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Radverkehrsplanung und der Gesundheitsschutz – neue Radwege in Pandemiezeiten und darüber hinaus?

Foto: Peter Broytman @ QIMBY.net - CC0 1.0
Im Zuge der 'Coronakrise' werden in einigen Städten sogenannte Pop-Up-Bikelanes angelegt, um dem Radverkehr mehr Raum einzuräumen und 'Physical Distancing' zu ermöglichen. Doch was geschieht nach dem Abflauen der Corona-Welle mit diesen neu geschaffenen Radverkehrsanlagen?

Dies ist ein Gastartikel von Julian Senders. Wenn auch Sie Interesse haben, hier einen Gastartikel zu veröffentlichen, dann schreiben Sie mir bitte.

Bei der gewählten Überschrift “Radverkehrsplanung und der Gesundheitsschutz – neue Radwege in Pandemiezeiten und darüber hinaus?” denkt man zunächst an Unfallverhütung im Radverkehr. Die Corona-Krise treibt freilich ihre ganz eigenen Blüten. In einem nicht nur für das Land Berlin atemberaubenden Tempo entstehen in der Bundeshauptstadt derzeit im Angesicht von Corona und „Physical Distancing“ neue Radverkehrsstreifen, sogenannte Pop-Up-Bikelanes. Besonders aktiv zeigt sich dabei der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Dort wurden seit dem 25. März 2020 insgesamt 8,2 Kilometer temporäre Radwege – im Amtsdeutsch: Radverkehrsanlagen (RVA) – geschaffen (Stand: 16.04.2020), weitere Ausweisungen folgen derzeit.1 Dieses Vorgehen sorgt auch international für Aufsehen – so berichtet z. B. auch der Guardian über das Geschehen in Berlin. Auch andere Städte (z. B. Bogotá) gehen derzeit ähnlich vor.

Der hierfür erforderliche und betriebene Verwaltungsaufwand dürfte sich, gerade wenn man die Dauer sonstiger Verwaltungsvorgänge in Berlin kennt, in engen Grenzen halten. Dennoch drängt sich nicht nur mir die Frage auf, was nach dem Abflauen der Corona-Welle mit diesen Radwegen passiert. Es mehren sich – kritische, aber auch durchaus hoffnungsvolle – Stimmen, die Zweifel daran hegen, ob es wirklich zu einer Rückgängigmachung dieser Maßnahmen kommt. Dies gibt genügend Anlass für ein kurzes juristisches Intermezzo mit den zahlreichen Regelungen, die es bei neuen Radwegen zu beachten gibt. Am Ende soll eine – durchaus auch rechtspolitisch gemeinte – Einschätzung stehen.

I. Die Untiefen der Straßenverkehrsordnung

Mit der Handreichung „Regelpläne zur temporären Einrichtung und Erweiterung von Radverkehrsanlagen“ (RP TEER) der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz liegt ein amtliches Dokument vor, in welchem die genaue Ausgestaltung von Pop-Up-Bikelanes geregelt ist. Die Handreichung regelt modellhaft die Verkehrsführung und Beschilderung in Abhängigkeit davon, ob ein Parkstreifen rechts (RP TEER 02), links (RP TEER 03 ff.) oder gar nicht besteht (RP TEER 01), sowie die Handhabe an Straßenkreuzungen („Radverkehrsfurt“, RP TEER 04). Für alle gilt, dass die Breite des Radfahrstreifens sich durch die Breite des vorhandenen Fahrstreifens ergibt.

Dabei werden insbesondere die verschiedenen anzubringenden Verkehrsschilder genannt, welche in den Anlagen zur Straßenverkehrsordnung geregelt werden. Für den Radverkehr sind dabei insbesondere das Zeichen 237 (Radweg), das Zeichen 295 (Fahrstreifen- und Fahrbahnbegrenzung) und das Zeichen 340 (Leitlinie) relevant.

Mit der Leitlinie – also dem allseits bekannten, nicht durchgezogenen Streifen – können sog. „Schutzstreifen für den Radverkehr“ markiert werden. Ein solcher Schutzstreifen darf gemäß Z 340 (Anl. 3 zur StVO, lfd. Nr. 22) durch Fahrzeuge nur bei Bedarf überfahren werden, wenn der Radverkehr dabei nicht gefährdet wird. Das Parken ist für Fahrzeuge auf solchen Schutzstreifen verboten. Bei der Leitlinie handelt es sich um ein sog. Richtzeichen, welches gemäß § 42 Abs. 1 StVO besondere Hinweise zur Erleichterung des Verkehrs gibt. In RP TEER werden mit Z 340 Parkflächen zu Radwegen abgegrenzt.

Z 295 ist dagegen eine durchgezogene Linie, die von Fahrzeugen im Regelfall „auch nicht teilweise überfahren“ werden darf (Anl. 2 zur StVO, lfd. Nr. 68, Nr. 1 Buchst. a)). Mit ihr werden „Radfahrstreifen“ abgegrenzt.

Z 237 (Anl. 2 zur StVO, lfd. Nr. 16) ist keine Straßenmarkierung, sondern ein klassisches Verkehrsschild. Es ordnet einen Radweg an, der von anderem Verkehr nicht benutzt werden darf und seinerseits für Radfahrer die Pflicht begründet, allein diesen Radweg zu benutzen. Bei Z 295 und 237 handelt es sich um ein sog. Vorschriftzeichen, ein solches enthält Ge- oder Verbote (§ 41 StVO). Dabei gehen die gelben Markierungen, mit denen die temporären Radwege laut RP TEER markiert werden, den ständigen Markierungen gemäß § 39 Abs. 5 Satz 3 StVO vor.

II. Wie entsteht ein juristisch korrekter Radweg?

Die RP TEER regeln nur die Frage nach der konkreten Ausgestaltung, nicht aber nach dem „Ob“ solcher (temporärer) Radwege. Für den Verkehrsteilnehmer oder auch ansässige Gewerbetreibende stellt sich dagegen die Frage, ob und wann die Behörden temporären Radwege ausweisen dürfen. Da jedes Verkehrszeichen einen Verwaltungsakt darstellt, ist auch die Neuanlage von Fahrradwegen – ebenso wie z. B. auch die Anordnung einer Radwegbenutzungspflicht (Z 237 oder Z 240 der Anl. 2 zur StVO)2 – gerichtlich nachprüfbar. Wie jeder andere Verwaltungsakt im Ordnungsrecht müssen sie sich gegen eine konkrete Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung richten und verhältnismäßig sein.3

Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg verweist auf § 45 Abs. 9 StVO (der nur in Verbindung mit § 45 Abs. 1 StVO als Rechtsgrundlage herangezogen werden kann). Diese Vorschrift regelt zunächst, dass Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen sind, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Zudem gilt nach § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO: Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine das allgemeine Risiko übersteigende Gefahrenlage besteht. Dies ist besonders restriktiv. Der nächste Satz nimmt allerdings Schutzstreifen für den Radverkehr (Z 340) sowie Radfahrstreifen innerhalb geschlossener Ortschaften (Z 237 i. V. m. Z 295) von diesen sehr strengen Voraussetzungen für die Anordnung von Verkehrszeichen und -einrichtungen aus. Auf letztere Ausnahmevorschrift (§ 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 3 StVO) beruft sich somit das Bezirksamt.

Einer zwingenden Erforderlichkeit infolge besonderer Umstände i. S. d. § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO bedarf es dennoch, denn die Ausnahmevorschrift bezieht sich nur auf den besonders restriktiven Satz 3. „Zwingend geboten“ ist ein Verkehrszeichen nur dort, wo es zur Abwehr einer Gefahrenlage unbedingt erforderlich sowie die allein in Betracht kommende Maßnahme ist.4 Wann eine solche Gefahrenlage vorliegt, die Radfahrstreifen gerechtfertigt, ist weder in der StVO noch in der Verwaltungsvorschrift zur StVO geregelt.

Anhaltspunkte bieten die „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (ERA 2010), ein fachlich anerkanntes Regelwerk, dem nach Ansicht der Rechtsprechung entsprechender Sachverstand bzw. Erfahrungswissen entnommen werden kann.5 In diesem werden Gefahrenlagen u.a. je nach Verkehrsmengen, d.h. Fahrzeugen je Stunde, eingeschätzt. Das Regelwerk steht jedoch keinesfalls über der Verordnung, sodass die Behörde nicht an die Verkehrszählung gebunden ist, um eine Gefahrenlage zu bejahen. Dessen bedient sich das Bezirksamt, wenn es sagt: „Diese temporären Anordnungen können aufgrund der abgenommenen Verkehrsdichte ohne Verkehrsmengenzählungen durchgeführt werden.“ Die abgenommene Verkehrsmenge ist aber nicht der einzige Grund: Da Ziel der temporären Radstreifen vor allem die Schaffung von Abstand für Radfahrer während der akuten Bedrohungslage durch die Corona-Pandemie ist, wäre es zudem auch verfehlt, eine langwierige Zählung durchzuführen und deren Ergebnisse abzuwarten und auszuwerten.

III. Und nach Corona?

Kann aber das Bezirksamt jetzt Tatsachen schaffen, die die Corona-Pandemie überdauern? Klar ist, dass künftig die Gefahrenlage anders als jetzt hergeleitet werden muss – es wird wieder mehr Autoverkehr geben und die akute Bedrohungslage wird ebenso nicht vorliegen. Klar ist auch, dass eine Maßnahme, die einmal legal war, nachträglich illegal werden kann. Allerdings kommen die Berliner Behörden dem durch eine Befristung der Maßnahmen zuvor. Die Behörde hat zwar einen Einschätzungsspielraum, ist aber zugleich gebunden. Literatur und Rechtsprechung zu § 45 Abs. 1 StVO, der Teil der Rechtsgrundlage für die Radfahrstreifen in § 45 Abs. 9 StVO bildet, sind da sehr aufschlussreich:

„§ 45 StVO enthält keine Rechtsgrundlage, den Fahrzeugverkehr allein wegen verkehrsordnungspolitischer Konzeptionen zugunsten des öffentlichen Nahverkehrs sowie des Anwohner- und Wirtschaftsverkehrs zu verdrängen; § 45 Abs. 1 S. 1 StVO dient lediglich der Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs.“6

Sie hat – wie dies bei Verwaltungsakten oft der Fall ist – ein gewisses Ermessen, also einen Spielraum beim Erlass von Verkehrsschildern und -markierungen. Und genau dieses Ermessen ist überschritten, wenn die Behörde nicht zum Zwecke der Gefahrenabwehr handelt, sondern das verkehrsrechtliche Instrumentarium für einen außerhalb der Gefahrenabwehr liegenden Grund benutzt.7

Nun könnte irgendwann der Streit ausbrechen, ob denn nun die Pandemie vorbei und damit der Befristungstermin eingetreten ist. Von solchen juristischen Spitzfindigkeiten abgesehen (die Behörden sollten davon absehen), wird es nach der Pandemie schwieriger einen Radfahrstreifen einzurichten bzw. einen solchen beizubehalten. Auch das angesprochene Mittel der Verkehrsmengenzählung wird sicherlich wieder auf der Tagesordnung stehen.

IV. Verkehrs- und Mobilitätswende?

Nicht nur für die Fahrradfahrer, sondern generell für Anhänger einer „Verkehrswende“ und einer neuen und anderen Stadt- und Verkehrsplanung ist dieser Befund kaum befriedigend, heißt es doch, dass vielleicht der eine oder andere Radfahrstreifen irgendwann wieder seine rechtliche Existenzberechtigung verlieren wird. Dem könnte man mit dem Verweis auf das Recht als solches und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als einen zentralen Ausfluss des Rechtsstaatsprinzip abtun.

Dies ist indes zu einfach gedacht. Es würde verleugnen, dass die StVO als Recht eben auch ein Ergebnis der politischen Verhältnisse, vor allem der Politik im jeweils agierenden Verkehrsministerium ist. Die Auslegung durch Literatur und Rechtsprechung, die aber wiederum auch nichts anderes tut, als den Willen des Verordnungsgebers nachzuvollziehen, tut ihr übriges. Wer „Straßenverkehrsordnung“ neutral versteht, täuscht sich. Ihr Ausgangspunkt, also Zentrum ihrer Betrachtung, ist der motorisierte Individualverkehr. Sie ordnet diesem alle anderen Verkehrsträger unter: Das Anlegen einer Fahrbahn für Autos muss niemand rechtfertigen, sie wird in der StVO als naturgegeben betrachtet (dabei bedarf es erst der straßenrechtlichen Widmung, aber diese hat mit dem Straßenverkehrsrecht und der StVO nichts zu tun). Die Einengung derselben Fahrbahn zugunsten von Radfahrern ist dagegen höchst rechtfertigungsbedürftig.

Selbst das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg ist insoweit der Gesetzessystematik erlegen: Die Verkehrsmengenzählungen sind nach dem Verständnis des Bezirksamts derzeit gerade deswegen nicht durchzuführen, weil es derzeit weniger Autos gibt – im Umkehrschluss bedeutet das: die Zählungen sollen in erster Linie normalerweise feststellen, ob der (geringe) Autoverkehr einen solchen Radfahrstreifen zulässt.

Generell haben Flüssigkeit und Leichtigkeit des Verkehrs in der StVO einen Eigenwert, was nicht nur die hierauf abstellenden Vorschriften (§§ 41, 42 StVO über die Verkehrszeichen) zeigen, sondern auch von der Rechtsprechung und Literatur so verstanden wird.8 Mit Verkehr ist damit aber vor allem der Autoverkehr gemeint.9 Dies liegt an der Konzeption der StVO, die die Nutzung der gesamten Fahrbahn durch den Autoverkehr als Ausgangspunkt nimmt, der durch Markierungen und Verkehrszeichen in seiner Leichtigkeit und Flüssigkeit beschränkt wird.10 Soweit die „Flüssigkeit und Leichtigkeit“ bereits zugunsten von Radfahrern im Kampf gegen eine Radwegbenutzungspflicht gewirkt hat, handelte es sich um abgetrennte, den Autoverkehr nicht tangierende Radwege.11

Dafür, dass die StVO auf den Autoverkehr abstellt, zeigen auch § 45 Abs. 9 Satz 3 u. 4 StVO: von den strengen Voraussetzungen des Satzes 3 mussten Maßnahmen zugunsten des Radverkehrs erst durch den Verordnungsgeber ausgenommen werden – mit dem fließenden Verkehr kann dann nur der Autoverkehr gemeint sein.

V. Was am Ende bleibt…

Man könnte alledem ein Stück weit durch eine geänderte Auslegung der StVO entgegenwirken – so ist durchaus auch vertretbar, dass auf einer bestimmten Straße ohne einen Radverkehrsstreifen eine Gefahrenlage für Radfahrer besteht. Dies bedarf der Prüfung im Einzelfall. Erschwerend wirkt hier allerdings die Macht des Faktischen: wo es gefährlich ist, werden wohl weniger Radfahrer sein, was wiederum den Beweis einer Gefahr für Radfahrer erschweren wird. Wo kein Verkehrsangebot besteht, wird dieses weniger wahrgenommen und auf Auto und ÖPNV ausgewichen werden. In diesem Zusammenhang ist es klar zu begrüßen, dass mit der jüngsten Novelle der StVO ein verpflichtender Sicherheitsabstand von innerorts 1,5 m beim Überholen von Radfahrern eingeführt wurde.

Dass die Bezirksämter jetzt vorübergehende Tatsachen schaffen und auch experimentieren, ist ebenso begrüßenswert. Die langfristige Entscheidung für eine Mobilitätswende, d.h. eine echte und gerechte neue Aufteilung des öffentlichen Straßenraums verlässt aber – wie aufgezeigt – den Rahmen der StVO. Sie wirkt neuen Konzepten von Straßenaufteilung tendenziell entgegen. Die Rolle der Behörden ist beschränkt: sie können verkehrspolitische Entscheidungen nicht treffen und vorwegnehmen, dies ist die Rechtslage. Sie sollen dies aber auch gar nicht: Nicht umsonst verlangen der Gewaltenteilungsgrundsatz und damit zusammenhängend die Akzeptanz solcher Maßnahmen offen kommunizierter, politischer Entscheidungen des Gesetzgebers. Die Argumente – weniger Schadstoffbelastung und Lärm, mehr Lebensqualität und Sicherheit für alle – brauchen an dieser Stelle nicht wiederholt werden.

Aus rechtlicher Sicht aber ist festzustellen: Die StVO wirkt einer gerechten Aufteilung des öffentlichen Raums entgegen. Berlin hat mit seinem Mobilitätsgesetz, welches die Bedeutung von ÖPNV und Radinfrastruktur betont und hier eine ganzheitliche Planung ermöglicht, erste und wichtige Schritte getan. Langfristig wird eine Mobilitätswende nur ohne die StVO in ihrer jetzigen Konzeption stattfinden können. Solange diese Konzeption fortbesteht, ist es weiterhin ist es an den Entscheidungsträgern auf kommunaler Ebene, die StVO im Sinne aller Verkehrsteilnehmer auszulegen und im Übrigen ihre Kompetenzen im Straßenrecht – welches Straßenverkehr und damit die Geltung der StVO erst ermöglicht – im Sinne einer ganzheitlichen Mobilitätswende einzusetzen und auszureizen. Stadt- und Verkehrsplanung funktionieren auf lokaler Ebene ohnehin am Besten.

VI. Verweise

  1. vgl. Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin, PM vom 16.04.2020
  2. VGH München, DAR 2010, 40.
  3. BVerwG, VRS 46, 237; Hühnermann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. 2020, § 45 StVO, Rn. 4.
  4. Hühnermann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. 2020, § 39 StVO, Rn. 1.
  5. VGH Mannheim, Urt. v. 10.02.2011 – 5 S 2285/09 -, juris, Rn. 44; OVG Greifswald, BeckRS 2019, 34208.
  6. Hühnermann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. 2020, § 45 StVO, Rn. 3a mit Verweis auf: VG Berlin, NZV 2001, 395; OVG Rheinland-Pfalz, BeckRS 2016, 51816.
  7. OVG Bremen, NZV 2000, 140.
  8. BVerwG, NZV 1993, 284; Hühnermann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. 2020, § 45 StVO, Rn. 4.
  9. So auch Ringwald/Cagan in einem für den ADFC verfassten Rechtsgutachten: „Fahrradgerechte Änderung des Straßenverkehrsrechts“, 16.05.2019 (online abrufbar: https://www.adfc.de/fileadmin/user_upload/Expertenbereich/Politik_und_Verwaltung/Download/190516_Gute_Strassen-fuer-Alle-Gesetz_Final.pdf).
  10. vgl. Kettler, NZV 2002, 57, 61 f.
  11. VG Berlin, NZV 2001, 317.

Julian Senders

Julian Senders hat Rechtswissenschaft an der Freien Universität Berlin studiert und promoviert jetzt im öffentlichen Recht zum Verhältnis von Luftqualitätsrecht und Fahrzeuggenehmigung. Daneben recherchiert er zu Rechtsfragen der Energiewende. Als Berliner interessiert er sich besonders für Stadtplanung, Stadtentwicklung und vor allem für zeitgemäße urbane Mobilität.

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MarKo
MarKo
29. April 2020 11:15

Noch eine Ergänzung zur Neuaufteilung des Straßenraums mittels Teileinziehung: das Umweltbundesamt hat im Jahr 2019 untersuchen lassen, wie Veränderungen speziell im Straßenverkehrs- und Straßenrecht aussehen müssen:
https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/rechtliche-hemmnisse-innovationen-fuer-eine

Auf Seite 107 steht:

„[…] spielt auch für Fragen der Neuaufteilung und der Nutzungsdifferenzierung für das Straßenland das Straßenverkehrsrecht keine Rolle. Denn es ist allein das Straßenrecht, welches mit dem Instrument der Widmung festlegt, welche Nutzungszwecke für die jeweiligen Flächen als Gemeingebrauch gelten.”

Auch das Instrument der Teileinziehung wird dargestellt. Dabei wird auch auf das Baugesetzbuch hingewiesen. Im § 1 (Aufgabe, Begriff und Grundsätze der Bauleitplanung) steht im Absatz 6 “Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen: […] die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung, […]“.

Dazu heißt es in der UBA-Publikation auf Seite 105:
“Die in dieser Klausel zum Ausdruck kommende Herangehensweise des Bauplanungsrechts an die verkehrsbezogenen Aufgaben der Kommunen verdeutlicht einen Sinneswandel im Städtebaurecht, der in den Vorschriften des Straßenrecht (und auch Straßenverkehrsrechts) noch nicht angekommen ist. […] könnten die Landes- Straßengesetze auch – mit teils veränderten Einzelregelungen – integriert werden in ein umfassender angelegtes Landes-Mobilitätsgesetz, welches der regionalen und kommunalen Verkehrspolitik und – planung ein größeres Gewicht verleiht. So weit geht das 2018 in Kraft getretene Berliner „Mobilitätsgesetz“ nicht. Es nahm lediglich geringfügige Änderungen am BerlStrG vor, ließ das Gesetzeskonzept als solches jedoch unberührt.“

MarKo
MarKo
28. April 2020 11:25

Mit einer Teileinziehung könnte die Änderung der Straßenaufteilung bewerkstelligt werden. Teileinziehung ist die nachträgliche Einschränkung der Straßen-Widmung auf bestimmte Benutzungsarten, Benutzungszwecke, Benutzerkreise. Rechtsgrundlage sind die Straßengesetze, Zitat des § 4 Abs. 1, Satz 4 Berliner Straßengesetz (1):

“Von der Möglichkeit der Teileinziehung soll insbesondere dann Gebrauch gemacht werden, wenn zur Realisierung von Maßnahmen der Verkehrslenkung und Verkehrsberuhigung bestimmte Verkehrsarten auf Dauer von dem durch die Widmung der Verkehrsfläche festgelegten verkehrsüblichen Gemeingebrauch ausgeschlossen werden sollen.“

Im Rechtsgutachten „Öffentlicher Raum ist mehr wert“ (2) steht dazu im Zusammenhang mit Parkraum:

„[…] ist nur ein sehr eingeschränkter Rechtsschutz gegen die Einziehung von Verkehrsflächen möglich.“

(1)
http://gesetze.berlin.de/jportal/portal/t/m9t/page/bsbeprod.psml/action/portlets.jw.MainAction?p1=8&eventSubmit_doNavigate=searchInSubtreeTOC&showdoccase=1&doc.hl=0&doc.id=jlr-StrGBEV10P4&doc.part=S&toc.poskey=#focuspoint

(2)
https://www.agora-verkehrswende.de/presse/newsuebersicht/weniger-parkplaetze-schaffen-mehr-lebensqualitaet-handlungsspielraeume-nutzen-gesetze-anpassen/

Markus Koßmann
Markus Koßmann
28. April 2020 06:57

Zwei Anmerkungen dazu:

Das Anlegen einer Fahrbahn für Autos muss niemand rechtfertigen, sie wird in der StVO als naturgegeben betrachtet (dabei bedarf es erst der straßenrechtlichen Widmung, aber diese hat mit dem Straßenverkehrsrecht und der StVO nichts zu tun). Die Einengung derselben Fahrbahn zugunsten von Radfahrern ist dagegen höchst rechtfertigungsbedürftig.

Das Einengen der Fahrbahn durch “ruhenden” KFZ-Verkehr stört aber dann wieder nicht, so das es im Regelfall erlaubt ist.

Man könnte alledem ein Stück weit durch eine geänderte Auslegung der StVO entgegenwirken – so ist durchaus auch vertretbar, dass auf einer bestimmten Straße ohne einen Radverkehrsstreifen eine Gefahrenlage für Radfahrer besteht.

Die Erkenntnisse der Unfallforschung zeigen aber das es nicht unwahrscheinlich ist, das mit Radverkehrsstreifen sich das Unfallrisiko für Radfahrer erhöht, weil es dadurch mehr Abbiegeunfälle an Kreuzungen gibt. Und warum sieht man nur bei Radfahrern eine Gefahrenlage bei Benutzung der Fahrbahn ? Motorradfahrer haben im Schnitt ein etwa doppelt so hohes fahrleistungsbezogenes Risiko eine schwere Verletzung zu erleiden und ein mehr als vierfaches Todesrisiko wie Radfahrer.

MarKo
MarKo
27. April 2020 22:31

Herr Senders schreibt zum Zeichen 237: “ein klassisches Verkehrsschild. Es ordnet einen Radweg an”. Das ist vermutlich falsch. Das Schild ordnet die Benutzungspflicht des Radweges an. Dafür muss der Radweg schon vorhanden sein, den kann es auch ohne Zeichen 237 geben. Bei Zeichen 240 (Gemeinsamer Geh- und Radweg) wird tatsächlich nur durch das Schild aus einem Sonderweg ein Radweg. Aber ohne Zeichen 240 wird aus dem Sonderweg keine Auto-Fahrbahn. Für eine Änderung der Straßenaufteilung ist als Grundlage also nur das Straßenrecht nötig, auf die StVO kommt es nicht an.

Markus Koßmann
Markus Koßmann
Reply to  MarKo
28. April 2020 10:49

Z. 237 hat zwei Wirkungen:
1. Es verbietet für andere Verkehrsteilnehmer die damit gekennzeichnete Verkehrsfläche benutzen
2. Wenn diese Verkehrsfläche fahrbahnbegleitend verläuft, ist ein Radfahrer auch verpflichtet, Diese zu benutzen und nicht die Fahrbahn

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Weitere Informationen

Verfasst von:

Julian Senders

Julian Senders hat Rechtswissenschaft an der Freien Universität Berlin studiert und promoviert jetzt im öffentlichen Recht zum Verhältnis von Luftqualitätsrecht und Fahrzeuggenehmigung. Daneben recherchiert er zu Rechtsfragen der Energiewende. Als Berliner interessiert er sich besonders für Stadtplanung, Stadtentwicklung und vor allem für zeitgemäße urbane Mobilität.