Von Jahr zu Jahr braucht man weniger Zeit, um über den Ozean, aber mehr Zeit, um ins Büro zu kommen.
– Unbekannt
In den vergangenen Jahrzehnten hat die Reisegeschwindigkeit weiter zugenommen. So beträgt die Reisezeit zwischen New York City nach Los Angeles mit dem Flugzeug im Jahr 2015 fünf Stunden und 45 Minuten, im Jahr 1800 war eine mehrmonatige beschwerliche Reise notwendig und im Jahr 1900 war man mit der Eisenbahn mindestens vier Tage unterwegs.
Die folgenden Karten zeigen die Entfernungen, welche in einem gewissen Zeitraum von New York City in den Jahren 1800, 1830, 1857 und 1930 zurückgelegt werden konnten. Hierfür wurde die Entfernung zu ausgewählten Punkten auf Karten geplottet und über Isochronen miteinander verbunden. Die Isochronen bilden die möglichen Punkte ab, die innerhalb einer bestimmten Reisezeit oder Entfernung von New York City erreichbar sind.
Die ersten drei Karten (A, B, C) verwenden Wochen als Zeiteinheit, die vierte Karte (D) Tage und die fünfte Karte (E) 12-Stunden-Intervalle. Bei den Karten A, B und C war die Datenlage am schlechtesten, sodass insbesondere größere Entfernungen näherungsweise anhand der geografischen Gegebenheiten (Flüsse, Berge, Täler) ermittelt wurden.
Im Jahr 1800 waren Reisen auf dem Wasserweg oder mit der Postkutsche von New York City auf ein Gebiet beschränkt, welches im Norden von Boston, Bennington und Albany, Richmond im Süden und die Allegheny Mountains (Teil der Appalachen) im Westen begrenzt war. Für eine Reise von New York City nach Charleston benötigte man auf dem Seeweg mindestens zehn Tage und nach New Orleans 26 bis 28 Tage.
Auf dem Landweg benötigte man nach Buffalo mindestens neun Tage über die Hudson-Mohawk Route und nach Pittsburgh zehn Tage mit einer abenteuerreichen Gebirgsquerung.
Zwischen 1800 und 1830 entwickelte sich das US-Verkehrsnetz sowohl zu Land wie auch auf dem Wasser mit hoher Geschwindigkeit. Zum einen wurde in diesem Zeitraum das Dampfschiff erfunden und zum anderen der Eriekanal fertiggestellt. 1811 wurde mit dem Bau des ersten US-Highways begonnen. Die “National Road”, auch bekannt als “Cumberland Road” erstreckt sich über 1.000 km in Richtung Westen von Cumberland in Maryland bis zum Ohio River (1818) und weiter bis Vandalia in Illinois (1839). Ein geplanter Weiterbau bis zum Mississippi wurde durch die Wirtschaftskrise von 1837 verhindert.
Die Reisezeit von New York nach Charleston reduzierte sich von zehn Tagen auf sechs und nach New Orleans von 26-28 Tagen auf 14 Tage. Cleveland war noch eine Zehn-Tages-Reise und Detroit eine 13-Tages-Reise entfernt. Der Weg von Detroit nach Chicago benötigte auf dem Landweg sechs Tage und auf dem Wasserweg immer noch über zwei Wochen.
Die Auswirkungen der Entwicklung des Verkehrsträgers Schiene in den USA im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts zeigen sich in Karte C. Das US-Schienennetz hatte bis dahin den Mississippi und den Süden Wisconsins aus östlicher Richtung erreicht. Weiter in Richtung Westen wurde weiterhin die Postkutsche oder der Wasserweg genutzt.
Im Jahr 1869 wurde die 3069 Kilometer lange “First Transcontinental Railroad” als erste Ost-West-Eisenbahnverbindung eröffnet. Die Bahnstrecke zwischen dem Missouri River und Kalifornien wurden zwischen 1863 und 1869 durch die Bahngesellschaften Central Pacific Railroad (CP) und Union Pacific Railroad (UP) erbaut.
Bis 1930 wuchs das US-amerikanische Schienennetz rasant an und verringerte die Reisezeiten maßgeblich.
Reisezeitgewinne aufgrund des engmaschigeren Schienennetzes wurden jedoch vergleichsweise langsam erzielt. Grund war der Infrastrukturaufbau, wer einige Jahrzehnte und entsprechende Investitionsmittel in Anspruch nahm.
Mit dem Aufkommen des Luftverkehrs verringerten sich die Reisezeiten nochmals signifikant, auch wenn diese Form des Reisens für viele Menschen nicht erschwinglich war und im Vergleich zu heute deutlich langsamer war.
Die höhere Reisegeschwindigkeit bei konstantem Reisezeitbudget bedeutet im Umkehrschluss, dass wir unsere Reiseweiten ausgeweitet haben und auch in Zukunft weiter ausweiten werden. Deutsche über 14 Jahre legen heutzutage im Schnitt 21.500 km pro Jahr und Person zurück, darauf entfallen 45 Prozent auf Fernreisen (~10.000 km)1. Wachsende Entfernungen werden jedoch nicht nur im Fernverkehr zum Beispiel auf dem Weg in den Urlaub (Flug nach Südostasien oder in die USA statt Zugfahrt an die Nordseeküste), sondern auch bei unseren täglichen Wegen zurückgelegt. Denn auch im Nahbereich haben die Erfindung des Fahrrads, des Automobils, des Busses und schienengebundener Nahverkehrsfahrzeuge sowie Infrastrukturverbesserungen die Reisegeschwindigkeiten sukzessive erhöht. Durch die folgende Fahrleistungsausweitung (z.B. Fahrt ins Grüne oder in die nächstgrößere Stadt) haben sich in den nachfolgenden Jahren / Jahrzehnten Strukturen derart verändert, dass im Nahbereich grundlegende Bedürfnisse nicht mehr an allen Orten Deutschlands fußläufig gedeckt werden können und man auf die Nutzung entsprechender Verkehrsmittel – insbesondere des Pkw – angewiesen ist.
Die höheren Reisegeschwindigkeiten lassen neue Phänomene wie “hypermobile Menschen” oder “Super-Pendler” entstehen. Letztere legen Arbeitswege von 4.000 km und mehr zurück. Eine kleine, aber wachsende Gruppe: In New York City ist die Zahl der “Super-Pendler” zwischen 2002 und 2009 um 60 Prozent gewachsen (22.200 Menschen).
Der technologische Fortschritt dürfte aller Voraussicht nach in den kommenden Jahrzehnten eine weitere Beschleunigung des Verkehrs ermöglichen und Distanzen weiter schrumpfen lassen.
- Frick, Roman; Grimm, Bente (2014): Long-Distance Mobility: Current Trends and Future Perspectives. ifmo, INFRAS, NIT: München, Bern, Kiel, S. 13 ↩