Europa Fuß- und Radverkehr Mittel- und Südamerika Straßenverkehr Umwelt urbane Mobilität Verkehr und Gesundheit

Stadtplaner Jan Gehl über die gesunde Stadt

Gehl Architects Kopenhagen
Foto: Robin Arnold / John Lord @ Flickr - CC BY 2.0

Der dänische Architekt und Stadtplaner Jan Gehl gilt als einer der einflussreichsten Stadtplaner der Welt. Mit seinem Fokus auf die städtebauliche Qualität für Fußgänger und Radfahrer hat er nicht nur die Basis für die hohe Lebensqualität in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen gelegt, sondern auch in anderen Städten auf der Welt  wie beispielsweise New York City  wichtige Impulse gesetzt, um die Situation für Fußgänger und Radfahrer substanziell zu verbessern.

Gehl Architects Shared Space Brighton
Shared-Space-Projekt von Gehl Architects in der New Road, Brighton (Großbritannien) – Foto: DeFacto @ Wikimedia CommonsCC BY-SA 2.5

Der Gründer von Gehl Architects und emeritierte Professor der Königlichen Dänischen Kunstakademie verfolgt konsequent das Ideal einer lebhaften, sicheren, nachhaltigen und gesunden Stadt.

Eine nachhaltige Stadt ist für ihn vor allem eine äußerst menschenfreundliche Stadt. Eine Stadt mit guten öffentlichen Räumen und einer gewissen Kompaktheit, welche Menschen anregt, zu Fuß zu gehen oder mit dem Fahrrad zu fahren. Darüber hinaus soll ein starker öffentlicher Personenverkehr die Pkw-Abhängigkeit weitestgehend reduzieren.

Kernelement des Verkehrs in der Stadt sollte laut Gehls Meinung jedoch der Fußverkehr und Radverkehr sein. Für dessen Belange solle die Stadt attraktiv und sicher gestaltet werden.

Eine hohe Attraktivität einer Stadt bestimmt sich auch an dem Grün im Stadtgebiet. Parks und bepflanzte Flächen verbessern die Luftqualität und senken die Temperatur in der Stadt. Zudem gestalten sie den Aufenthalt für die Menschen in der Stadt angenehmer. Gehl weist zudem darauf hin, dass für eine “grüne Stadt” auch energieeffiziente und ökologisch nachhaltige Gebäude gehören. Eine Ansammlung einzelner “grüner Gebäude” macht jedoch noch keine “grüne Stadt”. Wie beispielsweise in Dubai ist, und bleibt es, eine reine Ansammlung von Gebäuden.

Energieeffizienz sollte im Fokus einer jeden Stadt stehen.

Die größten Herausforderungen unserer Zeit finden sich in afrikanischen und asiatischen Städten. Agglomerationen mit mehreren zehn Millionen Einwohnern bringen ein neues Ausmaß an Herausforderungen mit sich. Lösungen, welche sich in Industrieländern der westlichen Welt bewährt haben, sind aber noch lange nicht auch für diese Art von Megacities geeignet. Vielmehr sollte auf Basis der lokalen und regionalen Gegebenheiten nach entsprechenden Lösungen gesucht werden.

Viele Städte in China eifern dem westlichen Ideal der Stadt mit all ihren Schwächen nach. Neue chinesische Städte, die von Grund auf neu geplant und gebaut werden, wirken den Städten sehr ähnlich, welche heutzutage in West- und Osteuropa aufgrund der Vielzahl an Schwächen rückgebaut werden, so Gehl. Auch in der Verkehrsplanung folgt China einem Konzept, welches sich als nicht tragfähig herausgestellt hat. Ein Gesamtverkehrssystem nach US-amerikanischen Vorbild mit einer hohen Abhängigkeit vom Pkw und einer Ignoranz gegenüber Fußgängern und Radfahrern. Laut Gehl ist dies der Grundstein für ein Desaster und eine der größten Herausforderungen für die Entwicklung nachhaltiger Städte auf dieser Erde.

Dass es auch anders geht, hat die kolumbianische Stadt Bogotá in einem Umfeld aus bürgerkriegsähnlichen Zuständen und einem großen sozialen Ungleichgewicht bewiesen. Der damalige Bürgermeister der acht Millionen Einwohner-Stadt, Enrique Peñalosa, hat ein Bündel an verschiedenen Maßnahmen umgesetzt (siehe auch: Enrique Peñalosa: Ein Vorbild für viele Bürgermeister).

Grundsätzliche Erkenntnis war, dass nur 20 Prozent der Einwohner private Pkw nutzen, jedoch nahezu das gesamte Budget in den Straßenbau floss. Indem er dieses Verhältnis umkehrte und 80 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel in den ÖPNV sowie den nicht-motorisierten Verkehr investierte, beeinflusste er nicht nur das ökologische, sondern auch das soziale Gefüge der Stadt.

Durch den Bau neuer Gehwege und einer Aufwertung von Flächen in der Innenstadt wuchs die Attraktivität für Fußgänger. Das Entstehen einer Fahrradkultur wurde gezielt gefördert. Jeden Sonntag wurden 120 Kilometer Straßen für den motorisierten Verkehr gesperrt und sogenannte “cyclovia”-Festivals mit bis zu 1,5 Millionen Teilnehmern organisiert. Ebenso investierte Bogotá in den Aufbau von Radverkehrsinfrastruktur. Durch den Aufbau des Bus Rapid Transit-Systems “TransMilenio” wurde der ÖPNV effektiv und zugleich effizient verbessert. Dieses neue öffentliche Verkehrsangebot ermöglicht auch ärmeren Bevölkerungsschichten einen schnellen Zugang zu ihrer Arbeitsstelle und ist somit von großer sozialer Bedeutung.

Das Fahrrad an sich ist ein sozial und ökologisch sehr gerechtes Verkehrsmittel, da es Grenzkosten von nahezu null aufweist. Auch aus sozialpolitischer Sicht ist das Fahrrad daher für Städte von großem Vorteil. Dies gilt nicht nur für Städte in ärmeren Weltregionen, sondern auch in den großen Metropolen in Industrieländern. Bislang ist das Fahrrad dort jedoch stiefmütterlich behandelt worden. Städte wie Melbourne oder New York City versuchen den Radverkehr gezielt zu fördern. Laut des New York City Transport Plan, welcher unter dem damaligen New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg entwickelt wurde, sollen in den kommenden Jahren 6.000 Kilometer neue Radwege errichtet werden. Diese Maßnahme wird durch den teilweisen Rückbau der Fahrbahn unterstützt. Laut Gehl ist eine radverkehrsorientierte Strategie für New York ideal, da es eine sehr dicht besiedelte und flache Stadt mit guten Wetterverhältnissen ist. Zudem sind die Straßen im Allgemeinen sehr breit, sodass ausreichend Fläche für Radverkehrsanlagen und die Aufwertung des Straßenraums zur Verfügung stehen dürfte.

Ebenfalls kann sich der Aufbau öffentlicher Fahrradverleihsysteme und die Integration derselben in vorhandene Strukturen positiv auf die Stadt und das Leben in dieser auswirken.

Nachhaltige Städte des 21. Jahrhunderts sollten laut Gehl lebhaft, sicher, nachhaltig und gesund sein. Diese Eigenschaften könnten durch eine einzelne politische Zielsetzung erreicht werden. Wenn man den Menschen in den Mittelpunkt stellt und ein attraktives Umfeld mit einer guten Struktur für Fußgänger und Radfahrer schafft, herrscht automatisch Leben in der Stadt. Je mehr Menschen öffentliche Plätze nutzen und bevölkern, umso sicherer sind diese. Durch einen starken ÖPNV sowie einen hohen Anteil des Fuß- und Radverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen dominieren energetisch und flächenmäßig effiziente Verkehrsarten. Dadurch wird die Stadt ökologischer. Durch das mehr an Bewegung werden Menschen gesünder. Insbesondere die für das Gesundheitssystem teuren Herz-Kreislauferkrankungen und Folgeerkrankungen durch Übergewicht werden verringert.

Indem Städte menschenfreundlicher werden, werden sie automatisch lebhafter, gesünder, nachhaltiger und gesünder.

Hat Ihnen dieser Artikel weitergeholfen? Es gibt noch mehr!

Lassen Sie sich über neue Artikel und Aktualisierungen benachrichtigen.

Erhalten Sie eine Benachrichtigung über neue und aktualisierte Artikel sowie Hinweise auf das nächste Future Mobility Camp - 100 % werbefrei! (Weitere Informationen zum Newsletter)
JETZT ANMELDEN!
Der Versand der Newsletter erfolgt über den Anbieter mailerlite, bei dem die E-Mail-Adresse und weitere Informationen zum Versand und zur Erfolgsmessung (u.a. Öffnungsrate, Klicks) gespeichert werden. Die Datenspeicherung erfolgt innerhalb der EU.

Durch Eintrag Ihrer E-Mail-Adresse gestatten Sie mir, Ihre Daten entsprechend der Datenschutzerklärung zu verarbeiten und Ihnen Informationen via E-Mail zukommen zu lassen. Sie können den Empfang des Newsletters jederzeit über den Abmeldelink in den E-Mails kündigen. 
Die Datenschutzerklärung mit Informationen zum Datenschutz und Widerrufshinweisen finden Sie hier.

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

Abonnieren
Benachrichtigen bei
guest
1 Kommentar
Inline-Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Günther
Günther
23. Februar 2015 15:55

Seit Februar 2015 gibt’s Jan Gehls Buch “Byer for Mennesker” 2010, auf Englisch “Cities for People”, 2010, als deutsche Übersetzung beim jovis Verlag.

Ebenfalls seit diesem Jahr gibt’s den Dokumentarfilm “The Human Scale”, der sich mit Gehls Schaffen beschäftigt, auf DVD mit deutschen Untertiteln.
Sehenswert.

Jetzt abonnieren

4.753Fans
2.100Follower
Follower98
12.618RSS-Abonnements
1.184Follower
  
12.712Follower

Neue Diskussionsbeiträge

  • Anonym zu News- und Diskussionsfaden November 2025In der Eifel will man ja unbedingt mehr Verkehr und damit mehr Lärm und Emissionsbelastung haben, indem man den Lückenschluss im TEN-Netz fordert. Naiv, wenn man glaubt dass dann auf der A 6q nicht mehr Verkehr rollt als bisher durch die Dörfer. Mal sehen, was die zu den jahrelangen Auswirkungen des Baus sagen werden. Wenn es soweit ist, wird bestimmt nach T…
  • Anonym zu News- und Diskussionsfaden November 2025Eine automatische Lichthupe wäre für die Zielgruppe doch wesentlich interessanter...
  • Randelhoff Martin zu News- und Diskussionsfaden November 2025BMW hat als erster deutscher Automobilhersteller eine internationale Zulassung für innovative Fahrerassistenzsysteme gemäß der UN Regelung Nr. 171 für Driver Control Assistance Systems (DCAS). Bedeutet: Auf Autobahnen können bis 130 km/h die Hände dauerhaft vom Lenkrad genommen werden, automatische Spurwechsel an Autobahnkreuzen oder Ausfahrten nach Freigabe…
  • Anonym zu News- und Diskussionsfaden November 2025https://www.weser-kurier.de/bremen/politik/was-die-deutsche-bahn-auf-der-strecke-bremen-bremerhaven-plant-doc83898o8avroyaynmhfm Generalsanierung zwischen Bremen und Bremerhaven bedeutet nicht, dass es zu einer monatelangen Vollsperrung kommt. /n
  • Randelhoff Martin zu News- und Diskussionsfaden November 2025Kostenschätzung Hinterlandanbindung 2008: 817 Millionen Euro Kosten der Schienenanbindung laut DB 2019: 1,7 Milliarden Euro Kosten der Hinterlandanbindung laut Bundesrechnunghof 2019: 3,5 Milliarden Euro (mit Realisierung von kernforderungen nach übergsetzlichen Lärmschutz ~5 Milliarden Euro) Prognose Hinterlandanbindung Schiene 2024: 3,5 Milliarden Euro Spe…
Der Zukunft Mobilität-Wochennewsletter
Zukunft Mobilität *PING*
Erhalten Sie eine Benachrichtigung über neue und aktualisierte Artikel sowie Hinweise auf das nächste Future Mobility Camp - 100 % werbefrei! (Weitere Informationen zum Newsletter)
JETZT ANMELDEN
Der Versand der Newsletter erfolgt über den Anbieter mailerlite, bei dem die E-Mail-Adresse und weitere Informationen zum Versand und zur Erfolgsmessung (u.a. Öffnungsrate, Klicks) gespeichert werden. Die Datenspeicherung erfolgt innerhalb der EU.

Durch Eintrag Ihrer E-Mail-Adresse gestatten Sie mir, Ihre Daten entsprechend der 
Datenschutzerklärung zu verarbeiten und Ihnen Informationen via E-Mail zukommen zu lassen. Sie können den Empfang des Newsletters jederzeit über den Abmeldelink in den E-Mails kündigen. 

Die Datenschutzerklärung mit Informationen zum Datenschutz und Widerrufshinweisen finden Sie hier.

Auszeichnungen

Grimme Online Award Preisträger 2012

Zukunft Mobilität hat den Grimme Online Award 2012 in der Kategorie Information erhalten. Ich möchte mich bei all meinen Lesern für die Unterstützung bedanken!

PUNKT Preisträger 2012

Zukunft Mobilität hat den PUNKT 2012 der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) in der Kategorie "Multimedia" gewonnen.

Logo VDV Verband Deutscher Verkehrsunternehmen

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) hat mich im Rahmen der VDV-Jahrestagung 2013 in Mainz als “Talent im ÖPNV” des Jahres 2013 ausgezeichnet. Der VDV vertritt rund 600 Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehrs, des Schienenpersonennahverkehrs, des Schienengüterverkehrs, der Personenfernverkehrs sowie Verbund- und Aufgabenträger-Organisationen.

Lizenz

Zukunft Mobilität Creative Commons

Die Inhalte dieses Artikels sind - soweit nicht anders angegeben - unter CC BY-SA 3.0 de lizensiert. Grafiken sind von dieser Lizenz aus Vereinfachungs- und Schutzgründen ausgenommen (Anwendung aufgrund der Verwendung von Grafiken / Bildern mit unterschiedlichen Lizenzen zu kompliziert) außer die CC-Lizenz ist ausdrücklich genannt.

Weitere Informationen

Verfasst von:

Randelhoff Martin

Herausgeber und Gründer von Zukunft Mobilität, arbeitet im Hauptjob im ARGUS studio/ in Hamburg. Zuvor war er Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund.
Ist interessiert an innovativen Konzepten zum Lösen der Herausforderungen von morgen insbesondere in den Bereichen urbane Mobilität, Verkehr im ländlichen Raum und nachhaltige Verkehrskonzepte.

Kontaktaufnahme:

randelhoff [ät] zukunft-mobilitaet.net

Hat Ihnen dieser Artikel weitergeholfen? Es gibt noch mehr!

Lassen Sie sich über neue Artikel und Aktualisierungen benachrichtigen.

Erhalten Sie eine Benachrichtigung über neue und aktualisierte Artikel sowie Hinweise auf das nächste Future Mobility Camp - 100 % werbefrei! (Weitere Informationen zum Newsletter)
JETZT ANMELDEN!
Der Versand der Newsletter erfolgt über den Anbieter mailerlite, bei dem die E-Mail-Adresse und weitere Informationen zum Versand und zur Erfolgsmessung (u.a. Öffnungsrate, Klicks) gespeichert werden. Die Datenspeicherung erfolgt innerhalb der EU.

Durch Eintrag Ihrer E-Mail-Adresse gestatten Sie mir, Ihre Daten entsprechend der Datenschutzerklärung zu verarbeiten und Ihnen Informationen via E-Mail zukommen zu lassen. Sie können den Empfang des Newsletters jederzeit über den Abmeldelink in den E-Mails kündigen. 
Die Datenschutzerklärung mit Informationen zum Datenschutz und Widerrufshinweisen finden Sie hier.
Der Zukunft Mobilität-Wochennewsletter
Zukunft Mobilität *PING*
Erhalten Sie eine Benachrichtigung über neue und aktualisierte Artikel sowie Hinweise auf das nächste Future Mobility Camp - 100 % werbefrei! (Weitere Informationen zum Newsletter)
JETZT ANMELDEN
Der Versand der Newsletter erfolgt über den Anbieter mailerlite, bei dem die E-Mail-Adresse und weitere Informationen zum Versand und zur Erfolgsmessung (u.a. Öffnungsrate, Klicks) gespeichert werden. Die Datenspeicherung erfolgt innerhalb der EU.

Durch Eintrag Ihrer E-Mail-Adresse gestatten Sie mir, Ihre Daten entsprechend der 
Datenschutzerklärung zu verarbeiten und Ihnen Informationen via E-Mail zukommen zu lassen. Sie können den Empfang des Newsletters jederzeit über den Abmeldelink in den E-Mails kündigen. 

Die Datenschutzerklärung mit Informationen zum Datenschutz und Widerrufshinweisen finden Sie hier.