Analyse Europa Infrastruktur

Kostengünstiges Bauen: Infrastrukturkosten je Bautypologie und Lage

Luftbild Deutschland Bautypologie EFH Einfamilienhaus Reihenhaus GWB
Ehningen von oben - Foto: Max Böttinger @ Unsplash.com - Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch die Unsplash-Lizenz
Die Schaffung von kostengünstigem Wohnraum wird durch eine Reduktion der Infrastruktur- und Erschließungskosten erleichtert. Diese sind maßgeblich von der Lage und der geplanten Dichte abhängig. Durch eine kluge und vorausschauende Planung können die Baukosten gesenkt werden, wodurch Wohnen für breite Kreise der Bevölkerung erschwinglich bleibt.

Die steigenden Kosten für Wohnraum stellen Bürger:innen und Gemeinden vor erhebliche finanzielle Herausforderungen.  Die Bildung von Wohneigentum, aber auch der Bau neuer Mietwohnungen mit leistbaren Mieten, ist mit Ende der Null-Zins- bzw. Niedrig-Zins-Phase und den allgemeinen Baukostensteigerungen schwieriger geworden. Die Suche nach Mitteln und Wegen für kostengünstigeres Bauen hat sich daher nochmals intensiviert. Möglichkeiten für günstigeres Bauen bestehen beispielsweise bei den Infrastruktur- und Erschließungskosten, welche sowohl den Kommunalhaushalt wie auch die Bauherren finanziell entlasten können.

Eine vorausschauende und umsichtige Planung hinsichtlich der Lage des Baugebietes sowie der Bauart und -dichte hat einen signifikant positiven Einfluss auf die Höhe der anfallenden Kosten für die technische Infrastruktur. Dies betrifft sämtliche Phasen von der Errichtung über den Betrieb und die Erhaltung bis zur gegebenenfalls vorkommenden Ersatzinvestition.

Kosten fallen u.a. für die folgenden technischen Infrastrukturen an:1

  • Verkehrserschließung (Kategorie Gemeindestraße)
  • Wasserversorgung
  • Kanalisation (Abwasser und Oberflächenwasser)
  • Stromversorgung
  • Straßenbeleuchtung
  • Fern- / Nahwärme

Richtwerte für die Errichtungskosten und Folgekosten für technische Infrastruktur in Österreich, Jahr 2020:2

Errichtungskosten 2020 in € netto (gerundet)Folgekosten in € netto pro Jahr
Verkehrserschließung (Gemeindestraße,
Breite 5.5 m; ohne Gehsteig)
140-160/m²7,0-8,0/m²
Wasserversorgung110-150/lfm5,5-7,5/lfm
Kanalisation – Abwasser190-220/lfm9,5-11,0/lfm
Kanalisation – Oberflächenwasser210-240/lfm10,5-12,0/lfm
Stromversorgung50-100/lfm2,5-5,0/lfm
Straßenbeleuchtung (inkl. Verkabelung; Leuchtenabstand 40 m)1.500-2.300/Stk.75,0-115,0/Stk.
Fern- / Nahwärme250-350/lfm12,5-17,5/lfm

Die Folgekosten umfassen den Betrieb und den langfristigen Unterhalt der Infrastruktur. Im Durchschnitt sind hierfür fünf Prozent und mehr der Investitionssumme anzusetzen.3 Aufgrund der langen Nutzungsdauer sind die Folgekosten in der Regel bedeutsamer als die Kosten für die Herstellung der Anlagen. Unabhängig von der Art der Bebauung beträgt die Belastung für 25 Jahre das 1,25-fache der ursprünglichen Investitionskosten, für 50 Jahre das 2,5-fache.4

Mit zunehmender Entfernung des Baugebietes vom bestehenden Siedlungsgebiet steigen die Investitionskosten sowie die Folgekosten signifikant an, was eine erhebliche, dauerhafte finanzielle Belastung für den kommunalen Haushalt sowie für die angeschlossenen Haushalte darstellt.

Kostensenkungspotenziale für Wohnraum

Das Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen (SRI) zeigt im Leitfaden “Infrastrukturkosten in der Siedlungsentwicklung” mögliche Kostensenkungspotenziale für Wohnraum durch vorausschauende Planung auf. Maßgebliche Stellschrauben sind

  • die Lage des Baugrundstücks mit zu überbrückenden Distanzen: je zentraler gebaut wird desto niedriger die Kosten5
  • die Art der Bebauung (Bebauungsdichte und somit Infrastrukturkosten je Wohneinheit (WE)): je dichter gebaut wird desto niedriger die Kosten6

Lage des Baugrundstücks

Bei der Schaffung von Wohnraum in integrierter Lage kann vielfach an bestehende Infrastrukturnetze angeschlossen werden. Demgegenüber sind die Kosten für die Anbindung beim Bauen auf der “grünen Wiese” vergleichsweise hoch. Bei einer Entfernung von lediglich 100 Metern ist bereits ein signifikanter Anstieg der Kosten je Wohneinheit zu verzeichnen, wobei sich die Kosten je nach Bebauungsart auf das 1,2- bis 1,3-Fache erhöhen. Bei einer Entfernung von 500 Metern steigen die Kosten auf das 2,1- bis 2,7-Fache an, während sie bei einer Entfernung von 1.000 Metern das 3,1- bis 4,3-Fache betragen.7

Kosten Infrastruktur Erschließungskosten Distanz
Errichtungskosten bei unterschiedlicher Bebauung (EFH = Einfamilienhaus, EFH gekuppelt = Einfamilienhaus gekuppelt / Doppelhaus, RH = Reihenhaus, GWB = Geschosswohnungsbau) und Distanz zum Hauptsiedlungsgebiet je Wohneinheit – Grafik: Empl, U. und Gugg, B. (2022): Infrastrukturkosten in der Siedlungsentwicklung. Teil 1: Leitfaden. Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen: Salzburg, S. 16

Günstiges Bauen ist als Innenentwicklung in einer kompakten Siedlung eher umsetzbar als am Siedlungsrand oder gar als Streusiedlung. Im Idealfall fallen nur die Kosten für die innere Erschließung und den Netzanschluss an. Folglich sollten primär vorhandene Entwicklungspotenziale im Bestand durch Aktivierung, Reaktivierung und/oder bauliche Verdichtung genutzt werden, bevor eine Entwicklung in peripherer Lage angestoßen wird.8 Das Schließen von Baulücken und die (Um-)Nutzung brachgefallener Flächen sind der Neuausweisung von Bauland vorzuziehen.

Art der Bebauung

Die Kosten für die innere Erschließung werden maßgeblich von der Art der Bebauung beeinflusst. Eine höhere Bebauungsdichte führt zu einer effizienteren Flächennutzung und somit zu einer Reduktion der Kosten pro Wohneinheit. Die Investitionskosten sowie die langfristigen Folgekosten verteilen sich auf mehrere Haushalte.

Unterschiede Kosten EFH DH RH GWB Einfamilienhaus Reihenhaus Geschosswohnungsbau
Infrastruktur-Errichtungskosten für die innere Erschließung bei unterschiedlicher Bebauungsart (Doppelhäuser = Einfamilienhäuser gekuppelt / WE = Wohneinheit / GFZ = Geschoßflächenzahl) – Grafik: Empl, U. und Gugg, B. (2022): Infrastrukturkosten in der Siedlungsentwicklung. Teil 1: Leitfaden. Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen: Salzburg, S. 12

Im Rahmen einer modellhaften Untersuchung wurden die Kosten für die Errichtung der technischen Infrastruktur in einem Baugebiet mit einer Fläche von 16.000 m² für verschiedene Bautypologien analysiert. Werden auf demselben Grundstück anstatt Einfamilienhäusern Geschosswohnungsbauten errichtet, reduzieren sich die Kosten für die erforderliche Infrastruktur auf 27 %.9 Dies bedeutet somit ein Einsparungspotenzial von 73 % im Vergleich zum freistehenden Einfamilienhaus.10

Die Anhebung der Geschossflächenzahl (GFZ) von der häufig üblichen 0,23 auf 0,3 ergibt bereits ein Einsparungspotenzial von 25%. Auch im Geschosswohnungsbau kann durch eine Erhöhung der GFZ ein weiteres Einsparungspotenzial gehoben werden.11 Die modellhafte Erhöhung der GFZ von 0,88 auf 1,0 ergab ein Einsparungspotenzial von 10 %.12 Auch eine Verringerung der Wohnungsgrößen ermöglicht kostengünstigeres Bauen (-10 m² = -7 % bei 90 m² Wohnnutzfläche [WNF]).13

Die Kombination aus Bautypologie und Lage hat einen entscheidenden Einfluss auf die Kosten der technischen Infrastruktur. Dabei gilt: Je kompakter und dichter gebaut wird, desto kostengünstiger wird Wohnraum und desto eher können sich breitere Teile der Bevölkerung die Bildung von Wohneigentum in Form von Eigentumswohnungen, Reihenhäusern, o. ä. leisten.

Kosten für die Infrastruktur je Wohneinheit kostengünstiges Bauen
Errichtungskosten bei unterschiedlicher Bebauung (EFH = Einfamilienhaus, EFH gekuppelt = Einfamilienhaus gekuppelt / Doppelhaus, RH = Reihenhaus, GWB = Geschosswohnungsbau) und Distanz zum Hauptsiedlungsgebiet je Wohneinheit – Grafik: Empl, U. und Gugg, B. (2022): Infrastrukturkosten in der Siedlungsentwicklung. Teil 1: Leitfaden. Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen: Salzburg, S. 16

Verweise

  1. Empl, U. und Gugg, B. (2022): Infrastrukturkosten in der Siedlungsentwicklung. Teil 1: Leitfaden. Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen: Salzburg, S. 8
  2. Empl, U. und Gugg, B. (2022): Infrastrukturkosten in der Siedlungsentwicklung. Teil 1: Leitfaden. Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen: Salzburg, S. 9
  3. Empl, U. und Gugg, B. (2022): Infrastrukturkosten in der Siedlungsentwicklung. Teil 1: Leitfaden. Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen: Salzburg, S. 10
  4. ebd.
  5. Empl, U. und Gugg, B. (2022): Infrastrukturkosten in der Siedlungsentwicklung. Teil 1: Leitfaden. Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen: Salzburg, S. 10
  6. Empl, U. und Gugg, B. (2022): Infrastrukturkosten in der Siedlungsentwicklung. Teil 1: Leitfaden. Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen: Salzburg, S. 11
  7. Empl, U. und Gugg, B. (2022): Infrastrukturkosten in der Siedlungsentwicklung. Teil 1: Leitfaden. Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen: Salzburg, S. 16
  8. vgl. Empl, U. und Gugg, B. (2022): Infrastrukturkosten in der Siedlungsentwicklung. Teil 1: Leitfaden. Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen: Salzburg, S. 13ff.
  9. Empl, U. und Gugg, B. (2022): Infrastrukturkosten in der Siedlungsentwicklung. Teil 1: Leitfaden. Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen: Salzburg, S. 16
  10. ebd.
  11. Empl, U. und Gugg, B. (2022): Infrastrukturkosten in der Siedlungsentwicklung. Teil 1: Leitfaden. Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen: Salzburg, S. 17
  12. Empl, U. und Gugg, B. (2022): Infrastrukturkosten in der Siedlungsentwicklung. Teil 1: Leitfaden. Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen: Salzburg, S. 17
  13. Empl, U. und Gugg, B. (2022): Infrastrukturkosten in der Siedlungsentwicklung. Teil 1: Leitfaden. Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen: Salzburg, S. 18

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments

Jetzt abonnieren

4.416Fans
8.046Follower
2.618RSS-Abonnements
990Follower
  

Neue Diskussionsbeiträge

  • Norbert zu News- und Diskussionsfaden Oktober 2024In einem Jahr 2 Kfz mehr pro 1.000 Einwohner in D; Höchstwert aufgrund der Zuwanderung in den letzten Jahren noch nicht wieder erreicht https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/10/PD24_N051_46.html
  • Norbert zu News- und Diskussionsfaden Oktober 2024https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/flixtrain-zuege-regionalverbindungen-100.html Flixtrain kooperiert mit DB und anderen NV-Anbietern, um durchgehenden Tickets anzubieten.
  • Norbert zu News- und Diskussionsfaden Oktober 2024Auch der BR berichtet: Busfahrer aus Indien Fachkräftemangel: Ein Busunternehmen rekrutiert Busfahrer aus Indien | Schwaben + Altbayern | BR (youtube.com)
  • Norbert zu News- und Diskussionsfaden Oktober 2024Falls das jemanden hier interessiert: "Schriftliche Fragen mit den in der Woche vom 23. September 2024 eingegangenen Antworten der Bundesregierung" https://dserver.bundestag.de/btd/20/130/2013047.pdf
  • Norbert zu News- und Diskussionsfaden Oktober 2024BM Wissing laut Wissing TOP-Mann: https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/RedenUndInterviews/2024/wissing-t-online-05-10-2024.html

Auszeichnungen

Grimme Online Award Preisträger 2012

Zukunft Mobilität hat den Grimme Online Award 2012 in der Kategorie Information erhalten. Ich möchte mich bei all meinen Lesern für die Unterstützung bedanken!

PUNKT Preisträger 2012

Zukunft Mobilität hat den PUNKT 2012 der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) in der Kategorie "Multimedia" gewonnen.

Logo VDV Verband Deutscher Verkehrsunternehmen

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) hat mich im Rahmen der VDV-Jahrestagung 2013 in Mainz als “Talent im ÖPNV” des Jahres 2013 ausgezeichnet. Der VDV vertritt rund 600 Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehrs, des Schienenpersonennahverkehrs, des Schienengüterverkehrs, der Personenfernverkehrs sowie Verbund- und Aufgabenträger-Organisationen.

Lizenz

Zukunft Mobilität Creative Commons

Die Inhalte dieses Artikels sind - soweit nicht anders angegeben - unter CC BY-SA 3.0 de lizensiert. Grafiken sind von dieser Lizenz aus Vereinfachungs- und Schutzgründen ausgenommen (Anwendung aufgrund der Verwendung von Grafiken / Bildern mit unterschiedlichen Lizenzen zu kompliziert) außer die CC-Lizenz ist ausdrücklich genannt.

Weitere Informationen

Verfasst von:

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net