Eisenbahn Verkehrspolitik

Deutsche Bahn und der Winter: Konsequenz fällt aus

Verschneite Bahnhöfe an denen verschnupfte Fahrgäste stehen und vergebens auf den mittlerweile 100 Minuten verspäteten ICE warten. Dieser steht vollkommen überfüllt mitten in der Pampa und droht in der nächsten Schneewehe stecken zu bleiben. So lässt sich der wahrgenommene Zustand der Deutschen Bahn derzeit beschreiben. Und ebenso das deutsche Gemüt.

Eigentlich hatte ich nicht vor, etwas zum augenblicklichen Zustand der Bahn zu schreiben. Das haben bereits viele gemacht, mal mehr oder weniger fundiert. Allerdings stört mich bei der bisherigen Debatte und der Aufarbeitung in den Medien etwas fundamental.

Die Bundesrepublik Deutschland ist Inhaberin aller Anteile der Deutsche Bahn AG. Aufgrund dieser Eigentümerstruktur ist die Deutsche Bahn ein privatrechtlich organisiertes Staatsunternehmen. Man kann davon ausgehen, dass die Deutsche Bahn AG nicht losgelöst von den Interessen ihrer Eigentümerin als einziges Unternehmen in einem verantwortungsleeren Raum handeln kann. Diese Interessen werden und wurden durch die Politik festgelegt.

Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Artikel 14 (2) Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

Durch die geplante Privatisierung der Deutschen Bahn, war die Vorgabe der Eigentümerin in den letzten Jahren, einen möglichst hohen Kaufpreis für die zu veräußernden Anteile zu erzielen. Dies sollte vor allem dadurch erreicht werden, dass die Deutsche Bahn in den Augen potentieller Investoren als sehr attraktiv erscheint. Es war nicht Herr Mehdorns ureigene Idee, Kostensenkungen in erheblichen Umfange bei der Deutschen Bahn AG durchzuführen, unrentable Strecken stillzulegen und massiv Personal abzubauen. Diese Entscheidungen sind durch die Verkehrspolitik der Bundesrepublik Deutschland mitgetragen und somit durch die Politik gefördert worden.

Ich wundere mich nicht, dass unser Bundesverkehrsminister Ramsauer bisher nur leise Kritik am Zustand der Deutschen Bahn geäußert hat, müsste er sich doch an die eigene Nase fassen. Schließlich war es auch seine Partei, die eine Bahnprivatisierung voran getrieben hat.

Wirklich gewundert habe ich mich über einen Artikel auf Verkehrsrundschau.de, in der Ramsauer die DB AG in Schutz nimmt und die bisherigen Anstrengungen herausstellt. Dass diese nicht ausreichen, sollte auch Herrn Ramsauer klar geworden sein. Ich will mich hier allerdings nicht in das Genörgel über die Deutsche Bahn einreihen. Eine Vielzahl von Mitarbeitern gibt ihr bestes, das System Deutsche Bahn am Laufen zu halten und aus den vorhandenen Mitteln das Beste zu gestalten. Fehler aus der Vergangenheit brauchen ihre Zeit, um behoben zu sein.

Allerdings frage ich mich wirklich, ob eine Verbesserung der Situation wirklich gewünscht ist. Wenn ich von der politischen Seite, die die Aufgaben des Systems Deutsche Bahn definiert, nicht höre, dass ein funktionierendes Eisenbahnsystem einem gewinnorientierten Bahnbetrieb vorzuziehen ist, dann frage ich mich wirklich wieso es keinen Druck aus der Bevölkerung auf die Politik gibt. Die Politik ist zu einem Großteil mitverantwortlich für die Probleme, die die Deutsche Bahn derzeit hat.

Aber widmen wir uns wieder den winterlichen Problemen und dem Zustand des deutschen Eisenbahnnetzes.

Die DB Netz AG ist eine Tochter der Deutschen Bahn AG und für die Instandhaltung des deutschen Schienennetzes verantwortlich. In den Jahren 2008 und 2009 hat die DB Netz AG Überschüsse von kumuliert einer Millarde Euro erwirtschaftet. Diese waren aufgrund des bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 1. Juni 1999 an die DB AG abzuführen.

Gewinn DB Netz AG Gewinn- und Verlustrechnung GuV 2008 2009Gewinn- und Verlustrechnung DB Netz AG 2009 – Geschäftsbericht 2009 DB Netz AG

Aus der Mittelfristplanung des Konzerns 2010 – 2014 geht hervor, dass besonders der Konzerntochter DB Netz AG, die das Schienennetz und die Bahnhöfe betreibt, hohe Ergebnisziele gesetzt wurden. So sollte das für 2010 geplante Ergebnis vor Steuern (Ebit) der DB Netz von 687 Millionen Euro bereits 2011 auf 845 Millionen Euro wachsen. Für 2012 sind 961 Millionen Euro eingeplant, 2013 rund 1,04 Milliarden Euro und 2014 schließlich 1,1 Milliarden Euro. Theoretisch bleiben dem Bahn-Konzern nur drei Möglichkeiten, den Gewinn mit dem Netz zu steigern: Der Konzern kann die Trassenpreise erhöhen, also die Gebühr zur Nutzungen des Netzes. Er kann die Zahl gefahrener Zugkilometer steigern oder die Investitionen runterfahren.

Bereits in den letzten Jahren kam es zu erheblichen Ergebnissteigerungen bei der DB Netz AG:

Ergebnissteigerung der DB Netz AGJährliche Gewinnsteigerung der DB Netz AG 2007 – 2009 – Geschäftsbericht 2009 DB Netz AG

Die Aufwendungen für die Instandhaltung des Netzes betrugen 2008 und 2009 etwa 1,2 Milliarden Euro und blieb somit auf dem gleichen Niveau.

Kosten der Instandhaltung des deutschen Eisenbahnnetzes DB Netz AGAufwendungen der DB Netz AG 2009 zur Unterhaltung der Eisenbahninfrastruktur – Geschäftsbericht 2009 DB Netz AG

Im Bundeshaushalt 2010 ist ein “Infrastrukturbeitrag des Bundes für die Erhaltung der Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes” 1 in Höhe von 2,5 Milliarden Euro veranschlagt. Die gleiche Summe stand bereits 2009 zur Verfügung. Insgesamt stehen pro Jahr rund 4,2 Milliarden Euro für Instandhaltungsmaßnahmen der Eisenbahninfrastruktur zur Verfügung. Davon fließen etwa 30 Prozent in Neu- und Ausbauprojekte, sodass effektiv etwa drei Milliarden Euro für reine Instandhaltung zur Verfügung stehen.

Man kann zu folgenden Schlussfolgerungen kommen:

  1. Die DB Netz AG hätte 2008 und 2009 eine weitere Milliarde Euro in die Instandhaltung der Netze investieren können.
  2. Die Ergebnissteigerungen der DB Netz AG sind vor allem steigenden Trassen- und Bahnhofspreisen sowie unterlassenen Infrastrukturmaßnahmen geschuldet.
  3. Im Bundeshaushalt sind jedes Jahr 2,5 Milliarden Euro für die Instandhaltung der Eisenbahninfrastruktur eingestellt.
  4. Die Mittel, die die DB bereit ist zu investieren, reichen für die Aufrechterhaltung eines Minimalstandards, so dass der Betrieb durchgeführt werden kann. Aber auch nicht für mehr. Obwohl man mehr könnte, wenn man denn wollte.
  5. Es ist Ziel der Deutschen Bahn, einen möglichst hohen Überschussbetrag von der DB Netz AG überwiesen zu bekommen, um die Attraktivität des Gesamtkonzernes für potentielle Investoren zu steigern. Dies wird von der Politik mitgetragen.
  6. Zu leiden hat unter dieser Unternehmens- und Verkehrspolitik der Fahrgast. Zumal ich hier nur das Vorgehen und den Umgang mit der DB Netz AG beschrieben habe. Die Probleme, die es mit dem Rollmaterial und mangelnder Wartungskapazitäten gibt, habe ich wohl wissentlich weggelassen, da zum einen mein Blutdruck und zum anderen der Umfang dieses Artikels in astronomische Höhen schießen würde.

Viel interessanter als gegenseitige Schuldzuweisungen, das kollektive Murren und das Aufzählen der Fehler, die in der Vergangenheit begangen wurden, wäre für eine Aussage darüber, wie diese Probleme endgültig abgestellt werden sollen.
300 Millionen pro Jahr sollten für den Einsatz einfachster Hilfsmittel wie Schneefangzäune, das Pflanzen von Hecken, dem Anlegen von Wassertreppen an Hanglagen, ausreichend dimensionierter Weichenheizungen und der Stationierung von Schneepflügen mit den dazu notwendigen Lokomotiven reichen.

Anscheinend fehlt dazu der Wille.

  1. Bundeshaushalt 2010 – 1222 Eisenbahnen des Bundes – http://www.bundesfinanzministerium.de/bundeshaushalt2010/pdf/epl12/s1222101.pdf
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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Randelhoff Martin

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