Dieser Artikel ist Teil der Serie Neue Möglichkeiten der LKW-Auflieger Verladung. Eine Übersicht über alle Artikel finden Sie hier.
In meinem letzten Beitrag zu innovativen Umschlagmöglichkeiten für LKW-Auflieger habe ich kurz die unterschiedlichen Flächenverbräuche betrachtet. Allerdings steht nicht immer genügend Raum und Kapital zur Verfügung um mindestens zwei Terminals realisieren zu können. Helfen könnte in einem solchen der Flexiwaggon aus Schweden.
Um das Flexiwaggon-System vollständig verstehen zu können, ist es notwendig sich mit der Entstehungsgeschichte eingehend zu beschäftigen. Der Erfinder Jan Eriksson stammt aus der schwedischen Provinz Jämtland, eine Region mit einer Bevölkerungsdichte von drei Einwohner je Quadratkilometer.
Angefangen hat alles vor 15 Jahren. Jan Eriksson reparierte seine Spüle, als ihm die ganzen Müllbehälter auffielen. Er fing an darüber nachzudenken wie der Müll in Jämtland entsorgt wird und wie die weiten Wege, die der Müllwagen zurücklegt, verringert werden können. In seinem Kopf entstand die Idee, den Müllwagen für gewisse Strecken auf einen sowieso fahrenden Zug zu verladen und somit die Umwelt zu schonen. Dann fing die Denkarbeit an.
Das Ergebnis ist das Flexiwaggon-System gewesen, eine Möglichkeit LKW, Busse und PKW ohne Terminal und zusätzliche Rampen auf einen Eisenbahnwaggon verladen zu können und somit Fahrten zu reduzieren. Anstatt nur Müllwagen transportieren zu können, ist ein System entstanden, mit dem alle Arten von 18,75 Meter langen Aufliegern und anderen Fahrzeugen transportiert werden kann. Obwohl der Prototyp bereits im Jahr 2000 entwickelt wurde, sind noch nicht viele Flexwaggons auf dem schwedischen Schienennetz unterwegs. Allerdings haben bereits der große schwedische Einzelhändler ICA Sweden und die schwedische Energieagentur Interesse angemeldet.
So wäre es zum Beispiel möglich, LKW von den Zentralwarenlagern auf Züge zu verladen und im ganzen Land zu verteilen, sodass nur die letzten Kilometer mit dem LKW zurückgelegt werden müssten. Das System könnte die Nische von Bahntransporten mit einem Radius von 150 – 200 Kilometern gut abdecken. Dadurch würden zum einen die Anzahl der Straßentransporte erheblich reduziert werden, der Ausst0ß von Kohlendioxid und anderen Emissionen um 75% sinken und Kosten durch Skaleneffekte eingespart werden. Laut Aussage des Erfinders betragen die Kosten für einen Transport über 10 Kilometer 8,75 Dollar. Auch ist ein erheblicher Zeitgewinn denkbar. Das Verladen der LKW nimmt nur wenige Minuten in Anspruch, die Züge können schnellere Durchschnittsgeschwindigkeiten erreichen und Personal- und Treibstoffkosten können ebenso gesenkt werden.
Die Verladung
Der Flexiwaggon kann auf jedem ebenen Untergrund mit der notwendigen Festigkeit be- und entladen werden. Spezielle Terminals oder Vorrichtungen sind dabei nicht erforderlich. Das System ist sehr flexibel gestaltet, da jeder Waggon einzeln be- und entladen werden kann.
Der Fahrer muss für den Ladevorgang nur zweimal auf einen Knopf drücken, die einklappbaren Rampen fahren automatisch aus und wieder ein. Die Ladeeinheit kann an der Stirn- und Rückseite geöffnet werden und ist sowohl nach links als auch nach rechts ausfahrbar. Somit kann das Lademodul von beiden Seiten befahren werden, Rangieren oder eine Rückwärtsfahrt ist somit nicht notwendig. Der komplette Ladevorgang geht in sechs bis sieben Minuten über die Bühne. Der gesamte Zug kann in zehn bis fünfzehn Minuten komplett be- und wieder entladen werden. Es ist sowohl begleiteter wie auch unbegleiteter Verkehr möglich. Für Kühltransporte ist ein Stromanschluss vorhanden.
Da die LKW horizontal verladen werden, kann dieses System auch bei elektrifizierten Strecken angewendet werden, Transporte sind dank der geringe Waggonhöhe auch auf elektrifizierten Strecken und Strecken mit geringem Lichtraumprofil möglich. Ein Flexiwaggon kann mit maximal 50 Tonnen beladen werden, die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 120 km/h.
Im Bewegtbild lässt sich das System hier nochmals betrachten:
Die Vor- und Nachteile
Flexiwaggon bietet durch seinen hochflexiblen Aufbau einige Vorteile. So fallen alle Investitionen in notwendige Terminalstrukturen weg, der notwendige Kapitalbedarf ist also sehr gering. Außer den Waggons und eventuellen Ausgaben für Werkstätten, etc. fallen keinerlei Investitionen an, die restlichen Kosten sind alle variabel.
Des Weiteren können durch den Einsatz des Flexiwaggons Emissionen eingespart werden. Ein LKW emittiert im Schnitt 2,7 Kilogramm Kohlendioxid pro Liter Diesel. Als Beispiel für die möglichen Einsparungen wurde die Strecke zwischen Malmö und Luleå herangezogen. Auf dieser Strecke stößt ein LKW 1,9 Tonnen CO2 aus. Der Einsatz des Flexiwaggon-Systems könnte 20 LKW-Fahrten einsparen. Dies würde eine Einsparung von 40 Tonnen CO2 mit einer einzigen Zugfahrt bedeuten.
Nachteilig ist jedoch, dass die Technik wagenseitig verbaut ist, sodass die Wartung eine gewisse Komplexität mit sich bringt. Ebenso ist die Technik mit hydraulischen sowie elektrischen Komponenten sehr komplex und somit aufwendiger instandzusetzen. Fraglich ist auch, ob FlexiWaggon AB das notwendige Kapital für den Aufbau der Produktion aufbringen kann und ob sich dieses Produkt gegen die Vielzahl von Konkurrenten durchsetzen kann.
Nichtsdestotrotz überwiegen die Vorteile bei diesem System deutlich, sodass es nicht verwunderlich ist, dass einige Interessenten Schlange stehen. So zeigt zum Beispiel die Stadt Los Angeles an diesem System Interesse, um Müllwagen kostengünstig und schnell zu den Deponien in der Wüste zu bringen. Auch indische Eisenbahnunternehmen haben ein großes Interesse an diesem System bekundet.
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nachteilig scheint mir jedoch die Länge der Schienenfahrzeuge mitsamt Rampen zu sein.