Dies ist ein Gastartikel von Peter Katz. Wenn auch Sie Interesse haben, hier einen Gastartikel zu veröffentlichen, dann schreiben Sie uns bitte.
Das Time Magazine warf auf dem Titelcover über die Insolvenz Detroits eine einfache, aber furchterregende Frage, auf: Ist deine Stadt die nächste?
Die meisten von uns kennen viele Gründe, wieso unsere Städte sich von Detroit unterscheiden. Solange man in keiner älteren Industriestadt lebt, ähnelt Detroit sicherlich nicht der Stadt, in der man selber wohnt: Die größte Stadt des Rust Belt ist gezeichnet. Die Infrastruktur verfällt für alle sichtbar, die Natur übernimmt wieder leere Industrieanlagen und ehemals stolze Wohnviertel. Eindrucksvolle Bilder des Zerfalls illustrieren in vielfältigster Weise die jüngste Berichterstattung über die Finanzprobleme Detroits.
Dennoch ist auf dem TIME-Cover etwas anderes zu sehen: Es zeigt einen Teil des festungsähnlichen Hauptsitzes General Motors, von Einheimischen “RenCen” genannt. Der futuristische Teil der 1970er Architektur wäre sicherlich eine tolle Kulisse für “The Jetsons” und ihre fliegenden Autos. Leider sind die fliegenden Autos bei GM nie angekommen und das Unternehmen sank in den größten Konkurs der US-Geschichte. So lag der Verdacht nahe, dass die Stadt schließlich dem gleichen Schicksal wie GM erliegen könnte.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Obsoleszenz, die Unternehmen wie General Motors in ihre Fahrzeuge einbauen, heutzutage unser Denken über Orte durchdringt. Genauso wie viele Autobesitzer ihre alten Fahrzeuge gegen neue und protzigere ausgetauscht haben, haben Generationen von Bewohnern des Rust Belt ihre düsteren Heimatorte gegen wärmere Orte, an denen sie früher Urlaub gemacht haben, eingetauscht und verbringen dort ihren Ruhestand. Die Aussicht, dass sich dieser Trend fortsetzen wird, hat zu einem starken Wachstum in Gemeinden des Sunbelts geführt. Aber der Abschwung 2008-2009 hat sowohl im Norden als auch im Süden seine Spuren hinterlassen: Zusammengestrichene Ruhestandskonten und ein am Boden liegender Häusermarkt haben viele Arbeiter gezwungen, in ihren Jobs und Häusern zu bleiben, Gemeinden im Sonnengürtel mussten hohe Zahlungen auf viel weniger Schultern verteilen.
Ein weiterer, weithin bekannter Grund für den Niedergang General Motors – die enormen Pensionsverpflichtungen für Rentner – hatte ebenfalls großen Einfluss auf den Konkurs Detroits. Diese “Altlasten” betreffen aber nicht nur GM, Detroit oder andere vor Kurzem pleitegegangenen Städte wie Stockton oder San Bernardino (Kalifornien), sie sind überall ein wachsendes Problem für Kommunen.
Aber unabhängig von der Stagnation des Rust Belt, der Altlasten und anderen Fehltritten von finanziell angeschlagenen Kommunen, ist das Kernproblem zunächst recht simpel: Man braucht für den Betrieb der Gemeinde mehr Geld, als wieder hereinkommt. Meiner Meinung nach ist der Hauptgrund für dieses Defizit, und der rote Faden verbindet Detroit, Stockton und ihre Gemeinde, dass es für Gemeinden mit einer niedrigen Bevölkerungsdichte im letzten halben Jahrhundert unmöglich war, das Wachstum zu generieren, um diese Strukturen zu unterhalten.
Leider geht die Hauptursache dieses Problems, die nach Zweck getrennte Flächennutzung, wegen der allgegenwärtigen und sehr technischen Regulierungspraxis, an den meisten Einwohnern und Journalisten vorbei. Seitdem sich die Gebietsabgrenzung vor allem mit den Auswirkungen einer Ansiedlung befasst, und dabei versucht wird, die meisten (nachbarschaftlichen) Konflikte mit einer Reduzierung der Dichte oder des Umfangs zu beschwichtigen, hat sich auch der Ertrag neu entwickelter Gebiete verringert. Zunehmend hat sich die Bemessungsgrundlage, das Privateigentum, welches die Regierung heranzieht um ihre Rechnungen zu bezahlen, verändert. Von hoch verdichteten, kompakten, durchmischten und mit hohen Landwerten versehenen Stadtkernen und Vierteln, die sparsam in der Verwendung kommunaler Infrastruktur und Dienstleistungen sind, hin zu landhungrigen, weitläufigen, mit niedrigen Dichten und einem einzelnen Nutzungszweck verbundenen Gebieten, die im Verhältnis zu den enormen Investitionskosten, die eine Stadt auf sich nimmt, um das entsprechende Gebiet zu entwickeln, nur eine schwache Rendite erzeugen.
Während der Boomjahre war es einfach, dieses Problem zu ignorieren. Aber in den mageren Zeiten ist es eine wachsende Herausforderung für Kommunen mit knapper Kasse. Doch im Gegensatz zu Pensionsfonds, deren Verpflichtungen im Falle eines Konkurses in Verhandlungen reduziert werden können, gibt es keine Möglichkeit die zukünftigen Unterhaltungskosten von Gebieten mit geringer Dichte zu verringern.
Das Problem erkennend, haben einige Gemeinden bei Neubauten spezielle Gebühren erhoben, um die Folgekosten abzudecken. Allerdings sind solche einmaligen Zahlungen schon lange ausgegeben, wenn die alternde Infrastruktur ersetzt werden muss. Mit unzureichenden Steuereinnahmen und wenigen anderen Möglichkeiten, diese Ausgaben zu refinanzieren, muss die Gemeinde Anwohner mitzahlen lassen oder die Steuern erhöhen – problematisch, weil jähe Steuererhöhungen in einigen Staaten verboten und überall unpopulär sind.
Ich habe über diese Problematik bereits im Jahr 2010 im Planning magazine geschrieben. Der Artikel erläutert die dramatischen Ergebnisse einer Studie über das Steueraufkommen, die durchgeführt wurde, während ich Verantwortlicher für intelligente Wachstums-und Stadtplanung in Sarasota County, Florida, war. Ein einzelnes Gebäude mit Mischnutzung und einer Fläche von weniger als einem acre (=4047 m2) erzeugte auf der Basis eines acre ein höheres Steueraufkommen als die beiden meistgenutzten Einkaufszentren des County. Diese zwei Gebäude, mit einer Fläche von zusammen über 200.000 Quadratmetern, benötigten viel mehr Infrastruktur und Dienstleistungen der Gemeinde als das einzelne Gebäude in der Innenstadt. Unterm Strich brachte das einzelne, viel kleinere Gebäude der Gemeinde jährlich 350.000 Dollar mehr ein als die beiden Einkaufszentren.
Solche steuerlichen Disparitäten stehen im Mittelpunkt einer kürzlich veröffentlichten Studie von Smart Growth America mit dem Namen “Building Better Budgets“, die ausgiebig in einem gerade erschienenen Sonderheft der Government Finance Review diskutiert wurde. Letztere Publikation dokumentiert nochmals das Problem sinkender Einnahmen aus kommunaler Sicht und schlägt Schritte für Gemeinden vor, die ihre Steuerbemessungsgrundlage verwalten und erweitern wollen.
Wegen der derzeitigen Berichterstattung über die Haushaltsprobleme von Kommunen ist es nicht verwunderlich, dass einige Stadtverwaltungen einen neuen Blick auf die finanziellen Auswirkungen der Projekte, die sie genehmigen, werfen. Aber es ist immer viel einfacher neue Möglichkeiten zu entdecken, als sie letztendlich anzuwenden. Da die lokale Planung immer öfter in politische Grabenkämpfe zwischen Demokraten und Republikaner hineingezogen wird, ist es vielleicht der beste Weg “dem Geld zu folgen” und somit Aktivisten, die aus sozialen und ökologischen Gründen gegen Zersiedelung kämpfen, und Konservativen, die gegen die Verschwendung von Steuermitteln argumentieren, an einen Tisch zu bekommen.
Dies ist ein Gastartikel von Peter Katz. Wenn auch Sie Interesse haben, hier einen Gastartikel zu veröffentlichen, dann schreiben Sie uns bitte. Aus dem Englischen übersetzt. Wir danken Citiwire.net für die Genehmigung!
Herzlichen Dank für diesen Interessanten Artikel. Er beleuchtet einen Aspekt in der Stadtentwicklung und Planung, der mir vorher nicht bewusst war, jedoch überaus wichtig scheint.
Für mich stellt sich nun die Frage, wie sich die in Deutschland beliebten Gewerbegebiete im Vergleich zur Innenstadt schlagen. In Innenstädten könnte ja durch moderaten Bau in die Höhe der Kostenfaktor Infrastruktur deutlich gesenkt werden.
In meiner Heimatstadt kann das Gewerbegebiet hauptsächlich über 2 Brücken erreicht werden, was zu erheblichen Staus im Stadtzentrum führt. Würde man also die Innenstadt aufwerten und aus Nord, Ost und Süd attraktive Park and Ride bzw. ÖPNV Anschlüsse ermöglichen würde die Verkehrslage entspannt. Die Infrastrukturdichte in der Innenstadt fördert Umsätze und Qualität.
Wenn auswärts geparkt wird entfallen überdies auch Parkplätze, die für Gewerbe frei werden.
Alternativ wird man beobachten müssen, wie sich das Verkehrsaufkommen weiter verhält. Es ist wie bereits erwähnt eine Verkehrsachse quer durch die Stadt, für Entlastungsstrecken fehlt der Platz bzw. die Brücke.