Die zunehmende Ausbreitung der Städte in das Umland und die Zerfaserung der Stadtgebiete stellt ein großes Problem dar, wenn man die Abhängigkeit vom Auto und fossilen Energieträgern wie Erdöl reduzieren möchte. Pendler, die aus den Dörfern des Umlandes zum Arbeiten und Einkaufen in die Stadt fahren, sind meistens in hohem Grade vom Auto abhängig. Dies wird auch nicht allzu schnell zu ändern sein. Die negativen Effekte, die dieses Pendeln mit sich bringt, sind entweder mit einem teuren Ausbau des ÖPNV in die Fläche, Elektroautos, die mit Strom aus regenerativen Energiequellen betrieben werden oder einer Urbanisierung und Verdichtung der Stadtkerne zu verringern.
Aber möchten die Menschen wirklich in großen Wohnanlagen im Stadtgebiet wohnen? Eine kanadische Studie sagt JA.
Die Studie (DOWNLOAD) des kanadischen Beratungsunternehmens GWL Realty Advisors hat sich intensiv mit Fragestellungen wie Eigenheim oder Mietwohnung, Stadtgebiet, Stadtrand oder Umland, Mehrfamilienhaus oder Einfamilienhaus auseinander gesetzt. Natürlich muss man vorausschicken, dass die Studie und ihre Ergebnisse auf kanadischen Daten basieren und somit für Deutschland nur eine bedingte Aussagekraft haben. Allerdings sind die Veränderung und insbesondere die Gründe für diese Veränderung, sehr interessant und sicherlich auch auf Deutschland anwendbar. Und natürlich werde ich mich besonders auf die verkehrlichen Belange stürzen.
Im Wandel der Zeit
Es ist sehr wichtig, sich die Struktur der Apartment-Bewohner der heutigen Zeit vor Augen zu halten. Vor einigen Jahrzehnten wohnten vor allem sozial schwächere Familien, geschiedene Frauen und jüngere Menschen mit einem geringen Einkommen in Mietwohnungen. Dies hat sich in den letzten Jahren fundamental geändert. Heutzutage lässt sich ein Querschnitt durch die Bevölkerung feststellen. Verstärkt wohnen mittlerweile auch junge Paare und Familien innerhalb der Stadtgrenzen. Des Weiteren ist es oftmals nicht erschwinglich, sich in stark wachsenden Städten mit einem großen Bevölkerungszuwachs, eine Haus zu kaufen. Dies war früher einfacher.
Ein weiterer Faktor mit einem großen Einfluss auf die Wohnsituation, ist die Transformation der Industriegesellschaft hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft. Natürlich sind Unternehmen aus dem sekundären Sektor nicht vollkommen aus dem Stadtbild verschwunden und werden dies auch nicht so schnell tun (wenn überhaupt), aber dennoch ist eine Transformation hin zu einer informationsgetriebenen Kreativgesellschaft innerhalb der Städte zu beobachten.
Kommen wir nun aber zum Verkehr. Was lässt sich in diesem Bereich feststellen?
Städte mit einem hohen Prozentsatz von Mietern – insbesondere mit hohen Einkommen – besitzen eine hohe Attraktivität das Auto stehen zu lassen und per Fuß oder Fahrrad sein Ziel zu erreichen. Des Weiteren ist in diesen Städten der ÖPNV sehr gut ausgebaut. Es gibt ein zunehmendes Verlangen nach lokalen, urbanen Strukturen (z.B. Einkaufsmöglichkeiten, Freizeiteinrichtungen, Restaurants, etc.). Diese Standortfaktoren treiben bereits heute die Nachfrage nach Mietwohnungen in bestimmten Regionen stark nach oben. Für Stadtplaner wird es in Zukunft immer wichtiger sein, die wirtschaftlichen und sozialen Verbindungen zwischen gut ausgebauten urbanen Strukturen und den Lebenseinstellungen der Menschen mit ihrem jeweiligen Wohnbedarf zu verstehen.CMA = Central Metropolitan Area – Vancouver CMA+ umfasst auch Abbotsford
Es gibt aber noch eine Vielzahl weiterer Faktoren. Zum Beispiel sind auch in Kanada die Treibstoffpreise stark gestiegen, sodass viele Kanadier dazu ermuntert werden, näher an ihren Arbeitsplatz zu ziehen und die Entfernungen zu minimieren. Dies sorgt für eine höhere Bevölkerungsdichte in den Städten und einen erhöhten Bedarf an Mietwohnungen.
Des Weiteren spielt auch die Zeitersparnis beim Einkaufen oder dem Weg zur Arbeit eine Rolle. Wenn man dies vor dem Hintergrund der Stauhäufigkeit in Großstädten betrachtet, scheint diese Entwicklung nur allzu verständlich. Dieses Verhalten beschleunigt eine Reduktion der Weglänge und geringeren Wegstrecken, die mit dem Auto zurückgelegt werden müssen. Und natürlich spielt auch der Umweltschutz eine Rolle. Vielen Kanadiern ist die Schädlichkeit des Automobils mit seinen Emissionen bewusst. Daher verzichten viele bewusst auf die Fahrt mit dem Auto und gehen entweder zu Fuß oder nutzen bei längeren Strecken den ÖPNV.Die jüngere Generation fährt weniger (gerne) Auto
Viele Studien in jüngster Zeit haben diesen Trend bereits ausgemacht. Viele junge Menschen verbinden das Auto nicht mehr mit dem Begriff der “Freiheit”. Anstattdessen werden soziale Netzwerke, Kommunikationsgeräte wie Handys, MP3-Player oder iPads immer wichtiger und haben das Auto bereits verdrängt. Diese Geräte sind mittlerweile Mittel des Selbstausdrucks und dem Inbegriff der Freiheit geworden. In den USA wie in Kanada nimmt die von 18–34 Jährigen selbstgefahrene Strecke kontinuierlich ab. 1 Durch diese Entwicklung wird das Leben in einer Stadt mit ihren kurzen Wegen und den gut ausgebauten öffentlichen Transportmitteln immer attraktiver.
Kurze Wege und Zugang zu den öffentlichen Transportnetzen sind für Wohnungsmieter- wie auch -eigentümer von essentieller Bedeutung. 36% achteten auf kurze Wege, 48% auf den leichten Zugang zum ÖPNV. Diese Werte liegen umso höher je höher das Einkommen ist bzw. je mehr Kinder ein Haushalt hat. 2Diese Transformation verdeutlicht noch einmal die wachsenden Probleme, die wir in naher Zukunft zu lösen haben werden. Wie wollen wir das Stauproblem vieler Städte lösen? Brauchen wir neue Mittel und Wege die Umwelt zu schützen? Welche Rolle spielt die Verkehrstelematik oder Car Sharing? Welche Stellung wird das Auto haben und wie können wir auch ältere Generationen, die mit dem Auto aufgewachsen sind, mitnehmen? Und vor allem: wie wollen wir in Zukunft mobil sein?
- Neff, Jeff (2010). Is Digital Revolution Driving Decline in U.S. Car Culture? Advertising Age 31. Mai 2010. – http://adage.com/digital/article?article_id=144155 ↩
- GWL Realty Advisors (2009). How Will Canadians Shop, Live and Work? How High Fuel Prices and the 2008-2009 Recession Have Shaped Behavioural Trends. ↩