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Slussen in Stockholm: Vorbildlicher Umbau eines Verkehrsknotenpunkts

Slussen Stpckholm Februar 2013
Der Verkehrsknotenpunkt Slussen im Februar 2013 - eigenes Bild - CC BY-SA 3.0

 

In Stockholm wird in den nächsten Jahren eines der ambitioniertesten Umbauprojekte eines Verkehrsknotenpunktes in Europa durchgeführt. Slussen ist eine Schleuse zwischen den Inseln Södermalm und Gamla stan und zudem einer der wichtigsten Umsteigepunkte der schwedischen Hauptstadt.

Die U-Bahn-Station Slussen ist die zweitmeistfrequentierte Station des Stockholmer U-Bahn-Netzes. An einem normalen Werktag steigen 79.000 Pendler hier zu und um. Die Vorortbahn Saltsjöbanan endet ebenfalls in Slussen. Im Busbahnhof beginnen viele Buslinien, die Kommunen im Osten der Stadt anbinden.

Südlich der Schleuse befindet sich der 1935 eröffnete kleeblattförmige, kreuzungsfreie Verkehrskreisel. Dieser äußerst raumfordernde Straßenverkehrsknotenpunkt wurde seit seiner Eröffnung nicht weiterentwickelt und ist heute in einem sehr schlechten baulichen Zustand.

Slussen Stockholm
Luftbild des kleeblattförmigen, kreuzungsfreien Verkehrskreisels 1936 – Fotograf: Cronquist, Gustaf W:son (1878-1967) – public domain

Da eine Renovierung inzwischen für undurchführbar gehalten wird, wird seit den neunziger Jahren ein kompletter Neubau der Verkehrsanlagen geplant.

Schlechter Zustand:

Slussen Februar 2013 Bauzustand
Bauzustand im Februar 2013. Nicht mehr viel zu retten… – eigenes Bild – CC BY-SA 3.0

Da in europäischen Innenstädten solch raumfordernde Bauwerke heutzutage nicht mehr gebaut werden und die Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsmittel verbessert werden soll, hat man sich zur kompletten Neugestaltung des gesamten Bereichs entschlossen. Durch die Neuplanung soll die Raumaufteilung an heutige Gegebenheiten angepasst werden. So werden erstmals die Bedürfnisse von Radfahrern und Fußgängern berücksichtigt und ÖPNV-Beschleunigungsmaßnahmen in diesem Bereich durchgeführt.

Plan Slussen Stockholm
Plan des Verkehrsknotenpunkts Slussen im Maßstab 1:1500 – public domain

Die beiden Inseln Södermalm und Gamla stan sind zurzeit über zwei Brücken mit insgesamt 12 Fahrspuren verbunden. Beide Brücken sollen durch ein Querungsbauwerk mit insgesamt acht Fahrstreifen, von denen zwei für den ÖPNV reserviert sind, ersetzt werden. Breite Fuß- und Radwege werden an die Fahrbahn anschließen. Die restliche Fläche soll aufgewertet werden.

Ist (Februar 2013):

Radweg am Verkehrsknotenpunkt Slussen im Februar 2013
Gehweg und Radweg im Februar 2013. Nicht geräumt, da es kurz zuvor erst geschneit hat. – eigenes Bild – CC BY-SA 3.0

Teilweise müssen Fußgänger durch solche Unterführungen laufen:

Fußgänger Slussen Stockholm kein Spaß
Nicht wirklich schön und auch nicht barrierefrei: Fußgängerunterführungen unter dem Kreisverkehr – eigenes Foto – CC BY-SA 3.0

Soll:

Brückenneubau Slussen Stockholm
Neue Hauptbrücke, Slussen, Stockholm – Quelle: Foster + Partners und Berg Architects

Die Aufenthaltsqualität für Fußgänger und Radfahrer soll durch einen neuen Plaza am Wasser steigen. Dieser soll neben einer Verbindung für den nicht-motorisierten Verkehr das Verweilen am Wasser ermöglichen. Zwei Gebäude am Ufer Södermalms werden abgerissen und Platz für Cafes, Restaurants und Kultur geschaffen.

Ist (Februar 2013):

Slussen Schleuse Stockholm
Die heutige Schleuse aus Sicht von Gamla stan – eigenes Bild – CC BY-SA 3.0

Soll:

Stockholm Slussen Umbau
Der Blick aus dem Wasser in Richtung Södermalm mit den neuen Restaurants und Kulturstätten unter einem Glasdach – Quelle: Foster + Partners und Berg Architects

Der Verkehrskreisel wird durch eine herkömmliche T-Kreuzung ersetzt. Die Schleuse muss ebenso modernisiert werden. Sie ist nicht nur für die Durchlässigkeit des Schiffsverkehrs aus dem Mälarsee in die Ostsee notwendig, sondern schützt Stockholm auf vor Hochwasser und sichert die Trinkwasserversorgung für zwei Millionen Menschen.

Slussen Stockholm Stadtentwicklung Stadtumbau
Plaza am Wasser – Quelle: Foster + Partners und Berg Architects

Parallel zur U-Bahn wird eine neue Brücke für Fußgänger und Radfahrer errichtet, die den Zugang zur Altstadt ohne Umwege ermöglicht. Die Hauptverkehrsstraße Stadsgårdsleden wird in einen Tunnel gefasst und die Überdeckelung mit Gebäuden und einem Park bebaut. Der direkte Zugang zum Wasser soll so ermöglicht werden.

Heute sieht die zu überbauende Straße so aus. Teile des Busbahnhofs sind ebenfalls zu erkennen:

Stadsgårdsleden Stockholm
Stadsgårdsleden. Die Straße soll eingefasst und begrünt werden. – eigenes Bild – CC BY-SA 3.0

Von weiter oben:

Stadsgårdsleden Stockholm Ausfahrt Busterminal
Heute wird sehr viel Raum durch den ruhenden Verkehr und die Ausfahrt des Busterminals verschwendet – eigenes Foto – CC BY-SA 3.0

Das Busterminal wird neu errichtet und direkt mit der U-Bahn verknüpft. Der Bahnhof der Vorortbahn Saltsjöbanan erhält ein zweites Gleis. Wo in Zukunft die Einfahrt zum neuen Busterminal sein soll, befindet sich heute noch ein Parkhaus:

P-hus Slussen Busterminal
Die zukünftige Einfahrt zum Busterminal ist heute noch eine Tiefgarageneinfahrt mit integrierter Tankstelle – eigenes Foto – CC BY-SA 3.0

Das Busterminal im Februar 2013:

Slussen Busse Saltsjöbanan
Busbahnhof und Tunnelbana / Vorortbahn Saltsjöbanan unter Slussen – eigenes Bild – CC BY-SA 3.0

Soll:

Busbahnhof Stockholm Slussen
Innenraum des neuen Busbahnhofs Slussen – Quelle: Foster + Partners und Berg Architects

Die Vorarbeiten für das ambitionierte Projekt sollen noch in diesem Jahr starten. Der Abriss der Gebäude und der alten Brücken ist für das Jahr 2014 vorgesehen. Ab 2017 sollen die Bauarbeiten auf der westlichen Seite beginnen, für 2018 ist die Fertigstellung des neuen Busbahnhofs vorgesehen. Bis zum Jahr 2020 soll das Gesamtprojekt abgeschlossen sein.

Eines der beiden Gebäude, das abgerissen werden soll:

Slussen abrissreifes Gebäude
Definitiv abrissreif: Das frühere Gebäude der Birka Cruise Line, das danach ein Hotel inmitten des Kreisverkehr beherbergte – eigenes Foto – CC BY-SA 3.0

Das größte Stadtumbauprojekt Schwedens wird in 25 Einzelverträgen vergeben. Die Kosten werden mit acht Milliarden Schwedische Kronen, umgerechnet 935 Millionen Euro, beziffert.

Bürgerbeteiligung

Vorbildlich ist die Information zum Bauprojekt. Auf einer speziellen Projekt-Webseite (englische Version) können die unterschiedlichsten Informationen eingesehen werden. So sind beispielsweise die einzelnen Baustufen und Einzelaufträge aufgeführt, die mit zusätzlichen Informationen zu Ausschreibungen und Verträgen ergänzt werden. Detaillierte Pläne des Großbauprojekts können ebenfalls online eingesehen werden: Bauplan 1 (1,4 MB), Bauplan 2 (22 MB), Bauplan 3 (1,4 MB), Bauplan 4 (2,2 MB), Bauplan 5 (863 kb), Bauplan 6 (11,7 MB) und Bauplan 7 (10,1 MB). Alle weiteren Planungs- und Bauschritte werden transparent und leicht verständlich kommuniziert und die entsprechenden Dokumente mit veröffentlicht.

https://www.youtube.com/watch?v=BSRrW9xKKUc

https://www.youtube.com/watch?v=JxhuAFmSH8o

Anonymous

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Thomas Steglich
Thomas Steglich
9. Februar 2013 19:39

Vielen Dank für die umfangreiche Zusammenfassung über das Projekt. Das war selbst mir als derzeit im Großraum Stockholm Lebender nicht alles bewusst.
Zum ersten deiner Fotos: Es könnte sein, dass du dort eine Stelle erwischt hast, bei denen bereits mit Vorarbeiten begonnen wurde. Ich war zwar in letzter Zeit nicht mehr bei Slussen, aber das Foto erinnert mich an Fotos aus der hiesigen Zeitung, die im Januar vom Start der Vorarbeiten berichtete.
Ein weiterer Grund um Slussen umzubauen ist übrigens auch um Platz für weitere Gebäude zu schaffen.

Und ganz allgemein ist Stockholm als stark wachsende Gegend für Verkehrsplaner sicher eine wahre Freude. Aktuell wird ein Eisenbahntunnel unter der Stockholmer Innenstadt gegraben. Darüber gibt es jeweils umstrittene Pläne für einen Straßenbahnausbau im Osten sowie Südwesten der Stadt, einen neuen U-Bahnlinie von der Innenstadt nach Südosten sowie neue Autobahnverbindungen im Osten und Westen der Stadt. Und das müsste jeweils mit Hilfe von vielen Tunneln oder Brücken entstehen, da die Stadt so stark von Wasser umgeben ist.

Lukas A. Kamratzki
Lukas A. Kamratzki
6. Februar 2013 22:54

Hallo Martin,

herzlichen Dank für Deine Aufarbeitung und die aktuellen Bilder!
1935, das muss ja damals unglaublich futuristisch angemutet haben. Noch 30 Jahre zuvor hatten wohl Pferdegespanne das Bild dominiert, und dann wird ein Knoten zum kreuzungsfreien Düsen durch die Stadt gebaut. Wahnsinn.

Grüße von Lukas.

Sven Krämer
6. Februar 2013 19:25

Na ja, ich glaube, solche Bauten findet man auf der ganzen Welt. Auf manchen Bildern hatte ich geglaubt, das wäre Sachen aus dem Ruhrgebiet.

Aber wenigstens wird dort etwas mal grundlegend modernisiert. Das wird mit Sicherheit eine ziemlich große Baustelle werden.

2020 das ist ein ehrgeiziges Ziel – finde ich.

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PUNKT Preisträger 2012

Zukunft Mobilität hat den PUNKT 2012 der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) in der Kategorie "Multimedia" gewonnen.

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Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) hat mich im Rahmen der VDV-Jahrestagung 2013 in Mainz als “Talent im ÖPNV” des Jahres 2013 ausgezeichnet. Der VDV vertritt rund 600 Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehrs, des Schienenpersonennahverkehrs, des Schienengüterverkehrs, der Personenfernverkehrs sowie Verbund- und Aufgabenträger-Organisationen.

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Verfasst von:

Randelhoff Martin

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

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