In der Open Transit Data-Diskussion, also der Diskussion über die Freigabe von Fahrplandaten und anderen verkehrsrelevanten Daten, wird sehr oft vonseiten der Verkehrsunternehmen die Frage gestellt, welchen Zweck die Freigabe habe. Viele Verkehrsunternehmen bieten eine Fahrplanauskunft auf ihrer Webseite an, einige haben zudem spezielle Apps entwickeln lassen, die auch unterwegs Fahrplanauskünfte ermöglichen. Hin und wieder finden sich auch einige besonders innovative Ansätze wie Smart Way.
Die Frage wofür Open Transit Data eigentlich benötigt wird, lässt sich am Besten mit einigen Beispielen erklären. Viele dieser Anwendungen berühren nicht das Kerngeschäft eines Verkehrsunternehmens, haben aber einen großen Marketingeffekt. Die Komplexitätsreduktion und die Steigerung des Coolnessfaktors können insbesondere in Ballungsräumen jüngere Nutzergruppen attrahieren und haben einen positiven Einfluss auf die Fahrgastzahlen.
Für Verkehrsunternehmen entsteht ein zusätzlicher Nutzen, der nicht einmal Geld kostet, da die Entwickler aus innerem Antrieb und auf eigene Rechnung arbeiten. Verkehrsunternehmen können darüber hinaus noch zusätzliche Einnahmequellen erschließen, da viele beliebte Anwendungen offizielle Netzpläne oder bei entsprechender Marktdurchdringung und Qualität den Namen des Verkehrsunternehmens lizenzieren.
Diese Auflistung ist nur eine Auswahl aus einer Vielzahl von Anwendungen, die auf offenen Fahrplandaten basieren. Alleine in New York existieren beispielsweise mehr als 70 verschiedene Apps, Webseiten und Services.
Dabei ist die Metropolitan Transportation Authority, die Verkehrsgesellschaft des Bundesstaates New York, erst recht spät in den Markt eingestiegen. Dafür ist sie mittlerweile sehr aktiv im Bereich Open Transit und wirbt aktiv um die Entwicklung von Apps. Die meisten hier aufgeführten Anwendungen sind innerhalb weniger Tage und Wochen nach Freigabe der Fahrplandaten, Stationsdaten, Linienverläufe, usw. entstanden. Durch die hohe Kreativität der lokalen Entwicklerszene existieren im Großraum New York viele großartige Anwendungen. MTA hat auch den Wettbewerb MTA App Quest ins Leben gerufen, bei dem 15.000 Dollar Preisgeld für die besten Anwendungen vergeben wurden.
Ich habe eine kleine Auswahl von Anwendungen getroffen, die meiner Meinung nach entweder besonders gut, besonders innovativ oder einzigartig sind. Ich bin für weitere Vorschläge entweder per Kommentar oder per Mail offen und werde die Aufstellung entsprechend ergänzen.
Embark NYC
Embark entwickelt mit Hilfe von offenen Fahrplandaten die Fahrplanauskünfte, die man sich eigentlich in jeder Stadt wünscht. Embark NYC (Download bei Google Play | Download bei iTunes) ist eine auf New York City zugeschnittene App, die alle Informationen bietet, die man für eine Fahrt mit dem öffentlichen Nahverkehr benötigt. Die Anwendung liefert Tür-zu-Tür-Verbindungen mit turn-by-turn-Fußgängernavigation zur nächsten Haltestelle oder zum nächsten Haltestelleneingang, aktuelle Echtzeitinformationen zu Verspätungen und den aktuellen Ankunftszeiten, Pushmeldungen über geplante Umleitungen und Baumaßnahmen, Auskünfte auch in U-Bahn-Tunneln ohne GPS/Handyempfang, eine Umkreissuche für nahegelegene Haltestellen und sieht auch noch sehr gut aus.
Die App ist mittlerweile für die Städte Boston, Chicago, London, Long Island, New Jersey, New York, Philadelphia, San Francisco und Washington D.C. verfügbar. Die Anwendung wurde von New Yorker ÖPNV-Nutzern zur besten App gewählt und hat den Preis für die beste Mobilitätsanwendung, die offene Daten verwendet, der Stadt New York gewonnen. BMW hat ebenfalls in das Unternehmen investiert.
Notify Me NYC
Die Android-App Notify Me NYC (Download bei Google Play) informiert den Fahrgast selbstständig, wenn eine Linie von Störung betroffen ist. Hierzu muss der Fahrgast nur angeben, welche Linie er zu welcher Zeit nutzt und die Anwendung informiert ihn, wenn es zu Verspätungen oder Umleitungen kommt.
Free NYC Subway Locator
Die iOS-Anwendung Free NYC Subway Locator (Download bei iTunes) führt den Fahrgast zur nächstgelegenen U-Bahn-Station. In der Karte wird nicht nur die Haltestelle an sich angezeigt, sondern die einzelnen Eingänge zur Station auch über eine größere Fläche wie beispielsweise den Times Square. Durch einen einfachen Klick werden die einzelnen Streckenverläufe der Linien angezeigt. Dadurch wird es dem Fahrgast ermöglicht, genau jene Eingänge zu finden, die den kürzesten Weg zur jeweiligen Linie ermöglichen.
Mobilitätseingeschränkten Personen zeigt die App zudem den Status von Rolltreppen und Fahrstühlen an. Defekte Fahrstühle können somit umgangen werden. Ebenfalls angezeigt werden Verspätungen und Umleitungen. Die Integration von Twitter, mehreren lokalen Onlineangeboten und ein Offline-Netzplan runden die Anwendung ab.
CityMaps.com
CityMaps.com (Download bei iTunes) ist keine klassische Anwendung für den Verkehr, sondern integriert Fahrplaninformationen in sein umfangreiches Angebot. CityMaps wurde 2010 mit dem Anspruch gegründet, Menschen nicht nur von A nach B zu leiten, sondern auch den Weg attraktiver zu gestalten. Die App zeigt unter anderem Kino- und Theaterbesuchern die Spielzeiten an, aktuelle Foursquare-CheckIns von Freunden, Parkgebühren von Parkplätzen und auch aktuelle Abfahrtszeiten und Verspätungen des öffentlichen Personennahverkehrs mit Echtzeit-Informationen. CityMaps ist zurzeit in New York, Chicago, San Francisco, Austin und Boston verfügbar. Las Vegas und Milwaukee starten in Kürze.
TravAlarm NYC
TravAlarm NYC ist eine Anwendung für iOS (Download bei iTunes)- und Android-Geräte (Download bei Google play), die den Fahrgast bei morgendlichen Verspätungen eher weckt, sodass er dennoch pünktlich am Arbeitsplatz und der Schule erscheinen kann. Die App gleicht im Hintergrund aktuelle Verspätungen von bis zu drei Linien ab, sodass auch Anschlussverspätungen erkannt werden können.
Die App funktioniert zurzeit in New York City, Chicago, Washington D.C. und Boston.
trainshare (Schweiz)
Philip Küng, Student, Jungunternehmer und Softwareentwickler aus Zürich und zudem noch regelmäßiger Pendler, ist Mitinitiator der App-Idee trainshare. Die Anwendung soll Freunden dabei unterstützen, sich leichter in einem Zug zu finden.
Die Entwicklung von trainshare ruht derzeit allerdings wegen eines Konkurrenzprodukts aus dem Hause der Schweizerischen Bundesbahn SBB (SBB.Connect).
Der trainshare-Nutzer gibt seinen Start- und Zielort ein. Die App greift dann auf den Fahrplan der SBB zu und schlägt eine Reiseroute vor, die bestätigt werden muss. Häufig gefahrene Strecken werden gespeichert und können vereinfacht ausgewählt werden. Durch Integration mit anderen sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook wird überprüft, welcher Freund oder Follower sich ebenfalls in den jeweiligen Zug eingebucht hat. Durch Angabe der Platznummer können sich zwei Freunde gegenseitig leichter finden oder per SMS oder E-Mail zum gemeinsamen Fahren einladen.
Auf der OpenData.ch 2012 hat Philip Küng einen Vortrag über die Anwendung gehalten, die Ende März 2012 auf dem Open Data Hackday entstanden ist. Leider ist die Aufnahmequalität recht schlecht. Die Folien können hier angesehen werden.
Swisstrains.ch
Swisstrains.ch ist eine Web-Anwendung mit Live-Anzeige der Positionen/Bewegungen fast aller Schweizer Züge und U-Bahnen. Angezeigt werden die Zugnummer, der Start- und Zielbahnhof, die nächste angefahrene Station und die Geschwindigkeit. Ein Klick auf die Bahnhöfe zeigt die nächsten Abfahrten und Ankünfte. Die notwendigen Daten stammen von der SBB.
Train Smoker
Train Smoker ist eine Anwendung für iOS (Download bei iTunes), die Rauchern zeigt, ob sie noch Zeit für eine Zigarette haben, bevor der Zug ankommt. Die Restzeit wird farblich gekennzeichnet (Rot, gelb, grün). In der App sind auch Raucher- und Nichtraucherbereiche gekennzeichnet. Die Anwendung greift ebenfalls auf aktuelle Verspätungsinformationen und den Zustand der Fahrstühle zu.
Hinweis: Rauchen tötet! Ihr Arzt und Apotheker kann Ihnen beim Aufhören helfen. ;-)
Catch the Bus
“Catch the Bus” (Download bei iTunes) macht den statischen Fahrplanaushang überflüssig. Stattdessen werden die GPS-Daten von Bussen in San Francisco und Boston genutzt, um eine Minutengenaue Vorhersage der Ankunft machen zu können. Häufig frequentierte Haltestellen können als Favorit gespeichert werden.
Exit Strategy NYC
Exit Strategy NYC für Blackberry (Blackberry Appworld), Android (Google Play | Amazon Store) und iOS (iTunes) hilft bei der Orientierung in New Yorker U-Bahnhöfen und bei der Minimierung der Reisezeit. Die App zeigt den idealen Standort auf dem Bahnsteig an, um möglichst schnell in den Zug zu gelangen und um am Ziel den kürzesten Weg zum Ausgang zurückzulegen. Ebenfalls wird auf einer Straßenkarte die genaue oberirdische Lage von Ein- und Ausgängen angezeigt. Auf diese Weise spart man sich die Wahl des falschen Ausganges oder das minutenlange Herumirren in U-Bahnhöfen.
In Version 2.0 sind zudem eine interaktive und beliebig skalierbare Karte des New Yorker U-Bahn- und Busnetzes sowie eine Straßenkarte von Manhattan integriert. Die App kann für 4,99 $ im App-Store heruntergeladen werden.
Commuter.cc
Commuter.cc ist eine iOS-App (Download bei iTunes) für das britische Eisenbahnnetz und das Londoner Nahverkehrsnetz. Die Anwendung integriert die Netze von National Rail, London Tube, London Overground und der London DLR und bietet flächendeckende Reiseinformationen und Fahrplanauskünfte. Neben der integrierten Fahrplanauskunft kann der Fahrplan auch per Mail, SMS oder Facebook mit Freunden und Bekannten geteilt werden. Bei Störungen und Verspätungen plant die Anwendung selbstständig den neuen Fahrtverlauf über alle Verkehrsmittel. Häufig gefahrene Strecken und genutzte Haltestellen / Bahnhöfe können als Favorit markiert werden. Die Applikation merkt zudem, wenn man im Begriff ist, in einen falschen Zug einzusteigen und informiert dementsprechend. Ebenfalls werden Fußwege zwischen zwei Haltestellen angezeigt.
Die Anwendung gibt es in einer kostenfreien und einer kostenpflichtigen Variante. In der kostenpflichten Variante sind zusätzlich Echtzeitinformationen von London Overground und UK National Rail verfügbar. Da diese vom Entwickler kostenpflichtig lizenziert werden mussten, ist eine geringe monatliche Abogebühr fällig.
Fazit
In den USA gibt es eine wahre Flut von Anwendungen, die auf offenen Fahrplandaten basieren. Jede größere Stadt hat mindestens ein oder zwei Apps, die unabhängig von der jeweiligen Verkehrsbehörde oder den Verkehrsunternehmen entwickelt wurden. Auch in Großbritannien nimmt die Zahl der frei verfügbaren Anwendungen immer weiter zu. Ich hoffe, dass diese Aufstellung einen Beitrag dazu leisten kann, die Vorteile von offenen Fahrplandaten und den damit möglich gewordenen Entwicklungen aufzuzeigen. Auch deutsche Bahn- und ÖPNV-Nutzer haben es verdient, korrekte Informationen komfortabel und möglichst nutzergerecht zu erhalten. Schließlich sind sie es, die mit ihren Steuergelder und Fahrentgelten den ÖPNV, die Verkehrsunternehmen und die durch diese erstellten Fahrpläne und sonstigen Informationen finanzieren.
Auch wenn ich nur den ÖPNV in Städten vergleiche, denke ich, dass dieser in Deutschland oder der Schweiz besser ist als in den Städten wo er in Amerika gut ist. Leider gründet sich mein Behauptung nur aufs Hörensagen, nicht auf eigene Erfahrungen.
Ja, in Deutschland und insbesondere in der Schweiz haben wir tolle Nahverkehrssysteme. Zürich finde ich persönlich klasse, München ist auch gut. Sogar Berlin zählt oft zu den besten ÖPNV-Angeboten weltweit. Diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Es kommt auch immer darauf an, wen man fragt und welche Kriterien wie gewichtet und genutzt wurden.
Kann man sehr gut bei einem Vergleich sehen. Hier (http://www.gadling.com/2010/11/04/top-ten-cities-with-best-public-transit-systems/) sind es von Platz 1 zu Platz 10: Curitiba (Brasilien), Moskau, Wien, Hong Kong, München, Seoul, London, Paris, Kopenhagen, Tokio.
In einer anderen Liste (http://www.environmentalgraffiti.com/green-living/free-ride-the-five-best-mass-transit-systems-worldwide/1095?image=5) geht es von Chicago auf Platz 5 über Paris und London zu New York und auf Platz 1 steht Hong Kong.
Und in wieder einer Liste befindet sich Kopenhagen auf Platz 10, dann folgen Berlin, Hong Kong, New York, Paris und Seoul. Auf Platz 4 befindet sich London, Platz 3 Taipei, Platz 2 ist Moskau und Platz 1 ist Tokio. (http://uk.askmen.com/top_10/travel/top-10-public-transit-systems_1.html)
Und ganz interessant ist auch die TIME-Liste der besten und schlechtesten ÖV-Städte in den USA: http://j.mp/V8zjHD
Auch wenn ich hier die Determinanten nicht nachvollziehen kann. Die Profile sehen aber ganz nett aus: http://j.mp/V8zlzf
Wir können uns vermutlich darauf einigen, dass die in den Platzierungen genannten Städte (zzgl. Zürich) den Kampf unter sich ausmachen werden. Eine davon wird die Stadt mit dem weltweit besten Nahverkehr sein. Ich kann diese Frage nicht beantworten. Aber New York und Chicago werden da auch irgendwo recht weit vorne mitmischen.
Wir halten fest: Das land mit dem schlechtesten ÖPNV hat die besten Apps um ihn zu nutzen. Danke für diese interessante Zusammenstellung.
Es kommt ganz drauf an: Wenn man die USA als Ganzes im Vergleich zum Beispiel mit Deutschland betrachten möchte, hast du sicherlich recht. Aber es kristallisiert sich eher heraus, dass die guten ÖPNV-Städte in den USA auch die jeweiligen Open Transit-Apps haben. Der ÖPNV in New York, Chicago oder San Francisco ist sogar recht gut. New York’s Modalanteil des ÖV ist zwei- bis sechsmal höher als in allen anderen US-Großstädten mit mehr als eine Millionen Beschäftigten. Da gibt es sogar einen recht großen Anteil Fußgänger! Und eben auch viele Anwendungen, die dieses Leben erleichtern.
Auf dem platten Land gibt es mangels ÖPNV auch keine Apps… ;-)
Gruß,
Martin
Super Sache die Apps. Macht Bus und Bahn fahren viel leichter und zugänglicher für neue Nutzer. Eine weitere Hemmschwelle für den ÖPNV ist das Herumschlagen mit teilweise wirklich komplizierten Ticketautomaten im Nahverkehr. Nebenbei braucht man Bargeld und Zeit. Ich hoffe sehr dass es mittelfristig möglich sein wird, ein U-Bahnticket direkt aus der App aufs Handy runterzuladen. Mit automatischer Abbuchung des Betrages etc. Bei der Bahn gehts schon. Extrem leicht und praktisch. Jetzt müssen die Verkehrsbetriebe nachziehen.