In Krisenzeiten kommt der sogenannten Resilienz von Infrastrukturen, also deren Widerstandsfähigkeit eine besondere Bedeutung zu (siehe auch Resiliente Infrastrukturen und Städte: Kritikalität und Interdependenzen). Bei einer Epidemie, wie es derzeit beim Coronavirus der Fall ist, betrifft dies insbesondere das Gesundheitssystem, aber auch viele weitere kritische Infrastrukturen.
Der Verkehrsbereich nimmt in einem Epidemiefall eine Sonderrolle ein, da die Bewegung von Menschen die Verbreitung des Erregers befördert. Gleichwohl ist er weiterhin notwendig, um sich zu versorgen, medizinische Einrichtungen erreichen zu können und damit kritische Infrastrukturen aufrecht erhalten werden können.
Die einzelnen Verkehrsarten sind entsprechend ihrer Eigenschaften und der jeweiligen Krise unterschiedlich stark betroffen: Bei einer Seuche ist der enge Kontakt von Menschen im öffentlichen verkehr problematisch, bei einer Energiekrise wäre primär der pkw-Verkehr betroffen. Der mit Abstand zu anderen Personen durchgeführte nicht-motorisierte Verkehr wie das zu Fuß gehen oder das Fahrradfahren ist vergleichsweise krisenfest und hat auch beim Coronavirus Vorteile.
Als Sofortmaßnahme hat die Bürgermeisterin der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá, Claudia López, verfügt, dass zur Entlastung des ÖPNV, temporäre Radverkehrsinfrastruktur geschaffen wird. Das bestehende 550 Kilometer lange radwegenetz (cicloroutas) wird um 117 Kilometer temporäre Fahrradwege ergänzt, die von 6:00 bis 19:30 Uhr genutzt werden können.
Bogotá setzt hierbei auf das seit mehreren Jahrzehnten eingeübte Format der Ciclovía. Seit Mitte der 1970er Jahre werden bestimmte Hauptstraßen an Sonn- und Feiertagen von 7 bis 14 Uhr für den Kfz-Verkehr gesperrt und stehen den Menschen als öffentlicher raum zur Verfügung.
Für die temporäre Radverkehrsinfrastruktur werden einzelne Fahrstreifen mit Leitkegeln für den Kfz-Verkehr gesperrt. Ein Teil der Kreuzungsbereiche wird durch Personal besetzt, welche das sichere Queren gewährleisten. Neben der Attraktivitätssteigerung steht insbesondere die Unfallverhütung im Vordergrund. verkehrsunfälle mit Schwerverletzten belasten das Gesundheitssystem zusätzlich und nehmen Kapazität in Anspruch, die für die Behandlung von COVID-19 dringend benötigt wird. Durch die zusätzliche Infrastruktur kann das Sicherheitsniveau des Radverkehrs kurzfristig erhöht werden.
Sehr geehrter Herr Randelhoff, vielen Dank für die immer wieder interessanten Artikel und neuen Ideen! Im Moment frage ich mich, wie wahrscheinlich viele, wie eine Mobilität nach der Corona Epidemie aussehen wird. Vor allem langfristig, aber auch kurzfristig in der “Hochlaufphase” nach dem Lockdown, den wir nun in den meisten Ländern haben. Ich würde mich daher über ein “mehr” an Artikeln dieser Art freuen. Schöne Grüße und weiter so!
Lieber Herr Gassner,
das ist wirklich ein interessantes und spannendes Thema. Ich habe aktuell aber noch den Eindruck, dass die “Post-Coronazeit” sehr davon abhängen wird, wie lange die Lockdown-Situation nun anhält und ob sie sich periodisch wiederholt.
Ein paar erste Gedanken habe ich mir bereits auf Twitter gemacht: https://twitter.com/zukunftmobil/status/1241368954397962242 Für eine weitergehende Einschätzung ist es aber noch zu früh.
Viele Grüße
Martin Randelhoff
Sehr geehrter Herr Randelhoff, vielen Dank für die schnelle Antwort und den Link! Viele Grüße, Martin Gassner