Die Zukunft ist etwas Spannendes. Auf die ein oder andere Weise vorstellbar, unkonkret, aber dennoch stets faszinierend. Unser Bild von der Zukunft ist dabei stets geprägt von unseren Erfahrungen aus der Vergangenheit und der Gegenwart. Daher ist es für die meisten Menschen schwer vorstellbar, dass wir in 50 oder 100 Jahren andere Planeten bevölkern, wir in unseren 3D-Druckern “gedrucktes” Fleisch essen, in fahrerlosen Fahrzeugen durch die Gegend fahren, Dronen einen Großteil des Güterverkehrs übernommen haben, Organe in Laboren gezüchtet werden, Menschen sich Computer einpflanzen lassen und ihre Sinne dadurch schärfen oder wir das Wetter lokal direkt beeinflussen können.
Auch für den Verkehrsbereich sind Prognosen sehr schwierig. Zwar errichten wir Bauwerke und Netze für eine Lebensdauer von 30, 50 oder gar 100 Jahren und geben damit dem heutigen Verkehr eine Struktur für viele Jahre vor. Es ist jedoch unklar, ob nicht vollkommen neue Technologien entstehen, welche bestehende Systeme vollständig ersetzen werden. Im 18. Jahrhundert war es für viele Kutschenhersteller und Pferdezüchter ebenfalls schwer vorstellbar, dass die Rolle des Pferdes einmal so marginalisiert werden wird. Ebenso kann man aus heutiger Perspektive keine Bestandsgarantie für die Automobilindustrie über die kommenden Hundert Jahre aussprechen.
Es ist daher sehr spannend zu betrachten, wie sich die Menschen um 1900 die Welt im Jahr 2000 vorgestellt haben. Der französische Künstler Jean-Marc Côté und andere Künstler haben aus den Visionen aus der Zeit unserer (Ur-)Großväter zwischen 1899 und 1910 eine Serie futuristischer Bilder erstellt. Zunächst als Einlage in Zigarrenschachteln konzipiert, später auch als Postkarten. Die ersten Bilder wurden für die Weltausstellung in Paris im Jahr 1900 in Auftrag gegeben, jedoch leider nie veröffentlicht. Ein Set mit 87 Postkartenmotive von verschiedenen französischen Künstlern ist aktuell bekannt.
Die Künstler wurden durch die ersten Science Fiction-Autoren der damaligen Zeit und maßgeblich von Jules Verne beeinflusst. Die Postkartenmotive zeigen den eindeutigen Einfluss von Jules Vernes Sammlung Voyages Extraordinaires, bestehend aus 55 Romanen, darunter die bekannten “Die Reise zum Mittelpunkt der Erde” (1864), “20.000 Meilen unter dem Meer” (1869–1870) sowie “Reise um die Erde in 80 Tagen” (1873).
Des Weiteren spürt man die Faszination der damaligen Zeit für das Fliegen. Dies ist auch kein Wunder, wurden doch in den 1890er Jahren die ersten Motorsegler entwickelt, der erste Zeppelin im Jahr 1900 gebaut und die Gebrüder Wright führten ihren historischen Flug im Jahr 1903 durch.
Die Bilder verdeutlichen nochmals, dass Menschen sich den technologischen Fortschritt auf die eine oder andere Weise richtig vorstellen, den Umfang und die Auswirkungen jedoch stark unterschätzen. Zwar mögen wir den Luftraum nicht auf der angedachten individuellen Ebene für uns erschlossen haben, insbesondere der Computer und die Informations- und Telekommunikationstechnologie haben Ideen der damaligen Zeit jedoch viel weiter gedacht. Mikroprozessoren und die stark steigende Rechenleistung machen viele Technologien der heutigen Zeit erst möglich, waren aber aus damaliger Sicht unvorstellbar. Es lohnt sich daher auch heute, Vorschläge und Ideen nicht wegen angeblicher “technischer Unmöglichkeit” im Vornherein abzulehnen, sondern die Möglichkeiten und Folgen für unsere Gesellschaft, unser persönliches Leben, die Wirtschaft und das eigene Unternehmen zu durchdenken. Beim persönlichen Blick in die Glaskugel denken wir ab und zu sehr beschränkt!
Fünfzig der 87 Illustrationen sind bei Wikimedia Commons zu finden. Jene mit Verkehrsbezug sowie meine Favoriten habe ich hier eingebunden. Es lohnt sich jedoch, die gesamte Serie anzusehen. Das Urheberrecht der Illustrationen ist mittlerweile abgelaufen, sodass alle Bilder unter public domain stehen.
Ich wünsche allen frohe Ostern und erholsame Festtage!
Ein interessanter und knackig gut geschriebener Kurzartikel mit tollen, alten Bilder. Vielen Dank. VG Dirk