Konzepte urbane Mobilität

[Vortrag] Heiner Monheim zu urbanen Seilbahnsystemen

Emirates Air Line London Seilbahn urban im Nebel
Foto: "London Fog - Dec 2013 - The Emirates Air Line" von Edwin Hopper (shappyhopper) @ Flickr - CC BY 2.0

Im September 2012 habe ich einen Vortrag in Koblenz zum Thema “Wunderlösung Elektromobilität?” (Aufnahme und Transkript) gehalten. Im Rahmen der Vortragreihe “Koblenz – grüne Stadt am Wasser” sprach auch Prof. em. Dr. Heiner Monheim, Uni Trier, über urbane Seilbahnsysteme. Freundlicherweise gestattete er mir die Veröffentlichung des Mitschnitts.

Herr Prof. Monheim beschäftigt sich schon seit mehreren Jahrzehnten im Rahmen seiner ehemaligen Lehrtätigkeit intensiv mit Verkehr und setzt sich sehr stark für umweltfreundliche und stadtverträgliche Verkehrskonzepte und Planungsstrategien ein. Monheim ist unter anderem Mitbegründer des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) und seit März 2012 Stellvertreter des Bundesvorsitzenden beim Fahrgastverband Pro Bahn (siehe auch Wikipedia).

In Koblenz hat Prof. Monheim über urbane Seilbahnsysteme gesprochen, die auch schon in diesem Blog Thema eines Gastbeitrages waren. Insbesondere die Beispiele für mögliche und vor allem sinnvolle Anwendungen in Deutschland im letzten Viertel des Vortrags lassen die Seilbahn als urbanes Verkehrsmittel durchaus konkurrenzfähig wirken.

Herr Monheim hat auch einen recht speziellen Vortragsstil, der mitunter sehr packend und plastisch wirkt. Auf jeden Fall ist er nicht als Mann der leisen Töne bekannt…

Folien

Transkript

Zu meinem Hintergrund: Ich komme aus der Radfahrstadt Bonn. Ich habe mein berufliches Leben 15 Jahre in Bonn im Städte- und Raumordnungsministerium, 10 Jahre in Düsseldorf im Verkehrsministerium und 15 an der Uni Trier. Zum Hintergrund: Hartmut Topp und ich haben uns schon in den Windeln kennen gelernt. Und wird sind ziemlich Urviecher und Dinosaurier, weil wir schon sehr früh angefangen haben, den Verkehr ein bisschen gegen den Strich zu bürsten.

Ich soll etwas zu urbanen Seilbahnen sagen und ich fange mal damit an. Er [Anmerkung: Damit bin ich gemeint] hatte dieses Beispiel mit der erwarteten Reiseweite, die die Elektromobilität liefern soll. Wenn wir das Auto auch so eingeführt hätten nach dem Motte jeder hätte gesagt „es muss aber auch bis zum Mond fahren“, dann führen wir heute noch kein Auto. Wir haben es ganz viel zu tun mit einem Riesenproblem wie wir die Dinge wahrnehmen.

Und urbane Seilbahnen nehmen wir so wahr, dass wir glauben: Seilbahnen…also Schnee. Seilbahnen…also Berg. Wir haben jetzt 50 oder 60 Jahre Seilbahnentwicklung im Hochgebirge, in den Alpen, und in den Mittelgebirgen. Sessellift, Schlepplift. Das ist alles was wir zu Seilbahnen im Bild haben. Das Seilbahnen irgendwas mit Urbanisierung zu tun haben könnte, auf den Trichter kommen wir zunächst nicht. Was Urbanisierung bedeutet hat das Bild eben gezeigt. In der ganzen Welt schreitet sie heftig fort. Am heftigsten in Asien, am wenigsten bei uns in den alt-urbanisierten Ländern. Unsere Städte schrumpfen teilweise, unsere Städte stagnieren.

Warum wachsen Städte in der Dritten Welt vor allem? Da haben wir hohe Geburtenraten, Landflucht, etc. Und deswegen ist das Verkehrsproblem an dem wir uns hier abarbeiten ein Peanut gegenüber dem was wir in Manila, Katmandu, Bombay, Mumbai oder wo auch immer erleben. Also in der Dritten Welt da ist die Kacke richtig am dampfen. Wir ärgern uns über einen Stau, der zwei Stunden dauert. Da haben wir Stau, der zehn Stunden dauert. Da haben wir Dauerstau. Aber da verkaufen wir ganz viele Autos. Wir haben schon viel Stau da, aber wir wollen noch viel mehr. Stau ist in den Motor des Autos eingebaut! Das Auto so wie wir es denken – jeder hat eins – kann einfach nur zum Stau führen.

Wir haben einfach das Problem, das wir vor dem Hintergrund unserer urbanen Renaissance…wir freuen uns ja, wenn die Städte wieder blühen. Wir freuen uns, wenn wir aufhören mit der Suburbanisierung, das wir dann uns irgendwie fragen müssen wie kommen wir mit dem Verkehr klar.

Also: Globalisierung des Staus. Das ist das beste Exportprodukt. Stau ist die erfolgreichste Exportware, die es überhaupt gibt auf der Welt. Und wir exportieren ihn.

Wir wissen, dass das eben gerade in China – und jetzt wird es interessant! Hartmut [Topp], deswegen hab ich China angesprochen – wie schnell da umgedacht wird. 4.000 Kilometer Eisenbahn bauen die Chinesen jedes Jahr! Konventionelle Eisenbahn. Nicht den Transrapid. Da haben sie ein kleines Stück von gemacht und dann haben sie gesehen: Moment, das führt nicht weiter. Also die sind dabei umzudenken. Da gibt es natürlich eine Mittelklasse, die im Moment BMW und Daimler haben will. Aber gleichzeitig gibt es in der Politik ganz viel Leute, die wissen: Auto ist Stau. Wir wollen eine effiziente Ökonomie und eine effiziente Ökonomie geht nur ohne Autos. Also die lernen sehr viel. Wir brauchen siebzig Jahre, bis wir das kapieren. Die kapieren das in fünf Jahren.

Damit wir nochmal darauf zurückkommen, warum wir den ganzen Schlamassel haben, muss man sich nochmal erinnern an den Städtebau, der die Stadt als Maschine gesehen hat und der immer geglaubt hat, das Auto hält in dieser Maschine Stadt alles zusammen. Das verbindet alles. Le Corbusier war gewissermaßen der Papst dieses American way of life: Fließband Stadt. Das Auto war das Fließbandmittel, dass das regeln sollte.

Und dann haben wir angefangen. Das kann man in den amerikanischen Städten sehen. Das Fließband braucht sechs Spuren, acht Spuren, zehn Spuren, zwölf Spuren und am Ende ist die Stadt weg, weil da lauter Autobahn gebaut ist.

Da sehen wir wie das aussieht (Folie 8). Koblenz ist noch eine Stadt soweit, aber man hätte sich vorstellen können, das wir bald da auch rankommen. Kam dann die Bundesgartenschau dazwischen. Da haben wir uns auch plötzlich in Koblenz mal schmale Spuren bauen getraut. Mensch, das haben wir uns getraut. Ein ganz kleines Autosträßchen. Es geht doch!

Und der entscheidende Punkt ist, dass wir das nicht nur – und deswegen hab ich auf Herrn Topp vorhin auch so reagiert. Wir in Deutschland haben ja schon – Hans-Jochen-Vogel war der OB, der das gesagt hat: Natürlich, unsere Innenstädte müssen schön werden, verkehrsberuhigt und Fußgängerzonen und dann war das das kleine Ghetto. Zwei Kilometer Fußgängerzone, das Gesamtstraßennetz 600 Kilometer und was ändern wir? Zwei Kilometer Fußgängerzone!

Das Chaos in Suburbia…da entsteht der Autoverkehr! Am Stadtrand, in Suburbia. Und deswegen hilft Verkehrspolitik nicht weiter, die nur auf die Innenstadt guckt. Wir müssen Verkehr im Ganzen sehen.

Und wir merken, dass das nicht funktioniert. Da können wir uns noch soviel einfallen lassen. Verkehr ist Chaos, wenn er mit Autos gemacht wird. Und die armen Busse hängen dann auch im Stau und das geht nicht.

Und dann kommt endlich in Deutschland das Aufwachen. Dann kommt so ein bisschen: Na, Moment. Es gibt ja doch Alternativen. Müssen wir alles mit dem Auto? Ist das Brötchen zehn Kilometer weiter besser als das Brötchen, das ich 200 Meter weiter in der Bäckerei kaufe? Ist das Brötchen für das ich zehn Kilometer fahre wertvoller? Quatsch! Fahren wir doch endlich nicht mehr so lange wie möglich, sondern versuchen wir, die Nähe wieder in ihrem Wert zurückzuerobern. Und das ist diese Philosophie hinter der Stadt der kurzen Wege.

Und das ist so wahnsinnig ökonomisch. Und der Henry Ford hat das alles begriffen. Der hat seine Fabrik so organisiert, dass die Dinge alle miteinander zusammen kamen. Aber am Ende fuhren da Autos raus aus der Fabrik und am Ende war das Chaos.

Und deswegen müssen wir die Städte nach einem anderen Prinzip machen. Koblenz hat da viele Chancen. Weil Koblenz ist durch seine Flüsse gewissermaßen eingeengt und durch seine Berge. Da ist eine ganze Menge kompakte Stadt im alten Koblenz drin. Wenn wir dann allerdings ein bisschen weiter nach Norden gehen in die etwas flacheren Regionen, dann ist suburbanes Chaos.

Und jetzt stehen wir vor der folgenden Frage. Das hat Herr Topp ja schon gesagt, das brauchen wir nicht zu wiederholen, da kommen jetzt plötzlich Grenzen. Wir wissen, dass das mit dem Klima weitergeht. Wir kriegen eine Pkw-Maut, die Zwei vor dem Komma, die Drei vor dem Komma bei der Tankstelle. Werden wir alle noch erleben! Ganz logisch wird das mit dem Auto so nicht weitergehen. Und deswegen müssen wir etwas Neues tun!

Wie kommen wir weiter? Und uns fallen normalerweise nur die gleichen Dinger ein: U-Bahn. Koblenz braucht dringend eine U-Bahn. Erste Idee, die wir vielleicht hätten. Nein! Wir müssen neu denken!

Natürlich hoffen wir immer alle, dass der Bund, der Ramsauer oder wie auch immer seine Nachfolger/in heißt, irgendjemand muss da oben mal für Ordnung sorgen. Weil wir haben ein Steuerrecht, was das Auto bevorrechtigt,  wir haben ein Baurecht, was das Auto bevorrechtigt. Der gesamte gesetzliche Rahmen ist immer so konzipiert, dass das auf Pkw- und Straßenverkehr hinausläuft. Und dann können wir noch so viel als Bürgermeister machen wollen, wenn der Rahmen erst mal nicht passt – also reicht es nicht, wenn ihr Bürgermeister am Ende bekehrt ist – sondern wir brauchen am Ende Bund, Länder und Kommunen und die müssen es am Ende gemeinsam ändern wollen. Wir müssen gemeinsam erkannt haben, so geht es nicht weiter.

Dann müssen wir natürlich bei den Alternativen nicht nur neu anstreichen, Sonntags in der Predigt . Die Dinger sind dann schön. Sondern montags, wenn der Fußgänger auch läuft. Das hat Topp ja so schön gezeigt. Vernünftige öffentliche Räume. Verkehr, in dem Ko-Existenz möglich ist. Das ist die Vision, die da entsteht. Okay, und die kompakte Stadt.

So, und jetzt haben wir die Neuheit: die Elektromobilität. Und wir wissen, dass die Bundesregierung und 16 Landesregierungen besoffen sind von Elektroautos, aber nicht von der Straßenbahn, vom O-Bus und auch nicht vom Pedelec. Also das von dem wir wissen, dass es geht, das haben wir jetzt einhundert Jahre ignoriert. Dass die Straßenbahn funktioniert, das ist prima und das wissen wir. Das von dem wir bei Elektroautos wissen ist: es kauft kein Schwein Elektroautos! Die Zahl der Elektroautos ist in den letzten zehn Jahren in Deutschland zurückgegangen. Wir hatten ja mal eine Flotte von Blei-Batterie-betriebenen Elektroautos. Jeder, der mal auf Langeoog Urlaub gemacht hat oder auf den Autofreien Inseln oder der in solchen Fabriken ist, wo Verbrennungsmotoren nicht sein dürfen, der kennt diese alten Dinger. Auf jedem Bahnsteig fuhr früher ein Elektrofahrzeug der DB rum, das die Wägelchen für den Packwagen und den Speisewagen hinter sich hergezogen hat. Kennen sie doch alles.

Aber Elektromobilität, das gibt es nicht mehr. Das bauen wir gerade ab. Die Zahl der Elektroautos nimmt trotz drei Jahren wahrsinnigen Hypes im Moment ab. Also lassen sie uns doch die kritischen Inhalte des vorangegangenen Vortrags ernst nehmen und sagen: Das ist eine dumme Idee. Elektromobilität ist eine Domäne des Schienenverkehrs. Siemens hat das erfunden. Wofür? Für den Schienenverkehr. Da hat es Logik gemacht, eine Oberleitung macht man nicht mal eben für ein kleines Auto, die macht man für ein wichtiges Verkehrsmittel.

Wir Deutschen haben den schweren Fehler gemacht, dass wir unser Bahnnetz nicht durchgängig elektrifiziert haben. Die Schweizer haben das weitgehend gemacht, die Holländer haben das weitgehend gemacht und wir haben nicht einmal ganz die Hälfte unseres Netzes elektrifiziert und deswegen die andere Hälfte so péu a péu stillgelegt.

Und jetzt komme ich so allmählich zu der Seilbahn.

Wie kommen wir jetzt dazu? Was gibt es denn?

Da gibt es einmal im Verkehr die sogenannten Bus Rapid Transit-Systeme. Das machen Entwicklungsländer. Vor allem in Lateinamerika und jetzt auch in China. Überall dort wo der Mut besteht, quer durch eine Stadt eine Straße exklusiv nur für den Öffentlichen Verkehr und in dem Fall nur für den Busverkehr freizugeben. Das sind Hochleistungssysteme für den konventionellen Busverkehr. Okay, wenn man da eine Oberleitung dazutun, ist es konventioneller O-Bus-Verkehr. Aber die Philosophie ist erst einmal: Die Busse sollen nicht im Stau stecken bleiben.

Und jetzt kommt das erste Mal die Seilbahn. Bei den ganzen Betrieb da unten mit den Autofahrern brauche ich gar nicht. Ich häng das Ding an einen Mast und plötzlich gibt es da unten kein Problem. Also die Seilbahn ist sehr voraussetzungsarm. Sie hat keinen großen Platzbedarf, hin und wieder mal einen Mast, hin und wieder mal eine Haltestelle und der Rest schwebt über dem sonstigen Geschehen.

Sie ist sehr flexibel. Kommt ein Fluss in die Quere, dann schwebt sie da einfach drüber. Siehe Rhein. Haben wir da gut hingekriegt. Aber das ist ganz wichtig: Eine Seilbahn kriegt man nicht für 2,50 Euro. Sie kostet etwas. Sie ist wesentlich preiswerter als der konventionelle Schienenverkehr, aber sie ist wesentlich teurer in der Investition als wenn ich von A nach B einen Bus fahren lasse.

Jetzt müssen wir einmal schnell die Scheuklappe öffnen. Wir denken bei Seilbahnen an einen Sessellift für zwei bis drei Personen. Das ist die Seilbahnkabine für 40 Personen. Wir können mit einer Seilbahn locker 7.000 bis 8.000 Leute in jede Richtung befördern. Das kann die Seilbahn, wenn sie eine urbane Seilbahn ist. Wenn wir nicht an den Sessellift und an Skisport in den Alpen, sondern an urbane Transportaufgaben denken.

So, da stehen jetzt, und das ist ganz interessant…die Seilbahnhersteller sind genauso vernagelt, ich arbeite mit zwei – den Weltmarktführern, die sind genauso vernagelt wie wir alle auch.

Bis vor kurzem glaubten die, eine Seilbahn könne nicht um die Ecke fahren. Haben sie noch nicht gemacht. Also war die Seilbahn immer nur ein lineares Verkehrsmittel. Aber natürlich kann eine Seilbahn um die Ecke fahren! Wenn man ihr eine Führungsschiene baut, dann fährt sie um die Ecke. Die kann auch im rechten Winkel abbiegen. Das kann die alles. Die haben bisher bei Seilbahnen immer nur in Punkt-Punkt-Verbindungen, Talstation und Bergstation, gedacht. Brauchten sie auch nicht, waren ja nur für die Alpen. Aber wenn du ein urbanes Verkehrsmittel sein willst, musst du zwischendrin halten. Eine Straßenbahn hält auch. Dann geht man hin und muss fünf Jahre an so einen Manager oder so eine Firma hintreten und sagen „Ihr sollte jetzt urbane Seilbahnen machen. Vergesst eure blöden Alpen. Vergesst eure blöden..macht jetzt endlich urban.“ Und dann fangen die endlich an zu experimentieren. Ich bin kein Ingenieur, ich hab von dem ganzen Kram keine Ahnung, aber ich bring denen bei wie eine Seilbahn um die Ecke fahren kann. Das versteht man nicht…

Hier haben wir jetzt die ersten Beispiele, die immer aus der Not geboren sind. Die Koblenzer Seilbahn ist ja aus der Not geboren. Da kommt plötzlich so eine Buga (Bundesgartenschau) daher. Und bis wir da oben mit einem konventionellen Verkehrsmittel sind…also was hilft denn?

Da kam in Hannover die Expo, da kommt in Lissabon die Expo, da kommen Ausstellungen. Und plötzlich brauchst du ein neues Verkehrsmittel. Und bis man mal ein neues Schienenverkehrsmittel plant – so eine Stadtbahn hätte man gerne geplant – so 15 Jahre muss man rechnen. 14 Monate haben wir gebraucht für die Seilbahn. Das geht schnell! Warum? Weil wir keinen Fahrweg bauen müssen. Du musst da nicht mir Riesenbaggern ankommen und alles umkrempeln. Du brauchst ein paar Masten, Seile spannen, Kabinen kaufen und los geht’s. Das Einzige was du brauchst, sind die Haltestellen. Und Berge brauchst du nicht, wie man hier sieht! Und auch keinen Schnee…

So, was die Seilbahn wirklich kann: Sie ist – die Bilder haben es ja schon gezeigt – extrem barrierefrei. Das liegt an der Haltestellentechnik. Wir haben das ja alle mal ausprobiert. Das wird verlangsamt, sie können rein, das geht prima!

Wenn sie sich vorstellen, da unten führt eine Straßen in Serpentinen den Berg hoch, dafür muss ich tausende Häuser abreißen. Damit ich mit der Straße den Berg hochkomme. Mit der Seilbahn muss ich für die Masten hin und wieder Mal zwei, drei Häuschen abreißen. Und der Rest geht durch die Luft. Sie ist minimal invasiv.

Und unter der Seilbahn kann ich alles machen was ich will. Ich hab da Flanierfläche, ich kann da einen Park haben, ich kann eigentlich diese Seilbahn in jede beliebige Struktur einpassen. Wenn mir da eine Schienenstrecke in die Quere kommt, dann schwebe ich darüber. Und wenn mir da eine Fabrik in die Quere kommt, was weiß ich, Werksgelände von Bayer Leverkusen, einfach darüber schweben. Geht alles.

Und jetzt kommt es. Erfunden ist alles. Aber wir machen so etwas nicht in Europa. Nirgendswo in Europa, jedenfalls nicht in Nennenswertem Umfang. Gemacht wird das in Nordafrika, gemacht wird das in Asien, gemacht wird das in Lateinamerika. Also da, wo wir eigentlich sagen würden, da ist nicht so wahnsinnig viel Fortschritt. Da ist die Politik korrupt und sonst weiß alles. Da wird Seilbahn gebaut. Und man fragt sich immer wieso ist das so?

Weil Politik in Deutschland ein Brett vor dem Kopf hat. Die Minister haben ein Brett vor dem Kopf, die Bürgermeister haben ein Brett vor dem Kopf, die Planer ein Brett vor dem Kopf, wir haben alle ein Brett vor dem Kopf! Wo sind hier die Berge, wo ist hier der Schnee? Also keine Seilbahn…

So einfach ist das.

Die Denkverbote, die Planungsgrundsätze und weil ja in den Gesetzen nichts drinsteht. Wir fördern Straßenbahn und U-Bahn. Baut man eine U-Bahn…toll, mach! Kriegst du viel Geld dafür. Also wir haben ein System, das auf so etwas überhaupt nicht vorbereitet ist. Das ist sicherlich eines unserer Probleme, die wir haben. Letztendlich, wenn man es will, kann man es doch machen. Wie man zum Beispiel an Koblenz sieht.

Ich habe mir jetzt überlegt: Was kann man jetzt alles machen? Wir haben tausende Situationen, wo eine Schienenstrecke zu früh endet. Die ist gebaut worden in den sechziger Jahren, die Siedlungsentwicklung ist weiter gegangen, neues Baugebiet, neues Gewerbegebiet, neue Sportarena, was auch immer, aber die Schiene ist nicht mitgewachsen. Wenn ich heute die Schiene von jetzt auf gleich wachsen lassen will…mit einer Seilbahn geht das.

Ich zeige Ihnen gleich Bilder, wo wir reale Situationen haben, in denen man mit einer Seilbahn unheimlich viel erreichen könnte. Hier eine Schiene, da eine Schiene, dazwischen gibt es keine Querverbindung. Tangentialverbindung. Unsere ganzen Schienennetze in Deutschland sind radial entstanden. Sternenmuster. Unser Verkehr läuft aber gar nicht mehr danach. Unser Verkehr läuft ringförmig, tangential, er ist viel komplexer. Also brauchen wir da Verbindungen. Wenn wir das Alles konventionell mit Straßenbahn und Stadtbahn machen wollten, brauchen wir so etwa siebzig, achtzig, neunzig, hundert Jahre. So lange will ich nicht warten!

So, ein paar Beispiele. Hier sind wir im Großraum Mannheim. Da haben wir eine S-Bahnstrecke. Dann haben wir da, so wie es eben oft so ist, die SAP-Arena, die kennen sie, ein Sportgelände, ein Riesenfabrikgelände, die sind alle weit weg von der S-Bahn. Wie kann ich so etwas miteinander verbinden? Dann könnten wir hier wunderbar von hier nach da, nach da, nach da eine Seilbahn bauen. Genau so ein Ding gibt es in Südamerika. Glauben sie nicht, dass sich in Rhein-Main die S-Bahn Gedanken über die Seilbahn machen würden. Brett vor dem Kopf!

Wir sind in Frankfurt. Viele sind schon einmal mit dem Zug gefahren. Da kommt man hier so rein Richtung Frankfurter Hauptbahnhof. Da ist ein altes Gründerzentrum, hier ist neue Stadtentwicklung entstanden, hier ist neue Stadtentwicklung entstanden, hier oben ist das Europa-Viertel entstanden. Jede Menge neuer Verkehrserzeuger, das Verkehrssystem reagiert aber nicht. Was könnte man machen? Man könnte das ganze Bahngelände überschweben, man könnte bis zur S-Bahn eine Querverbindung erschaffen. Existiert nicht.

Typischer Fall, wo wir dran sind. Das ist in Siegen zur Hochschule. Hier unten ist der Hauptbahnhof, da oben ist die Uni klassischerweise auf dem Berg. Jugendherbergen und Unis sind immer weit oben auf dem Berg und es gibt keine gescheite Verbindung. Da gurkt ein Bus rum. Und wir haben oben riesengroße volle Parkplätze. Also her mit der Seilbahn!

Köln kennen wir. Hier ist der Hauptbahnhof, hier ist der Deutzer Bahnhof, dort ist die Messe, der Mediapark. Also wieder etwas, wo wir im Prinzip keine vernünftige leistungsfähige ÖPNV-Verbindung haben. Klassischer Fall für eine Seilbahn.

Jetzt sind wir in der Nachbarstadt Bonn. Wieder auf dem Berg dort oben ein Klinikum. Riesiger Arbeitgeber, wächst und wächst und wächst. Jetzt haben sie wieder einen Brief bekommen. Bauen Häuser mit tausend neuen Betten. Aber auf zwei schmalen Straßen orgeln da die Busse hoch. Was ist das Ergebnis? Alle zwei Jahre wird ein neues Parkhaus gebaut. Und links stirbt einer gerade am Herzinfarkt und rechts wabert das Abgas. So machen wir das an unseren Klinken. Es gibt das Schild wo die Krankenschwester so macht „Pssst“. Kein Mensch hat etwas mit dem Schild am Hut. Je mehr Autoverkehr, desto besser.

Und jetzt? Da oben ist die Klinik, hier fährt die Straßenbahn, da fährt eine U-Bahn. Ein bisschen weiter kommt die linksrheinische Bahnstrecke und dann kommt der Rhein, dann kommt die rechtsrheinische Bahnstrecke und dann kommt nochmal Stadt. Fünf Schienenstränge laufen parallel und korrespondieren nicht miteinander. Keine dieser Schienenstrecken ist mit einer anderen verbunden. Eine Querspange mit einer Seilbahn und du kannst von jetzt auf gleich zwischen all diesen Schienenstrecken umsteigen.

Was soll das alles denn mal werden?

In diesen Seilbahnen steckt ungeheuer viel Potenzial. Man kann da die klassischen, typischen Verkehrsprobleme – nämlich den fehlenden Anschluss, das „missing link“, die kann man jetzt wunderbar – und das ist jetzt toll – in kürzester Zeit mit einfachen Planungssystemen, mit wenig Bauaufwand minimal invasiv überqueren. Und was würde man jetzt meinen? 16 Verkehrsminister sagen „Hurra Hurra!“, 200 Bürgermeister sagen „Hurra! Hurra!“? Nein. Alle Brett vor dem Kopf!

Ich empfehle: „Spurwechsel – Innovationen im ÖPNV“. Da können sie auch eine Menge über Seilbahnen nachlesen und was es sonst noch so gibt im Öffentlichen Verkehr an Innovationen. Und wer sich wirklich in die Details eindenken möchte: Es gibt ein kleines Handbuch „Urbane Seilbahnen“. Da kann man das alles im Detail nachlesen, im KFV-Verlag.

Letzter Punkt. Nochmal das Bild zurück. Weil wir ja so integriert denken, im Sinne der Elektromobilität und im Sinne der Mobilitätsstruktur von Herrn Topp. Natürlich gibt es hier eine Fahrradverleihstation. Und natürlich muss da eine Fahrradverleihstation sein. Und natürlich muss an jeder Haltestelle wo ein Bus hält, wo eine Bahn hält, eine Fahrradverleihstation sein. Die Dinge müssen zusammenkommen. Das muss in den Tarif integriert sein. Sie haben das Jahresabo, die Netzkarte der Deutschen Bahn, die Bahncard 100, sie können in ganz Deutschland einmal zahlen immer fahren und dann können sie das Carsharing nutzen, das Fahrrad benutzen, das wäre moderne Mobiliätsstruktur, aber: Brett vor dem Kopf! Vielen Dank!

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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Sven krämer
27. Dezember 2016 10:15

Auch wenn der Artikel etwas älter ist, so ist er immer noch aktuell genug, siehe auch Wuppertal.

Leider muss ich sagen, dass wir in einer Zeit leben, wo nicht nur die Politiker ein Brett vor dem Kopf haben, sondern viele Bürger auch. Daher wird zurzeit jedes Verkehrsprojekt so was von stark kritisiert und zur Not werden die blödesten Argumente aus der Kiste geholt und gebetsmühlenartig wiederholt.

Unsere ganze Infrastruktur in Deutschland siecht vor sich hin. Neue Innovationen sind so gut wie gar nicht vorhanden. Deutschland ist das einzige mir bekannte Land, das wirklich in diesem Punkt stagniert, und das obwohl so viel Potential vorhanden wäre, was eine Signalwirkung auch viele andere Länder weltweit bedeuten könnte.

Ich habe mit Seilbahnen nur ein Problem damit, weil ich persönlich mit der Höhe nicht klar komme, also ich kann nicht hinaus schauen, ohne das mir mulmig wird. Ansonsten halte ich das auch für eine gute Idee.

Tobias S.
Tobias S.
8. Februar 2013 14:40

In der aktuellen DB-Mobil-Ausgabe (2.2013) ist auch was über städtische Seilbahnen zu lesen, unter anderem mit Zitaten von H. Monheim.
Finde diese “Innovation” sehr interessant und denke, dass es da viel Potential gibt.

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Verfasst von:

Randelhoff Martin

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
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