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[Radverkehr in Kopenhagen] Innovationen aus der (bald) weltbesten Fahrradstadt

Radfahrer Kopenhagen
Abendlicher Radverkehr auf der Nørrebrogade in Kopenhagen, die weltweit von Radfahrern meistfrequentierte Straße - Foto: Copenhagenize Design Co.

Man muss sich anstrengen, um die weltweite Hauptstadt des Radverkehrs zu werden. Zur Erfüllung dieses Zieles hat Kopenhagen in jüngster Vergangenheit einige Neuerungen umgesetzt, welche die Situation für Radfahrerinnen und Radfahrer noch besser machen sollen. All dies soll dem Ziel dienen, der fahrradfreundlichste Ort auf der Welt zu werden und einen Radverkehrsanteil von 50 Prozent im Berufsverkehr und Schülerverkehr zu erreichen (2012: 36 %).

Das Erreichte ist bereits eindrucksvoll (Stand 2012)1:

  • 1,27 Millionen Kilometer werden täglich mit dem Fahrrad in Kopenhagen zurückgelegt (+36 % seit 1996)
  • Der Radverkehrsanteil am Modal Split beträgt 26 %.
  • 52 % aller Einwohner fahren mit dem Fahrrad zur Arbeit oder zur Schule / Universität.
  • Die 550.000 Einwohner Kopenhagens besitzen 650.000 Fahrräder (1,2 Fahrräder / Einwohner) und nur 125.000 Pkw (5,2 Fahrräder / Pkw)
  • 75 % der Radfahrer fühlen sich sicher oder sehr sicher.
  • 2012 sind in Kopenhagen 102 Radfahrer schwer verletzt worden. 1995 waren es noch 252. Der Radverkehr ist im gleiche Zeitraum jedoch um 36 % gewachsen, d.h. Fahrrad fahren war 2012 sicherer als 1996.
  • Ein Fahrradfahrer muss statistisch 100 Mal um die Erde fahren (4,1 Millionen Kilometer), bevor er im Durchschnitt einen schweren Unfall erleidet.
  • Radfahrer erzeugen einen jährlichen Einzelhandelsumsatz von 2,066 Milliarden Euro, Autofahrer einen Umsatz von 2,052 Milliarden Euro. Fußgänger und Radfahrer verursachen 55 % aller Umsätze in Kopenhagen und 58 % aller Einkaufswege.
  • Mit 40.700 Radfahrern (bidirektional) an einem Werktag ist Knippelsbro die am stärksten von Radfahrern genutzte Straße in Kopenhagen (2. Nørrebrogade mit 36.000, 3. Langebro mit 30.200, 4. Torvegade mit 29.100)

Mikael Colville-Andersen, Clotilde Imbert und Danielle DeOrsey (alle drei Copenhagenize Design Company) haben dem US-Filmemacher Clarence Eckerson, Jr. (Streetfilms) die Kopenhagener Neuerungen und Innovationen der jüngsten Vergangenheit für den Radverkehr gezeigt.


Neben der erst vor kurzem eröffneten Cykelslangen (siehe Cykelslangen – Kopenhagener Brückenschlag für den Radverkehr) werden derzeit sechs weitere Brücken für den Fuß- und Radverkehr im Hafen gebaut. Diese sollen dem Fußverkehr und Radverkehr neue Direktverbindungen ermöglichen und den Verkehr beschleunigen.

Cykelsuperstier in Kopenhagen Netzplan
Geplantes Cykelsuperstier-Netz in und um Kopenhagen. Orange = bereits eröffnete Route, Blau = derzeit im Bau, Lila = geplant, Buttons mit Zahnrädern = Servicestationen – Karte: cykelsuperstier.dk, Kartenmaterial: Open Street Map.org, CC BY-SA 2.0

Ebenfalls beschleunigend wirken die neuen “Super Highways” für Radfahrer, von denen eine 22 Kilometer lange Strecke zwischen Kopenhagen und Albertslund bereits eröffnet ist. Zwei weitere Fahrrad-Highways sollen noch in diesem Jahr folgen. Insgesamt ist ein Netz von 26 Strecken mit einer Streckenlänge von 300 Kilometer geplant (siehe Kopenhagen plant den Bau mehrerer “Super-Radwege” und Radschnellwege für mehr Radverkehr auf dem Land und zwischen Städten)

Bei Testfahrten vor dem Ausbau der Strecke Kopenhagen – Albertslund bemängelten Radfahrer die vielen roten Ampeln und Kreuzungen, welche ein schnelles Vorankommen im Stadtgebiet verhinderten. Eine grüne Welle für den Radverkehr löst dieses Problem nur. Fährt ein Radfahrer entlang der Nørrebrogade, Amagerbrogade, Teilen der Østerbrogade und der Farimagsgade konstant 20 km/h kann er die gesamte Strecke zurücklegen, ohne an einer Ampel halten zu müssen. Ob ein Radfahrer die grüne Welle trifft, wird über grüne LED-Lichter entlang des Radwegs angezeigt.


Einige Lichtsignalanlagen sind ebenfalls mit Countdowns ausgestattet, welche die Dauer bis zum nächsten Rot-Grün- bzw. Grün-Rot-Wechsel anzeigen. Auf längeren Abschnitten wird Radfahrern zudem ihre Geschwindigkeit angezeigt, sodass diese nahe an der 20 km/h-Grenze bleiben können.

In einem Pilotprojekt testet die Stadt Kopenhagen derzeit eine weiterentwickelte grüne Welle für Radfahrer auf der Østerbrogade. Radfahrer, welche sich einer Kreuzung nähern, werden detektiert und die Schaltung der Lichtsignalanlage derart beeinflusst, dass Gruppen aus fünf oder mehr Fahrradfahrern grün signalisiert wird. Diese können somit die Kreuzung ohne Halt überqueren.

Aber auch kleine Dinge können das Klima für Radfahrer in Kopenhagen verbessern. So werden Mülleimer nicht senkrecht, sondern angewinkelt angebracht. Radfahrer können somit ihren Müll während der Fahrt entsorgen.

Copenhagenize hat im Jahr 2013 eine Videoreihe veröffentlicht, in welcher die zehn wichtigsten Designelemente für den attraktiven Radverkehr und die fahrradfreundliche Kultur in Kopenhagen vorgestellt wurden:

1.) Das große Ganze

2.) Die grüne Welle

3.) Intermodaler Verkehr und Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel

4.) Eine hohe Verkehrssicherheit und sichere Infrastruktur

5.) Der Umbau der Nørrebrogade mit einer grünen Welle, breiten Radwegen und Beschränkungen für den motorisierten Individualverkehr

6.) Makrodesign

7.) Mikrodesign

8.) Cargobikes und Lastenräder

9.) Trampelpfade

10.) Der politische Wille

  1. City of Copenhagen: BICYCLE ACCOUNT 2012; Technical and Environmental Administration, Traffic Department, Mai 2013 – http://subsite.kk.dk/sitecore/content/Subsites/CityOfCopenhagen/SubsiteFrontpage/LivingInCopenhagen/CityAndTraffic/~/media/4ADB52810C484064B5085F2A900CB8FB.ashx, aufgerufen am 05.08.2014
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Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

Telefon +49 (0)351 / 41880449 (voicebox)

E-Mail: randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

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Steinweg
Steinweg
31. Januar 2015 21:15

Diese Darstellung des Rad-Fahrens fuer Jedermann zu jeder Zeit ist lachhaft. Ich fahre Rennrad, Gelaende und Long-John als Lastenrad. Es gibt Kaelte, Wind und Regen , dás ist ein Ausschluss-Kriterium fuer den normalen Menschen, wenn er Rad fahren koennte, denn das Kreisel-System und die Haftung der Reifen ist kritisch bei Regen. Vor allem aber braucht es zum Rad-Fahren Kondition. Hoffentlich ist die gleichmaessig durch das angesprochene Klientel verteilt. Zum Glueck gibt es ja wenige huegelige Staedte.

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Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
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