Die Dekarbonisierung des Verkehrs ist eine der zentralen Herausforderungen der deutschen Klimapolitik. Während andere Sektoren zumindest moderate Rückgänge verzeichnen, stagnieren die Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors trotz technologischer Entwicklungen und vereinzelter politischer Maßnahmen weiterhin auf hohem Niveau.
Die Gründe hierfür sind strukturell. Trotz aller technologischen Fortschritte – effizientere Verbrennungsmotoren, einem seit 2006 konstanten Verbrauch biogener Kraftstoffe und eine zaghafte Elektrifizierung der Straßenverkehrs – basiert der Verkehrssektor noch immer fast vollständig auf fossilen Energieträgern. Mehr als 95 % des Endenergieverbrauchs entfallen auf Mineralölprodukte, vor allem Otto- und Dieselkraftstoffe sowie Kerosin. Der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch lag im Jahr 2024 bei lediglich 7,2 %.1 Umgekehrt bedeutet dies: Rund 92,8 % der Antriebsenergie im deutschen Verkehr sind weiterhin fossil.1
Mit der im Jahr 2024 beschlossenen Novelle des Bundes-Klimaschutzgesetzes hat sich zudem der institutionelle Rahmen deutlich verändert. Die bislang geltenden sektoralen Emissionsziele, die eine klare politische Verantwortlichkeit für Zielverfehlungen sicherstellten, wurden faktisch aufgehoben. An ihre Stelle trat eine sektorübergreifende Gesamtschau der Emissionsentwicklung. Für den Verkehr bedeutet dies: Es gibt kein eigenes „Klimabudget” mehr, dessen Überschreitung zwingend politische Korrekturmaßnahmen auslösen müsste. Damit schwindet ein zentrales Steuerungsinstrument und die Frage, wie sektorale Entwicklungen künftig transparent beobachtet werden können, gewinnt an Bedeutung.
Eine Möglichkeit bietet die Mineralölabsatzstatistik, genauer die Statistik über die Entwicklung der Inlandsablieferungen für Mineralölprodukte. Zwischen Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen besteht ein nahezu linearer Zusammenhang, sodass sich aus den Absatzmengen mineralölbasierter Kraftstoffe robuste Emissionsschätzungen ableiten lassen. Die Daten werden regelmäßig veröffentlicht, sind von hoher Genauigkeit und verfügen über eine große Detailtiefe – nicht zuletzt, weil sie Grundlage für das Energiesteueraufkommen sind.
In diesem Artikel möchte ich die verkehrsbedingten CO2-Emissionen auf der Grundlage der Mineralölabsatzstatistik abschätzen. Die entwickelte Methodik eignet sich als Frühindikator für Emissionstrends und liefert eine belastbare Grundlage, um Fortschritte oder Rückschritte bei der Zielerreichung im Verkehrssektor sichtbar und messbar zu machen. Sie ist jedoch nicht geeignet, um Treibhausgasemissionen zu beziffern oder Restbudgets zu bestimmen.
Emissionsfaktoren
Um die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen auf Basis der Mineralölabsatzstatistik belastbar abschätzen zu können, müssen zunächst die Emissionsfaktoren für die wichtigsten Kraftstoffarten bestimmt werden. Diese Werte geben an, wie viele Kilogramm CO2 (oder CO2-Äquivalente) bei der vollständigen energetischen Nutzung einer bestimmten Kraftstoffmenge entstehen.
Für Deutschland liegen hierzu anerkannte Well-to-Wheel-Emissionsfaktoren vor:3
- Ottokraftstoff (Benzin): 2,88 kg CO2 pro Liter
- Dieselkraftstoff: 3,24 kg CO2 pro Liter.
Diese Werte beziehen sich auf reine CO2-Emissionen. Der Unterschied zu den CO2-Äquivalenten, die auch die Klimawirkungen weiterer Treibhausgase wie Methan oder Lachgas berücksichtigen, ist bei fossilen Flüssigkraftstoffen gering und liegt in der Größenordnung von ein bis zwei Prozent. Für unsere Berechnung nehmen wir daher eine pauschale Erhöhung um zwei Prozent vor.
Umrechnung auf eine Tonne Kraftstoff
Die Mineralölabsatzstatistik wird in Tonnen geführt. Für die Emissionsberechnung müssen die literbasierten Emissionsfaktoren daher zunächst in die Masseneinheit umgerechnet werden. Dazu sind die Dichten der jeweiligen Kraftstoffe erforderlich. Da diese temperaturabhängig leicht schwanken, werden typische Durchschnittswerte aus der Fachliteratur verwendet.4
- Benzin: 0,75 kg/l
- Diesel: 0,84 kg/l
Die Umrechnung erfolgt in zwei Schritten:
- Ermittlung des Volumens einer Tonne Kraftstoff.
- Multiplikation dieses Volumens mit dem Emissionsfaktor.
Es ergeben sich somit folgende Werte:
Ottokraftstoff (Benzin)
Volumenberechnung: 1.000 kg / 0,75 kg/L = 1.333,33 Liter
CO2-Emissionen: 1.333,33 Liter × 2,88 Kilogramm CO2 pro Liter = 3.840 Kilogramm CO2
CO2-Äquivalente (+2 %): 3.840 kg CO2 × 1,02 = 3.917 kg CO2e / 1.000 kg abgesetzter Ottokraftstoff
Dieselkraftstoff
Volumenberechnung: 1.000 kg / 0,84 kg/L = 1.190,48 Liter
CO2-Emissionen: 1.190,48 Liter × 3,24 Kilogramm CO2 pro Liter = 3.857 Kilogramm CO2
CO2-Äquivalente (+2 %): 3.857 kg × 1,02 = 3.934 kg CO2e / 1.000 kg abgesetzter Dieselkraftstoff
Mithilfe dieser Emissionsfaktoren pro Tonne Kraftstoff können aus den jährlichen Absatzmengen der Mineralölabsatzstatistik Abschätzungen der CO2e-Emissionen des Straßenverkehrs und weiterer mit Diesel betriebenen Verkehrsarten vorgenommen werden.
Entwicklung
Zwischen 2000 und 2024 ist folgende Entwicklung beim Inlandsabsatz von Diesel- und Ottokraftstoff in Deutschland mit entsprechenden CO2e-Emissionen zu verzeichnen:
Absatz von Ottokraftstoff und Dieselkraftstoff in Deutschland sowie THG-Emissionen
Zwischen 2000 und 2024 hat sich der Absatz fossiler Kraftstoffe in Deutschland strukturell stark verändert. So lag der Absatz von Ottokraftstoff im Jahr 2000 noch bei 28,8 Millionen Tonnen, während 2024 nur noch 17,6 Millionen Tonnen in den inländischen Markt geliefert wurden. Das entspricht einem Rückgang von rund 40 Prozent innerhalb von 23 Jahren. Die stärksten Rückgänge sind in den frühen 2000er Jahren zu beobachten, als der steuerlich begünstigte Dieselkraftstoff seinen Durchbruch im Pkw-Markt erlebte. Benzin-Pkw wurden sukzessive durch Dieselmodelle ersetzt, was durch den geringeren Literpreis, die höhere Energieeffizienz und technologische Fortschritte, die den Diesel auch für private Pkw-Kunden attraktiv machten, vorangetrieben wurde.
Parallel dazu stieg der Absatz von Dieselkraftstoff deutlich an – von 26,4 Millionen Tonnen im Jahr 2000 auf 32,4 Millionen Tonnen im Jahr 2024, besonders zwischen 2000 und 2018. Dieses Wachstum wurde durch den Anstieg des Dieselanteils bei Neuzulassungen sowie das wachsende Transportaufkommen im Straßengüterverkehr befeuert.
Diese Entwicklung hat direkte Auswirkungen auf die Treibhausgasbilanz des Verkehrssektors. Die Emissionen, die aus dem Ottokraftstoffverbrauch resultieren, sanken im Beobachtungszeitraum von rund 112,8 auf 69,1 Millionen Tonnen CO₂e. Gleichzeitig stiegen die Emissionen aus dem Dieselkraftstoffverbrauch von 103,7 auf 127,5 Millionen Tonnen CO₂e. Die rückläufigen Treibhausgasemissionen des sinkenden Benzinverbrauchs wurde somit weitgehend durch den Anstieg des Dieselverbrauchs aufgehoben.
Im Ergebnis blieb der gesamte Verbrauch fossiler Kraftstoffe – und damit auch die CO₂e-Emissionen des Straßenverkehrs – über weite Teile des Zeitraums relativ stabil. Erst die Corona-Pandemie im Jahr 2020 führte zu einem merklichen, aber temporären Einbruch. In den Folgejahren erholten sich die Absatzmengen wieder und liegt knapp unter Vorkrisenniveau. Der strukturelle Trend zeigt, dass eine reine Verschiebung zwischen fossilen Kraftstoffarten nicht ausreicht, um die sektoralen Klimaziele zu erreichen. Entscheidend wird eine deutliche Senkung des Gesamtverbrauchs fossiler Kraftstoffe sein – sei es durch Elektrifizierung, Effizienzsteigerung oder Verlagerung auf emissionsarme Verkehrsträger. Bislang lässt sich der zur Erreichung der gesetzten Ziele notwendige Reduktionspfad nicht erkennen.
Verweise
- Umweltbundesamt (2025): Erneuerbare Energie im Verkehrssektor 2024 auf Basis der Zeitreihen zur Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland unter Verwendung von Daten der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien Statistik (AGEE-Stat) vom Februar 2025. ↩
- Umweltbundesamt (2025): Erneuerbare Energie im Verkehrssektor 2024 auf Basis der Zeitreihen zur Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland unter Verwendung von Daten der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien Statistik (AGEE-Stat) vom Februar 2025. ↩
- Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) (2014): Berechnung des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen des ÖPNV – Leitfaden zur Anwendung der europäischen Norm EN 16258, S. 26. ↩
- Europäische Kommission (2022): Emissionsberichterstattungsrichtlinien (E-BERE) – Methodische Grundlagen und Standardwerte für Emissionsfaktoren und Dichten fossiler Kraftstoffe. Brüssel. ↩












Verschärfend käme ja noch hinzu, dass – den gegenwärtigen Strommix zugrunde gelegt – auch die E-Autos de facto THG relevant sind, insgesamt also der Automobilismus ein weiterhin ansteigendes Problem darstellt.
Aber nun – erst mal ‘muss’ es ja in der Zeitenwende darum gehen den heimischen Automobilsektor zu stärken und da können die knapp 50mio. Autos ja nicht der ‘Endausbau’ sein. Es ist noch ‘Luft’ nach oben, auch wenn diese ‘Luft’ dann einen immer höheren CO2 Anteil hat, und auch wenn dann die ‘Kipppunkte’ zusätzlich beschleunigt näher rücken.
Das Interesse daran hat eh nachgelassen, da die ‘Klimaskeptiker’ aus dem rechten und ultrarechten Lager im kapitalistischen Norden nach und nach die Meinungshoheit erlangt haben.
Und der ‘globale Süden’? Ist kaum mehr von Interesse, außer als Rohstofflieferant.
Nur weil man Herausforderungen globalen Maßstabs nicht sehen möchte, verschwinden sie ja nicht. Auch Nicht-Handeln hat ja Konsequenzen.
Abgesehen davon sind die mit Fahrstrom verbundenen THG-Emissionen eine gute Idee für einen weiteren Artikel. Dafür vielen Dank!