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Luftseilbahnen als innerstädtische Massenverkehrsmittel

Seilbahn Stadt Mobilität Luftseilbahnen urbaner Raum

Dies ist ein Gastartikel von Günther Ecker. Wenn auch Sie Interesse haben, hier einen Gastartikel zu veröffentlichen, dann schreiben Sie uns bitte.

CO2-Problematik, schwindende Erdölreserven, Luftverschmutzung und Dauerstau in vom Autoverkehr verstopften Straßen sollten eigentlich Gründe genug dafür sein, neue Wege zu gehen. Individualverkehr per Elektroauto mit Akkus (sofern genug Lithium für alle da ist) scheint auch nicht das Gelbe vom Ei zu sein. Tauschen wir doch damit Dauerstau im Benzin / Diesel-Auto gegen Dauerstau im Elektroauto.

Bleibt nur “mehr Öffentlicher(-Personen-Nah-)Verkehr” als Lösung übrig. Doch wie macht man den genauso attraktiv wie das Auto? “Hingehen, einsteigen und abfahren, vor allem dabei pünktlich abfahren und (hoffentlich) pünktlich ankommen” ist die Devise beim Autofahren. Bus und Straßenbahn mit sieben bis dreißig Minuten Wartezeit haben da nicht dieselbe Attraktivität und Chance wie das jederzeit verfügbare Auto. Ein Umstieg / Umdenken könnte bloß mit “Urbanen (Luft-)Seilbahnen” gelingen ! Alle 10 Sekunden trifft eine Gondel für bis zu 10 Personen ein oder fährt eine ab. Hingehen, einsteigen und abfahren”, die neue Devise für Öffentliche Verkehrsmittel!

So neu ist der Gedanke ja nicht. Bereits 1974 wurde in KIEL eine innerstädtische Seilbahn errichtet, um Besucher eines Einkaufszentrums quer über den Hafen hinweg zu Parkplätzen zu befördern. Und 1976 wurde — als Notlösung wegen Verzögerungen beim  U-Bahn-Bau — die Roosevelt Aerial Tram in NEW YORK errichtet, um Nicht-Autofahrern (direkt neben der Straßenbrücke) ein rasches Öffentliches Verkehrsmittel zu geben, damit sie schnell nach Manhattan gelangen können. Und diverse EXPOs und Deutsche Bundesgartenschauen wurden mit Gondelbahnen als Aussichts- und Transportseilbahnen aufgepeppt. Aber Seilbahnen dauerhaft für den innerstädtischen Massenverkehr?

Abgesehen von Verbindungsbahnen zwischen einsam gelegenen Schweizer Bergdörfern oder der Erschließung der hochgelegenen Inselhauptstadt THIRA auf Santorin vom Hafen aus waren innerörtliche Gondelbahnen lange kein Thema in der industrialisierten Welt.  In der Manganerz-Bergbaustadt CHIATURA, fernab in Georgien, wurden zwar 26 (!) Seilbahnen für den Personentransport errichtet (und 116 für den Materialtransport), aber davon wussten auch nur Seilbahninsider.

Urbane Seilbahnen als Ideallösung nicht nur für die „Dritte Welt”

Vor allem in der „Dritten Welt”, wo Stadt- und Verkehrsplanung lange Zeit ein Fremdwort war und sich neuzugezogene Landflüchtlinge ihre Unterstände und primitiven Hütten im Ödland am Stadtrand bauten, merkte man bald das Fehlen von guten Verkehrswegen. Dort existieren nur enge verwinkelte Gehwege wie sie Europäer gerade von Altstadtvierteln, Venedig oder arabischen Souks kennen. In den Megacities der Dritten Welt beherrschen Favelas und Slums die Stadtfläche,“wilde Bauten” ziehen sich Hänge hinauf und diese Substandard-Elendsquartiere werden nur durch Trampelpfade und allenfalls betonierte Treppen erschlossen. Von Afrika weiß man, dass fünfzig Prozent der Afrikaner selbst größere Strecken zu Fuß gehen und die andere Hälfte sich mit einem der unzähligen luftverpestenden Sammeltaxis oder LKWs befördern lässt, sofern das Zuviel an Kleinbussen  in den engen Straßen überhaupt an ein Vorwärtskommen denken lässt.Gondeln Seilbahnen im urbanen Raum städtische MobilitätDer Grundstein für kuppelbare Gondelbahnen als dauerhaftes innerstädtisches Massenverkehrsmittel wurde wohl in Algerien gelegt. Zuerst in der Hauptstadt ALGIER, die sich über Berge erstreckt, dann in anderen Städten im Land. Vielleicht wuchs Algier auch nur um eine bestehende Seilbahn herum? (3sat-Reportage zu diesem Thema)

Gegen widrige Wetterbedingungen behaupten sich Seilbahnen in verschneiten und vereisten Wintersportgebieten, aber dass sie auch als Massenverkehrsmittel taugen, bewiesen sie als Ausflugsbahnen zu Vergnügungsparks und zu religiösen Stätten in Ostasien, um dort – anders als die Wintersportbahnen, die nach 6 Monaten Betrieb für ein paar Wochen oder Monate zur Revision stillgelegt werden – an rund 360 Tagen im Jahr tatsächlich Massen an Personen befördern.

In TAIPEH (Taiwan) führt seit 2007 eine doch 4 km lange Seilbahn  in 5 Abschnitten mit 6 Stationen (4 davon mit Geschäften) von einem U-Bahn-Bahnhof zum Eingang des Zoos. 24.000 Fahrgäste verwenden die Anlage täglich mit einer Verfügbarkeit von 99,5 % und einer Kapazität von 2.400 Personen pro Stunde und Fahrtrichtung In ZÜRICH (Schweiz) wird darum gerungen, eine Verbindung von der Schnellbahn zum Zoo mittels einer Gondelbahn über einen im Stadtgebiet liegenden Hügel hinweg zu schaffen, die Verbindung zur Schnellbahn bei Hin- und Rückfahrt um mehr als eine halbe Stunde zu verkürzen und um mehr BesucherInnen trotz weniger Parkplätze anzulocken. Ein fesselnder Filmbericht dazu bei Zooseilbahn.ch

Irgendjemand kam um die Jahrtausendwende dann darauf, die Idee der innerstädtischen Seilbahn von Algerien nach Kolumbien zu exportieren oder das System einer Touristen-Bergseilbahn für den innerstädtischen Verkehr anzuwenden. 2004 wurde in MEDELLÍN das erste Transportmittel dieser Art dem Verkehr übergeben, 2007 die nächste Linie eröffnet (beide gesamt 10 km lang) und diese Idee bald weiterexportiert. MANIZALES (Kolumbien) eröffnete 2009 die erste Linie, CARACAS 2010 und RIO DE JANEIRO 2011, [SANTIAGO DE] CALI (Kolumbien) will auch eine, ebenso PANAMA CITY. Und überall dort, wo eine innerstädtische Seilbahn errichtet wurde, werden weitere geplant. Medellin bekommt die dritte Linie 2010 und plant fünf weitere, Manizales und Caracas bekommen bald eine Zweite, in Rio liegen die Pläne für drei weitere Linien bereit.

Urbane Seilbahnen auch in der Ebene?

Die neuen Seilbahnen erschließen bebaute Hügel, aber wenn Seilbahnen am Berg rentabel sind, warum dann nicht auch auf der Ebene? Sie müssen nur schneller sein als Fußgänger oder im Stau stehende oder Umwege fahrende Autos und das sind sie garantiert. Die unproblematische Überquerung von Bächen, Flüssen, Strömen, Parks, Gärten, Ödland, Hügeln, Gräben, Schluchten, Parkplätzen und ohne landwirtschaftliche Flächen oder Fußgängerzonen zu zerschneiden und der einfache Bau ohne Störung des Geschäftslebens oder der Wohnbevölkerung sind gute Argumente, eine Seilbahntrasse zu suchen. Die Errichtung einer Trasse im Straßenverlauf vereinfacht das Genehmigungsverfahren und erleichtert auch Rettungsmaßnahmen. Aber noch konnte jeder Passagier selbst aus den exponiertesten Seilbahnlagen im Gebirge gerettet werden, die Seilbahntechnik ist jahrzehntelang erprobt und Sicherheitskonzepte sind ausgereift.

In LONDON wird gerade eine Gondelbahn über die Themse zum zukünftigen Olympia-Areal gebaut. Moderne Seilbahnsysteme mit Tragseilen, auf denen die Gondeln auf Rollen fahren, können heutzutage Spannweiten bis zu drei Kilometer ohne Stützen überbrücken. Das ist nicht nur ideal um breite Flüsse oder Täler zu  überspannen, sondern auch um Geld für teure Seilstützen zu sparen. Kuppelbare Einseil-Gondelbahnen schaffen gerade maximale Spannweiten von Stütze zu Stütze von 200 Metern und benötigen daher mehr Stützen. Sie sind trotzdem beim Bau billiger, denn sie brauchen weniger von den ebenfalls teuren Seilen und die Stützen können “zarter” gebaut werden.3S Stütze einer Seilbahn mit KabineDer große Boom steht bevor

Bau und Betrieb der Seilbahnen sind kostengünstiger als bei Straßenbahn oder U-Bahn. Es heißt, die erste Seilbahnlinie in Medellín hat sich (bei mehr als 7 Mio. Fahrgästen pro Jahr und durch den Verkauf von CO2-Zertifikaten) innerhalb eines Jahres amortisiert und das ist auch der Grund, warum in Medellin laufend neue Seilbahnlinien geplant und errichtet werden. Die schnelle Amortisationszeit machen urbane Seilbahnen deshalb zum rentablen Geldanlagegeschäft und zur „Maschine zum Geld drucken“! Womit sonst kann man sein Geld innerhalb von zwei (!) Jahren verdoppeln?

Hätte man in Medellin anstelle der Seilbahn eine Straße in engen Serpentinen gebaut, hätte man ein Drittel der illegal gebauten Häuser wegreißen müssen und das war nicht durchsetzbar, also war eine Seilbahn die beste Lösung. Die Stützen benötigen wenig Platz und der Aufbau störte kaum (wenn eine Straßenbahn oder U-Bahn gebaut wird, werden vorher belebte Geschäftsstraßen für Wochen oder Monate zu lärm- und stauintensiven Baustellen)

Die fehlenden Straßen in den übervölkerten und verwahrlosten informellen Elendsvierteln sind auch ein Grund, dass dort Gewalt und Verbrechen gedeihen. In Medellín (und später in Caracas und Rio) wurden in den Seilbahnstationen öffentliche Einrichtungen geschaffen, Bibliotheken, Gesundheitszentren und Räume mit freiem Internet-Zugang. Und natürlich sind jetzt mehr Ordnungshüter vor Ort. Dazu empfehle ich die folgende Reportage der Deutschen Welle über Seilbahnen in Kolumbien.

Weil in Kolumbien der Militärdienst auch als Bewacher in Öffentlichen Einrichtungen abgeleistet werden kann, sind die Métro, die Métrocable und die angeschlossenen Sozialeinrichtungen genügend gesichert. Alle Gondelkabinen sind außerdem mit WLAN-Sprechfunk mit der Zentrale verbunden. Bericht auf ZEIT Online.

Seilbahnen als Öffentliche Verkehrsmittel sind im Kommen

Eine Seilbahn könnte dezentrale verstreute Ortsgebiete gut mit dem Ortszentrum vernetzen, wie jedes Verkehrsmittel braucht aber auch eine Seilbahn eine gute Auslastung um rentabel zu sein. In TRIER wird daran gedacht den Universitätscampus mit einer Gondelbahn an das Stadtzentrum anzubinden, wie es in PORTLAND (Oregon, USA) bereits realisiert wurde. MARBURG möchte damit das Klinikum an die Stadt anbinden. Sonst wurde bereits in BERLIN, HAMBURG, KÖLN, AACHEN, WOLFSBURG, BONN, INGOLSTADT und MÜNCHEN und in etlichen anderen Orten in Europa und weltweit daran gedacht, Verkehrsprobleme mit einer innerstädtischen Seilbahn zu lösen.3-S-Stütze Längsansicht SeilbahnDie geringere Transportkapazität einer Seilbahn wird durch geringere Investitionskosten und Betriebskosten wettgemacht. Mit der gleichen Investition können mehr Seilbahnkilometer gebaut werden als bei Straßenbahn und U-Bahn. Mit 500 Millionen Euro, für die man gerade einen Kilometer U-Bahn bekommt, könnte man mit Straßenbahnen zwar ein Liniennetz (mit jeweils 5 parallelen Linien im 500 m Seitenabstand) auf einer Fläche von 2 km mal 2 km aufbauen, mehr ist aber wegen der teuren Grundstücksablösen, Baukosten für Fahrwege, Oberleitung, Betriebshofanlagen und Fahrzeuge nicht schaffbar.

Mit urbanen Seilbahnen hingegen, und das ist der Clou, könnte man für diese Geldmenge ein schachbrettartiges Netzwerk mit 13 Seilbahn-Linien in Nord-Süd-Richtung und 13 Seilbahn-Linien in West-Ost-Richtung samt Zwischenstationen errichten, die — im 500 m Abstand der Linien — eine Fläche von 6 km mal 6 km aufschließen und mit 8-Personen-Gondeln je Richtung bis zu 37.500 Personen pro Stunde befördern können. Zusammengefasst, bei Seilbahnen bekommt man mehr Flächenerschließung fürs gleiche Geld und für den nötigen Umstieg vom Auto zum Öffentlichen Verkehr wird gerade die flächendeckende Erschließung notwendig.

Stellen Sie sich vor, Sie brauchen nicht weiter als 350 m (halbe Diagonale eines 500 m mal 500 m Quadrats) zu Ihrem Nahverkehrsmittel gehen (oder mit dem Fahrrad hinfahren), können ohne Wartezeit einsteigen und sofort losfahren und erreichen jedes Ziel in der Stadt in kurzer Zeit. Nachts müssen nicht leere Gondeln transportiert werden. Bei Bedarf startet man einfach eine in der Haltestelle geparkte Gondel.

An 7 Tagen in der Woche von 05:00 – 24:00 Uhr ohne Auto ins Stadtzentrum und retour, zur Arbeit, in die Schule, zum Einkaufen, zur Uni, ins Hallenbad oder ins Krankenhaus um jemanden zu besuchen. Oder vom Abendessen oder Nachtleben mit etwas mehr Alkoholgenuss spätabends sicher nach Hause Und mit diesem sehr leisen Verkehrsmittel Verkehrslärm, CO2- NOx-, und Feinstaub-Emissionen direkt in den Straßen einsparen. Das wäre doch eine feine Sache und eine tolle Alternative zum Auto, oder?Seilbahn Fuchal GasseSeilbahngondeln sind barrierefrei erreichbar und auch für Gütertransport denkbar

Der ideale Haltestellenabstand liegt zwischen 425 und 600 Metern, um Fußgängern (auch in der Diagonale eines Netzes) keinen längeren Fußweg als 300 m zuzumuten. Die im Vergleich mit einer U-Bahn etwa eher langsame Fahrgeschwindigkeit wird weitgehend dadurch wettgemacht, dass es keine so langen Fußwege wie bis zur U-Bahn-Einstiegsstelle gibt. Wenn man zur Gesamtfahrzeit einer U-Bahn alle Wegzeiten zu und von den Ein/Ausstiegsstellen und die Wartezeiten mitrechnet, kann die Seilbahn auf kurzen Strecken durchaus schneller sein.

Die Gondeln schweben “im ersten Stock” sicher und gefahrlos über dem Verkehr. Gondeln können bei den Haltestellen auch auf Fußgängerniveau abgesenkt werden, damit vom Gehsteig zugestiegen werden kann. Allerdings ist das Anheben derjenigen, die keine Treppe benutzen können, mit einem Personenlift weniger energieintensiv als das regelmäßige Anheben der Gondeln mitsamt aller Passagiere und es soll ja CO2 eingespart werden. Außerdem verlängert das Absenken/Aufheben die Stationsaufenthaltszeit und ist nur bei Endhaltestellen sinnvoll. Die Masse der Fahrgäste wird — wie jetzt bei der Eisenbahn — eine kurze Treppe ins erste Stockwerk benutzen.

Gondelbahnen sind barrierefrei mit Rollstühlen, Kinderwägen, Fahrrädern, Rollerskates, Gepäckwägelchen oder Sackkarren ohne Schwellen mit sehr geringem Abstand zwischen Fahrzeug und Bahnsteigkante befahrbar und das Betreten ist für Kleinkinder, Gebrechliche oder Behinderte kein Problem. Je nach System gleitet die Gondel in der Station im Kriechgang (langsamer als Rolltreppen) dahin oder bleibt überhaupt still stehen. Fahrräder und Gepäck können bei größeren Gondeln problemlos mitgenommen werden. Zudem taugen Seilbahnen auch zum Gütertransport. Entweder mit eigenen Gütergondeln oder im kombinierten Verkehr mit Klappsitzen für die Passagiere. Gebaut wurden auch schon Doppelstock-Kabinen.ohne Schwelle SeilbahnSeilbahnen sind die sichersten Verkehrsmittel überhaupt

…bezogen auf die Personenzahl. Seilentgleisungs-Schutzeinrichtungen und der Fahrweg über alle Gefahrenquellen hinweg garantieren das, solange kein fliegender Kampfjet dummerweise ein Seil durchtrennt (wie das schon zweimal passierte). Moderne Gondelkabinen sind mit WLAN-Gegensprecheinrichtungen, Lautsprechern, Beleuchtung, Heizung und Lüftung und allenfalls Überwachungskameras ausgestattet und allfällige Bösewichte haben bei den Haltestellen mit Bahnsteigtüren bei gesicherten Ausgängen wenig Fluchtmöglichkeiten. Für Zusteigende öffnen sich die Bahnsteigtüren nur, wenn eine Gondel davor steht, somit kann niemand der einschwebenden Gondel in die Quere kommen.

Üblicherweise bleiben die Fenster geschlossen und die Kabinen werden gut gelüftet. Damit keine Gegenstände oder brennende Zigarettenstummel hinuntergeworfen werden. Jalousien mit waagrechten Lamellen, undurchsichtig werdende Gläser und umlaufende Manschetten können Einblicke in überfahrene Gärten und Höfe verhindern. Dann gleitet der Blick in die Ferne. Höhenangstgefühle treten bei Seilbahnen seltener auf und man muss ja nicht unbedingt beim Fenster hinausschauen.

Urbane Seilbahnen können (mit doppelten Antrieben) so ausgelegt werden, dass Stopps und längere Aufenthalte auf der Strecke auf alle Fälle vermieden werden können und Notbergungen eine wirklich sehr seltene Ausnahme sind. Keine Seilbahn wird ohne Sicherheitskonzept genehmigt.

Nicht so schnell wie eine U-Bahn, aber doch leistungsfähig

Eine U-Bahn-Garnitur (in Wien) fasst bis zu 775 Personen. Alle 3 Minuten ein Zug bedeutet 15.500 Personen je Stunde, das ist natürlich eine hohe Beförderungsleistung mit anderer Geschwindigkeit. Die langsameren Seilbahnen werden daher sinnvollerweise als Zubringerlinien zu U-Bahnen oder zur Schnell- oder Eisenbahn an der Peripherie oder in Kleinstädten eingesetzt.

Die Geschwindigkeit von Seilbahnen liegt bei kuppelbaren Einseil-Umlaufbahnen bei maximal etwa 27 km/h, bei fix ans Zugseil befestigten Pendelbahnen bei maximal etwa 43 km/h. Am Zugseil fixierte Pendelbahnen mit je einer Großkabine (bis zu 200 Personen) in Fahrtrichtung und Gegenrichtung beschleunigen und bremsen außerhalb der Stationen und können daher höhere Geschwindigkeiten erreichen. Gekuppelte Umlaufgondelbahnen, bei denen praktischerweise bis zu alle 10 Sekunden eine Gondel (bis zu 10 Personen fassend) ans umlaufende Zugseil gekuppelt wird, müssen die Kabinen innerhalb der Stationen beschleunigen und abbremsen. Da dafür meist wenig Platz frei ist, beeinflussen diese nötigen beachtlichen Beschleunigungs- und Bremsstrecken die mögliche maximal erreichbare Geschwindigkeit.

Eine kuppelbare Einseil-Umlauf-Gondelbahn hat üblicherweise eine maximale Beförderungsleistung von 3.600 Personen pro Stunde (alle 10 Sekunden eine Gondel für bis zu 10 Personen), aber der Fortschritt läuft ständig weiter. Jetzt werden schon 15-Personen-Gondeln beworben, 5.000 Personen pro Stunde gelten für Seilbahnen, die auf  Tragseilen fahren oder bis zu 8.000 Personen pro Stunde für Standseilbahnen. Zum Vergleich: Als Richtwerte für Straßenbahnen gelten 10.000 Personen pro Stunde und für U-Bahnen 70.000, aber immerhin noch besser als 3.500 Personen pro Stunde bei Autobussen.

Eigentlich spricht man hier von Personen pro Stunde und Kilometer. Denn eine Standseilbahn oder ein Aufzug, die eher kurze Strecken befahren, könnten in der Stunde mehr Passagiere befördern, als ein einzelner U-Bahn-Zug auf langer Strecke. Natürlich sind diese Zahlen auch sehr manipulativ variabel. Damit das System Straßenbahn mit bis zu 290 Plätzen pro Garnitur 10.000 Personen pro Stunde transportieren kann, muss alle rund 100 Sekunden ein Wagen bei der Haltestelle vorfahren. Und wenn der zeitliche Abstand der Garnituren nur 60 Sekunden wäre, könnte man den Wert gar auf 17.400 Personen pro Stunde hinaufschrauben. Es ist also alles sehr relativ.

Ohne Schummelei läuft es nur bei kuppelbaren Einseil-Gondelbahnen ab. Der minimale 10-Sekunden-Abstand mit 10 Personen-Gondeln mit maximal 27 km/h sind Stand der Technik, mehr geht schlecht. Die Tragkraft des Förderseiles lässt sich kaum mehr steigern, da mit zunehmenden Seildurchmesser die Seilumlenkung bei den großen Umlenkrollen eine Zunahme der energiefressenden Reibung mit sich bringt. Eine Erhöhung der Transportkapazitäten geht daher nur durch Einsatz des Systems, bei dem Gondeln nicht an einem zu bewegenden Förderseil hängen, sondern auf fixen Tragseilen mit bewegtem Zugseil und kurzen Stützenabständen fahren.

Vielleicht wird man mit kuppelbaren Seilbahnen auf Tragseilen irgendwann die 200-Personen-Gondeln und bis zu 45 km/h von ans Zugseil fix geklemmten  Seilbahnen schaffen? Der begrenzende Faktor ist da noch die Beschleunigungstechnik, denn fix geklemmte Gondeln beschleunigen am Seil außerhalb der Stationen und kuppelbare Gondeln müssen vor dem Ankuppeln in der Station auf diese Geschwindigkeit beschleunigt werden.

Bus und Straßenbahn haben höhere Personalkosten.

Geht man von der geringen Transportkapazität von 3.600 Personen pro Stunde im 10-Sekunden-Abstand einer kuppelbaren Einseil-Umlaufgondelbahn aus, so müsste eine Straßenbahn mit 290 Sitz- und Stehplätzen im Abstand von knapp fünf Minuten fahren oder ein Großraum-Zwei-Gelenksbus mit 145 Sitz- und Stehplätzen alle zweieinhalb Minuten. Für eine zwei mal zehn Kilometer lange doppelgleisige Strecke und 20 km/h (beides im Durchschnitt üblich bei Straßenbahnen) sind bei der Straßenbahn bei diesem zeitlichen Abstand rund 12 Fahrzeuge und Fahrer nötig und beim Großraumbus rund 25 Fahrzeuge und Fahrer. Eine vollautomatisierte Gondelbahn kommt da für den Betrieb gerade mit 5 Personen aus (sofern die Ein- und Ausstiegsstellen wie bei der U-Bahn per Kamera fernüberwacht werden).

Der Betrieb einer Gondelbahn läuft vollautomatisiert, Fahrer sind nicht nötig, bei größeren Pendelbahnen fährt (je nach den unterschiedlichen gesetzlichen Vorschriften) ein Fahrer mit. Für eine Linie sind pro Schicht lediglich — bei 2 Stationen — drei bis fünf Personen nötig, plus (je nach den unterschiedlichen gesetzlichen Vorschriften) null bis zwei Personen pro Haltestelle. Da auch bei U-Bahnen nicht jede Station mit Personal besetzt sein muss und eine Videoüberwachung vielerorts angewandt wird, könnte dahingehend einmal eine Gesetzesangleichung erfolgen.Gondelinneres eines Seilbahn GondelProbleme gibt es auch, aber die sind lösbar.

Seilbahnen sind nicht so flexibel wie Autobuslinien. Diese können schnell mal den Verlauf ändern, doch sind potentielle Haltestellen (Wohngebiete, Sportstätten, Einkaufszentren, Stadtzentrum, Bahnhof, Krankenhaus, Schulen, Universität) langfristig bekannt und die Fixierung der Seilbahnlinie unproblematisch.

Schwierigkeiten gibt es für Seilbahnen auch in Kurven. Technik und Fliehkraft erlauben nur gerade Trassen, für Kurven muss eine Gondel abgekuppelt werden. Da dies ebenso in Stationen erfolgt, baut man als Lösung Stationen eher dort wo Kurven nötig sind oder Kurven dort, wo Stationen hingehören. In einer Station läuft eine Gondel auf Schienen, die bei Wendestationen oder eben in Kurven gebogen sind.

Seilbahnen auf Tragseilen können bis rund 100 km/h Seitenwind sicher fahren, bei Einseil-Umlaufbahnen könnten ab 60 km/h Seitenwind die pendelnden Gondeln das bewegte Förderseil aus den Stützrollen herausdrehen. Damit solche Seilentgleisungen erst gar nicht passieren, gibt es Seilentgleisungs-Schutzeinrichtungen und wird etwa eine Wintersport-Gondelbahn vor einem herannahenden Sturm stillgelegt. Bei so starkem Wind macht Skifahren sowieso keine Freude mehr. Öffentliche Verkehrsmittel sollten aber auch bei stärkerem Wind fahren (obwohl auch schon Straßenbahnzüge umgeweht wurden) und die bei Hochhäusern auftretenden Fallwinde verkraften. Darum muss je nach Häufigkeit der Windlagen der dafür geeignete Seilbahntyp gewählt werden.

Die optimale Länge für Seilbahnfahrten als Massenverkehrsmittel liegt bei maximal etwa sieben Kilometern, für längere Strecken werden schnellere Beförderungsmittel benötigt, die größere Haltestellenentfernungen haben. Denn die Zahl der Haltestellen und das häufigere Abbremsen und Wiederbeschleunigen verlängern auch bei Seilbahnen wie bei allen anderen Verkehrsmitteln die Gesamtfahrzeit. Ein schnelles Durchfahren bei Zwischenhaltestellen ohne zeitfressenden Aufenthalt könnte auch bei Gondelbahnen möglich sein.

Die in Südamerika neu gebauten innerstädtischen Seilbahnlinien weisen Zwischenhaltestellen auf. In der Praxis sind die Abschnitte noch baulich getrennt, sodass Umsteigen innerhalb der Stationen notwendig ist, durchgehende Linien mit Zwischenhaltestellen wären aber durchaus möglich. Für den Aufbau ganzer Netze wären zwar noch einige technische Innovationen nötig (z.B. Durchfahren bei Zwischenhaltestellen, Überholspuren in den Stationen bei einem Gondelstau beim Ein- und Aussteigen, eigene Kreuzungsstationen oder modular gebaute, nachträglich erweiterbare Stationen), aber bisher sind noch alle Kundenwünsche (von der Gondelheizung bis zur Cabrio-Gondel) von der Seilbahnherstellern erfüllt worden.

Innerstädtische Seilbahnen sind Teil der gewünschten Elektromobilität

Angetrieben werden die zentralen Motoren durch elektrischen Strom und die Anlagen können Bremsenergie wieder ins Netz zurückspeisen, Der Strom kann nachhaltig erzeugt werden und Abgase in den Straßen werden vermieden.

“Hingehen, einsteigen und abfahren,
an 7 Tagen in der Woche von 05:00 bis 24:00 Uhr”
als neue Devise für Öffentliche Verkehrsmittel!

Internet-LINKS:

Zum Thema innerörtliche Seilbahnen existieren (von den Webauftritten der Hersteller abgesehen) nur wenige Websites:

Ich bemühe mich auf meiner Webseite einen Überblick und eine Linksammlung über das Sachgebiet der innerörtlichen Seilbahnen zu geben und technische und logistische Probleme zu erörtern, vieles in deutscher Sprache, das Wesentliche auch in englischer Sprache. Ich betreibe die Website ohne Sponsoring durch Seilbahnhersteller oder sonstige Interessentengruppen.

Steven Dale, ein Designer und Stadtplaner aus Toronto (Kanada), beleuchtet auf seinem professionell gemachten Web-Blog “365 Days of Cable-Propelled Transit” mit täglichen Einträgen (seit November 2009) eher die gesellschaftliche und stadtplanerische Seite (in englischer Sprache)

Ein zartes Pflänzlein gedeiht noch in französischer Sprache bei Le Chaînon Manquant.

Diverse Seilbahnforen streifen das Thema gelegentlich, aber einen guten Einstieg für englischsprachige Einsteiger bietet noch das Seilbahnforum auf Skyscrapercity.

Empfohlene und zum Teil verwendete LITERATUR:

MONHEIM Heiner, MUSCHWITZ Christian Muschwitz, AUER Wolfram, PHILIPPI Matthias: Urbane Seilbahnen – Moderne Seilbahnsysteme eröffnen neue Wege für die Mobilität in unseren Städten ; ISBN 9 783940 685988 – 39,00 Euro /124 Seiten, Kölner Stadt- und Verkehrsverlag; http://www.ksv-verlag.de/

SEEBER, Anton: The Renaissance of the Cableway – Innovative Urban Solutions from Leitner Technologies – Innovative städtische Personentransportsysteme von Leitner Technologies – Innovativi sistemi di trasporto urbano di Leitner Technologies dreisprachig: englisch / deutsch / italienisch ISBN 978-88-6069-006-7, 144 Seiten, viele farbige Abbildungen, pdf-Textauszug daraus mit ca. 2 MB bei http://www.urbancableways.com/

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V.: Hinweise zu Systemkosten von Busbahn und Straßenbahn bei Neueinführung, Köln (2008), ISBN 978-3-939715-60-3

Aktualisierungen:

28.04.2013 – defekte Links ersetzt

Ing. Guenther Ecker

Gründer und Leiter des "avoid bad carbon dioxide emissions"-Instituts, einem nichtuniversitären Institut und Verein zur Forschung und Forschungsförderung. Ziel ist, neue Möglichkeiten zur Einsparung von CO2-Emissionen im Alltag zu suchen und zu publizieren. Sie erreichen den Autor per Mail unter info@abcde-institute.org

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Oli
Oli
8. März 2015 20:13

Vielen Dank für den interessanten Artikel. Vergangenes Jahr war ich in Georgien, in dem in verschiedenen Städten Seilbahnen als Nahverkehrsmittel einsetzt wurden.

In Tiflis gibt es heute nur noch zwei Linien, aber in Tschiature sind noch immer viele dieser alten Bahnen in Betrieb. Besonders spannend: Es gibt dort auch mehrere Stationen, wo man zwischen den einzelnen Seilbahnlinien umsteigen kann.

Leider werden die Bahnen aus Geldmangel zunehmend stillgelegt und mit Bussen ersetzt.

KK
KK
Reply to  Oli
10. Dezember 2015 21:57

Wie kann das sein, wo Seilbahnen doch angeblich die Lizenz zum Geld drucken sind, wie in dem Artikel geschwärmt wird ??

Randelhoff Martin
Reply to  KK
12. Dezember 2015 15:06

In Georgien kann man zurecht von einem rostigen Erbe der Sowjetzeit sprechen, siehe auch diese Fotos: http://orf.at/stories/2200044/2200045/

Die Seilbahnen sind mittlerweile etwa 60 Jahre alt und dringend erneuerungsbedürftig. Ursprünglich wurden sie in Tschiatura für den Bergbau aufgebaut und gehören auch immer noch Bergbauunternehmen. Nachdem insbesondere der Abbau von Mangan nicht mehr floriert, fehlt den Bergbauunternehmen Kapital zur Erneuerung. Mittlerweile haben die Seilbahnen eine größere Bedeutung für den Personenverkehr bekommen und werden auch entsprechend erneuert. Aber sie werden auch in Zukunft niemand reich machen, sondern Basismobilität in der gebirgigen Region bieten.

2012 hat man in Tiflis eine neue Seilbahn vom Rike-Park bis hoch zur Narikala-Festung eröffnet. In den kommenden Jahren sollen die bestehenden Seilbahnen Stück für Stück erneuert werden.

Georgien ist bei urbanen Seilbahnsystemen ein Spezialfall und nur eingeschränkt vergleichbar. Man vergleicht ja auch nicht alte Tatra-Straßenbahnwagen aus den sechziger Jahren mit modernen Niederflur-Straßenbahnen…

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Verfasst von:

Ing. Guenther Ecker

Gründer und Leiter des "avoid bad carbon dioxide emissions"-Instituts, einem nichtuniversitären Institut und Verein zur Forschung und Forschungsförderung. Ziel ist, neue Möglichkeiten zur Einsparung von CO2-Emissionen im Alltag zu suchen und zu publizieren. Sie erreichen den Autor per Mail unter info@abcde-institute.org