ist es ein Zeichen der hohen Lebensqualität, jeden Morgen und Abend die Rush-hour auf den grünen Radwegen zu sehen, wenn Schulkinder mit dem Fahrrad, Skateboards oder Rollern auf dem Weg in die Schule oder nach Hause sind.
Seit seiner Einführung haben Bund und die einzelnen Bundesstaaten fünf Billionen Dollar in den Bau und Unterhalt des Interstate Highway-Netzes investiert. Im selben Zeitraum haben die Mittel für Rad- und Gehwege weniger als ein Promille ausgemacht. Es ist eindeutig falsch, diesen jämmerlichen Betrag zu streichen, besonders wenn wir den Effekt betrachten, den jeder in diesen Bereich investierter Dollar erzeugt.
Foto: Thomas Hawk @ Flickr – CC BY-NC 2.0