Analyse Eisenbahn Öffentlicher Personennahverkehr

Wie die Weltmeisterschaft Südafrikas ÖPNV-Netze verbesserte

Dieser Artikel ist Teil der Serie Fußballweltmeisterschaft 2010 – Infrastruktur in Südafrika. Eine Übersicht über alle Artikel finden Sie hier.

Im Jahr 2007 kritisierte das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen Südafrika für seine gewaltigen sozialen und räumlichen Unterschiede innerhalb der Städte. Ärmere Bevölkerungsschichten werden an den Rand der Städte und somit der ökonomischen Teilhabe gedrängt, ein gut ausgebautes Nahverkehrsnetz um diese Unterschiede und Entfernungen zu überbrücken, war nicht vorhanden. Ein weiteres Problem war die hohe Zahl an Verkehrstoten. Jeden Tag starben etwa 45 Menschen auf nur 75.000 Kilometern Straße. 1 Das gut ausgebaute Straßennetz bei einem gleichzeitig mangelhaften Öffentlichen Verkehrsnetz, ließen vor allem die Mitglieder der südafrikanischen Mittel- und Oberschicht mit dem Auto fahren. 2 Die Unterschicht wurde mit einem unsicheren, schlecht ausgebauten und baufälligen ÖPNV abgespeist.

Problematisch war besonders die Zeit nach 1990 als eine zunehmende Landflucht begann und die Bevölkerungszahlen südafrikanischer Städte explodierten. Aufgrund der großen Armut und eines großen Mangels an Wohnraum entstanden an den Stadträndern große Slums, die keine große Infrastruktur geschweige denn Transportanbindung besaßen.

Diese Lücke füllten private Taxiunternehmen aus. Die Taxiindustrie in Südafrika ist mit mehreren tausend Taxen auf den Straßen eine mächtige Institution geworden, die einen Großteil des täglichen Transportbedarfs erbringt. Dies alles wäre nicht problematisch, wenn es nicht einige Probleme gäbe. Diese privaten Taxiunternehmen legen leider keinerlei Wert auf die Sicherheit ihrer Fahrgäste, oftmals werden rote Ampeln und Verkehrszeichen ignoriert, die Taxen sind völlig überladen und in einem erbärmlichen technischen Zustand. Es wurde daher aus Gründen der Sicherheit und des Umweltschutzes beschlossen, alternative Transportmodelle in südafrikanischen Städten zu implementieren und ein dichtes und engmaschiges ÖPNV-Netz aufzubauen.

Im Zuge der Fußballweltmeisterschaft war südafrikanische Regierung sowieso dazu gezwungen, stark in den Öffentlichen Verkehr zu investieren, um die erwarteten drei Millionen Besucher innerhalb der Städte und zu den Spielstätten zu transportieren.

Im Zuge der Infrastrukturausbaumaßnahmen wurden in den Jahren vor der Fußballweltmeisterschaft 2,6 Milliarden Dollar verbaut. 1,5 Milliarden Dollar wurden in vorgezogene Baumaßnahmen investiert, die ohne die Weltmeisterschaft noch jahrelang nicht umgesetzt worden wären.

Um die Verbesserungen des ÖPNV anschaulich darstellen zu können, möchte ich exemplarisch die Verbesserungen in drei südafrikanischen Städte darstellen:

Johannesburg

Im August 2009 startete in Johannesburg das Rea Vaya Bus Rapid Transit-System. Dies wurde im Mai 2010 nochmals erweitert. Bis 2013 sollen auch der Stadtrand und wichtige Städte im Einzugsgebiet Johannesburgs an das BRT-Systems angebunden sein.

Johannesburg BRT Rea Vaya Netzkarte Netzplan Fußballweltmeisterschaft 2010

Derzeit besitzt Rea Vaya 121 Busse, die täglich etwa 29.000 Passagiere befördern. Es wird geschätzt, dass das BRT-System bis 2013 382.940Tonnen CO2 und 1,6 Millionen Tonnen CO2 bis 2030 einsparen wird. Bis 2020 soll das Netz auf 122 Kilometer Hauptlinien und 250 Kilometer Zubringerlinien (Feeder) ausgebaut werden. Bis 205o sollen mehr als 80% Johannesburgs abgedeckt sein. Des Weiteren soll die ökonomische Schlagkraft der umliegenden Städte gestärkt werden, tausende Jobs wurden bereits geschaffen. Der Fahrpreis beträgt acht südafrikanische Rand, umgerechnet ein Dollar. Dies ist viel geringer als der Fahrpreis, der zuvor bei südafrikanischen Privattaxiunternehmen, die eine Art Quasimonopol inne gehabt haben,  gezahlt werden musste. Dies sorgte für erhebliche Spannungen zwischen Taxiunternehmen und Rea Vaya, die in gewaltsamen Zusammenstößen mit Schwerverletzten und sogar Toten mündeten.

Rea Vaya Südafrika BRT Johannesburg Fußballweltmeisterschaft 2010

Diese Zusammenstöße sind international nicht mal so selten. In Lagos mündeten die Pläne für ein Straßenbahnprojekt ebenfalls in Gewalt. Diese Reaktionen sind verständlich, bedenkt man, dass für viele Laoten bzw. Südafrikaner Taxifahren die einzige Einnahmequelle ist, die sie haben. In Ländern in denen eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht, drängt der Aufbau eines Öffentlichen Nahverkehrs jedenfalls auf kurze Sicht Menschen aus dem Arbeitsmarkt. Eine eventuelle Lösung wäre eine Art Kompensationszahlung, eventuell durch einen Erhöhung des Taxitarifs oder Angebote zur Weiterbildung.

Aber auch im Eisenbahnverkehr gab es Verbesserungen. Pünktlich zur Fussball 2010 ist die erste Hochgeschwindigkeitszugstrecke Afrikas eröffnet worden: der Gautrain (Zukunft Mobilität berichtete)

Gautrain Bombardier Zug Südafrika WM 2010

Das 80 Kilometer lange Streckennetz besteht aus zwei Hauptstrecken: eine Nord-Süd-Verbindung von Hatfield nach Marlboro und eine Ost-West-Linie von der Park Station zum Johannesburg International Airport. Eventuell wird die Strecke von Johannesburg zur Hauptstadt Pretoria verlängert.

Cape Town

BRT Cape Town Netzkarte Südafrika Fussballweltmeisterschaft 2010

In Cape Town wurde ebenfalls ein Bussystem mit dem Namen MYCiTi aufgebaut, ein ganzheitliches regionales Transportnetz. Es besteht aus 43 Volvo Bussen mit Euro-4 Abgasnorm, davon sind 35 Busse 12 Meter lang und 8 Busse achtzehn Meter lange Gelenkbusse. Die geplante Busverbindung zum Flughafen wurde Ende Mai geöffnet. Um ein möglichst schnelles Fortkommen der Busse durch die Stadt zu gewährleisten, wurde ein Netz separater Busspuren durch die Stadt gezogen. Des Weiteren wurde eine Vielzahl neuer Haltestellen errichtet mit Überwachungskameras, einem elektronischen Informationssystem sowie einem Wachdienst, der für einen sicheren und ungestörten Ablauf sorgt.

BRT Cape Town Simulation einer HaltestelleBRT Cape Town Haltestelle im Bau

Die Busspuren sind in der Straßenmitte angeordnet (siehe nächstes Foto). Auf dieser verkehren hauptsächlich die Hauptlinien. Um die nötigen Fahrgastzahlen zu erreichen, werden diese mit Hilfe von Feeder-Linien “gefüttert”.

BRT Cape Town Bau einer Busspur die mittig angeordnet ist Busspur in roter Farbe

Das Schnellbusnetz ist Teil des IRT, dem Cape Town Integrated Rapid Transit System. Dieses umfasst alle Traynsportmodi durch Metrorail, ein neues Busnetz, Minibus Taxis, Feeder Busse, verbesserte Fuß- und Radwege sowie Park & Ride Plätze.

BRT Port Elizabeth Fußballweltmeisterschaft 2010 Südafrika

Das Bussystem ist relativ modern aufgebaut und entspricht internationalem Standard. So sind Einstiegshilfen für Rollstuhlfahrer ebenso vorhanden wie Informationstafeln in Blindenschrift an den Einstiegstüren.

Problematisch sind jedoch die hohen Defizite, die das Busnetz noch einfährt. Nach Berechnungen von PriceWaterhouseCoopers wird mit einem jährlichen Betriebsdefizit von 118 Millionen südafrikanischen Rand gerechnet, etwa 15,25 Millionen Dollar. Der Aufbau wird etwa 10 Milliarden südafrikanische Rand kosten. Dies entspricht knapp einer Milliarde Euro.

Wer noch mehr über das BRT und ITR in Cape Town wissen möchte, sollte sich dieses 17 Minuten lange Video ansehen:

Port Elizabeth

Auch Port Elizabeth arbeitet derzeit am Aufbau eines Schnellbusnetzes. Dieses soll nach Fertigstellung fünf Linien umfassen.

BRT Port Elizabeth Bau Busspur

Die Stadt hat 25 Gelenkbusse bei Volvo bestellt, die ebenfalls mit Euro-4 Motoren ausgerüstet sind und 115 Passagiere transportieren können. Des Weiteren wurde ein 12 Meter langer Prototyp bestellt um ihn in Testfahrten für den Einsatz in Port Elizabeth zu testen.

Cape Town BRT Südafrika 2010 Weltmeisterschaft

Zwar wurden nicht alle Buslinien pünktlich zur WM fertiggestellt, die Bauarbeiten gehen aber immer noch weiter voran um den Einwohnern und Pendlern ein effizientes und leistungsstarkes Busnetz bieten zu können.

Dieser Artikel ist Teil der Serie Fußballweltmeisterschaft 2010 – Infrastruktur in Südafrika. Eine Übersicht über alle Artikel finden Sie hier.

  1. Global Status Report on Road Safety, WHO, 2007 – http://www.who.int/violence_injury_prevention/road_safety_status/data/table_a2.pdf
  2. Road Condition Report 2010, THE SOUTH AFRICAN NATIONAL ROADS AGENCY LTD, http://www.nra.co.za/content/Road_Condition_Report_2010.pdf

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Klaus Reitner
12. Oktober 2010 10:39

“Jeden Tag starben etwa 45 Menschen auf nur 75.000 Kilometern Straße.” Das ist hart. Zum Vergleich: In ganz Deutschland sterben täglich ca. 11 Menschen wenn mans runterrechnet und das Straßennetz ist 3 Mal so groß. Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht.

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Verfasst von:

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
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