Alles Wissenswerte zum Thema Radhelmpflicht und deren Wirkung auf den Radverkehr finden Sie in unserem Dossier.
Die Diskussion über Einführung einer allgemeinen Radhelmpflicht in Deutschland hat im Jahr 2013 durch ein Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig neuen Schwung bekommen. “Der gegenwärtige Straßenverkehr ist besonders dicht, wobei motorisierte Fahrzeuge dominieren und Radfahrer von Kraftfahrern oftmals nur als störende Hindernisse im frei fließenden Verkehr empfunden werden”, so das Gericht. Aus diesem Grund seien Radfahrer verpflichtet, einen Helm zu tragen, um das persönliche Gefährdungspotenzial weitestgehend zu minimieren. Diese Argumentation erscheint vor allem vor dem Hintergrund plausibel, dass Radfahrer pro Weg dem doppelten Verletzungsrisiko eines Pkw-Insassen ausgesetzt sind und je zurückgelegtem Kilometer sogar dem zehnfachen Risiko. 1 2
Zieht man jedoch die Wirkungen eines dynamischen Systems aus Actio und Reactio mit in die Betrachtungsweise ein, erscheint diese eindeutig zu simpel. In der Vergangenheit wurden bereits mehrere Untersuchungen zu den Wirkungen einer Radhelmpflicht durchgeführt.
Jedoch mangeln diese oft an einem zu kleinen Stichprobenumfang oder an einer geringen methodischen Qualität. So wird in den seltensten Fällen der Zusammenhang mit der Baseline, also der generellen Unfallentwicklung von Radfahrern als vergleichende Größe, betrachtet.
Da es in Deutschland bislang noch keine gesetzliche Radhelmpflicht gibt, müssen zwangsweise andere Staaten betrachtet werden. In Australien, Kanada und den USA haben einige Bundesstaaten das Tragen eines Fahrradhelmes obligatorisch gemacht. Eine Wirkungsanalyse finden Sie hier am Beispiel des australischen Bundesstaates Victoria.
Auch für Kanada kann man auf entsprechende Erfahrungen zurückgreifen: Zwischen den Jahren 1994 und 2003 wurde in sechs von zehn kanadischen Provinzen eine Radhelmpflicht eingeführt.
In Provinzen mit einer Radhelmpflicht ist in diesem Zeitraum die Zahl der Radfahrer mit Kopfverletzungen um 54 Prozent zurückgegangen. In Provinzen ohne Radhelmpflicht betrug die Reduktion nur 33,1 Prozent. Es steht als zu vermuten, dass eine Radhelmpflicht eine positive Wirkung auf die Zahl, die Art und die Schwere der Verletzungen hat. Jedoch ist die Argumentation nicht ganz so einfach, was mit diesem Artikel kurz dargelegt werden soll.
In einer Studie 3 haben mehrere kanadische Universitäten die Zusammenhänge zwischen einer Radhelmpflicht und den Krankenhausaufenthalten von Radfahrern wegen einer Kopfverletzung im Rahmen einer unterbrochenen Zeitreihenanalyse untersucht.
Methodik
Betrachtet wurden insgesamt 66.716 jugendliche und erwachsene Radfahrer, die zwischen 1994 und 2008 mit einer Verletzung stationär in einem kanadischen Krankenhaus behandelt wurden. Alle Daten stammen aus dem National Trauma Registry Minimum Data Set, welches vom Canadian Institute for Health Information verwaltet wird.
29,6 Prozent der zwischen 1994 und 2008 eingelieferten Radfahrer hatten eine Kopfverletzung (Gehirn, Schädel, Kopfhaut oder Gesicht). Über zwei Drittel der Kopfverletzungen gingen mit einer Hirnverletzung einher, 19 Prozent der Verletzten hatten Verletzungen im Gesicht ohne weitere betroffene Kopfregionen. 44,7% (n=29 844) der eingelieferten Personen waren unter 18 Jahre alt, obwohl diese Bevölkerungsgruppe nur einen Anteil von 20 Prozent an der kanadischen Gesamtbevölkerung stellt. Ebenfalls überproportional traten Kopfverletzungen bei Kindern und Jugendlichen auf (52.6%, n=10.369). Männer stellten mit 75 Prozent (n=50.004) die Mehrheit der Verletzten. Etwa ein Prozent der Kopfverletzungen war tödlich (Vergleichswert: 0,4% aller Verletzungen).
Wirkungsanalyse
In Kanada wurden zwischen 1994 und 2003 in sechs von zehn Provinzen eine Radhelmpflicht eingeführt. Im selben Zeitraum ging in Provinzen mit Helmpflicht die Zahl der Kopfverletzungen bei jungen Menschen unter 18 Jahren um 54 Prozent zurück (95% Konfidenzintervall: 48,2% – 59,8%), während die Zahl der Kopfverletzungen in Provinzen ohne Helmpflicht um 33,1 Prozent sank (23,3% – 42,9%). Im Betrachtungszeitraum sank die Zahl mit Kopfverletzungen eingelieferter Jugendlicher von 17,0 auf 4,9 je 100.000 Einwohner. In Provinzen mit Radhelmpflicht sanken die Fallzahlen von 15,9 auf 7,3 je 100.000 Einwohner, in Provinzen ohne Helmpflicht von 19,1 auf 12,1 / 100.000 Einwohner. Bei Erwachsenen reduzierte sich die Zahl der Kopfverletzungen in Provinzen mit Radhelmpflicht um 26,0% (16,0 – 36,3%) von 3,0 aus 2,2 Verletzungen je 100.000 Einwohner und blieb in Provinzen ohne Radhelmpflicht konstant (minimaler Anstieg von 2,7 auf 2,8 / 100.000 Einwohner).
Die Zahl in Krankenhäuser behandelter Radfahrer sank im Beobachtungszeitraum bei unter 18-Jährigen ebenfalls, blieb jedoch unter Erwachsenen konstant. So wurden zwischen 1994 – 2003 in Provinzen mit Radhelmpflicht 28,0 Prozent weniger Jugendliche in Krankenhäuser eingeliefert (95%-Konfidenzintervall: 22,8% – 33,2%) und in Provinzen ohne Radhelmpflicht 22,3% weniger (15,0 – 29,6%).
Bei Erwachsenen stiegen die Behandlungszahlen im selben Zeitraum leicht von 10,0 auf 10,5 Prozent in Provinzen mit Radhelmpflicht und von 9,7 auf 10,0 Prozent in Provinzen ohne Radhelmpflicht. Die Steigerungraten sind statistisch insignifikant.
Im Rahmen einer klassierten Regressionsanalyse konnte ein Jahr nach Einführung einer allgemeinen Radhelmpflicht kein statistisch signifikanter Effekt auf den Anteil der Kopfverletzungen an allen Verletzungen festgestellt werden. Folgende Grafik zeigt die Änderungsrate der Krankenhauseinweisungen von Jugendlichen unter 18 Jahren wegen Kopfverletzungen ein Jahr nach Einführung der Radhelmpflicht.
Auch bei einer gemeinsamen Betrachtung von Jugendlichen und Erwachsenen lässt sich keine statistisch signifikante Schutzwirkung erkennen. Folgende Grafik zeigt die Änderungsraten der Krankenhauseinweisungen von Jugendlichen und Erwachsenen wegen Kopfverletzungen ein Jahr nach Einführung der Radhelmpflicht.
Mit Ausnahme der Provinz New Brunswick konnte unter Jugendlichen keine statistisch signifikante Verringerung der Kopfverletzungen in Provinzen mit einer gesetzlichen Radhelmpflicht im Vergleich zu Provinzen ohne Helmpflicht festgestellt werden. Bei Erwachsenen konnte ein positiver Effekt ausschließlich in der Provinz British Columbia nachgewiesen werden, jedoch war auch hier der Interaktionseffekt nicht messbar (kein allgemeiner Effekt). Auch das Ausklammern von Gesichtsverletzungen aus der Betrachtung führte zu keiner nennenswerten Änderung der Ergebnisse.
Sowohl in Provinzen mit als auch in Provinzen ohne Radhelmpflicht ging die Zahl der in Krankenhäuser behandelten Kopfverletzungen (normiert auf 100.000 Einwohner) zurück. Der Einführungszeitpunkt einer allgemeinen Radhelmpflicht ist durch die gestrichelte Linie markiert.
Bereits vor Einführung einer allgemeinen Helmpflicht sank die Zahl der behandelten Kopfverletzungen eindeutig und konstant. Die Radhelmpflicht konnte diesen Effekt nicht verstärken.
Für die kanadischen Territorien lässt sich aufgrund der starken Streuung keine eindeutige Aussage treffen. Allerdings soll nicht unerwähnt bleiben, dass dort die Regressionsfunktion und damit die Zahl der behandelten Kopfverletzungen seit 2003 zu steigen scheint.
Diskussion der Ergebnisse
Die kanadischen Wissenschaftler konnten einen eindeutigen nominalen Rückgang der Kopfverletzungen und allgemeinen Verletzungen feststellen. In Provinzen mit einer Radhelmpflicht ging die Zahl der Kopfverletzungen stärker zurück als in Provinzen ohne Radhelmpflicht. Unter Einbeziehung der allgemeinen Unfallentwicklung konnte jedoch keine zusätzliche Wirkung der Radhelmpflicht auf die Zahl der Kopfverletzungen festgestellt werden. Sowohl in Provinzen mit, wie auch ohne, Helmpflicht gingen die Kopfverletzungen entsprechend zurück, eine unabhängige Wirkung der Radhelmpflicht blieb aus.
Dies ist vor allem deswegen verwunderlich, da Fahrradhelme das Risiko einer Gehirnverletzung um 88 Prozent, einer Kopfverletzung um 85 Prozent und einer Gesichtsverletzung um 65 Prozent reduzieren sollen.4 5 6 Ergänzung vom 13.05.2015: Eine genauere Betrachtung der Forschungsergebnisse von Thompson et al. lässt dieses Ergebnis weitaus weniger verwunderlich aussehen als von mir zuvor angenommen. Die erwähnte Studie weist insbesondere Defizite in der Auswahl der Kontrollgruppe auf und konnte in 25 Jahren in keiner Studie von anderen Wissenschaftlern belegt werden. Für weitere Informationen siehe “Wieso die Behauptung “Fahrradhelme verhüten 85% der Kopf- und 88% der Hirnverletzungen.” (Thompson et al. 1989) nicht belastbar ist” vom 13.05.2015.
Eine gesetzliche Radhelmpflicht hilft, die Helmtragequoten zu erhöhen (reduziert die Fahrradnutzung jedoch zugegebenermaßen um den Faktor 3-5).
Wenn Fahrradhelme das Verletzungsrisiko und die Verletzungsintensität beeinflussen und eine Radhelmpflicht die Helmtragequote erhöht, wieso ist es dann so schwierig, einen Rückgang der Kopfverletzungen nach Einführung einer Radhelmpflicht festzustellen?
Zwei mögliche Erklärungen sind simultan durchgeführte Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit für Radfahrer in Verbindung mit lokalen Radhelmregelungen kanadischer Kommunen. Die kanadische Interessensvertretung für Radfahrer CAN-BIKE wirbt seit 1985 für eine höhere Sicherheit für Radfahrer. Zudem gab es im Betrachtungszeitraum verschiedenste Kampagnen, nationale Bildungskampagnen und mehrere Verteilaktionen kostenfreier Fahrradhelme. Hinzu kommen verschiedenste infrastrukturbezogene Maßnahmen wie Verkehrsberuhigungsmaßnahmen, die Anlage neuer sicherer Radwege und Routen.
Eine dritte mögliche Erklärung des Ergebnisses ist die Schutzwirkung des Radhelmes an sich. So ist zu vermuten, dass ein Helm vor allem bei leichten und mittleren Kopfverletzungen schützt. Die Schutzwirkung ist bei schweren Kopfverletzungen, die in Krankenhäuser eingeliefert werden, möglicherweise geringer.
Diagnostische und prognostische Verbesserungen können zudem verhindert haben, einen positiven Effekt der Radhelmpflicht zu erkennen. So können Patienten mit leichten und moderaten Kopfverletzungen heutzutage ambulant in der Notaufnahme behandelt werden und müssen nicht mehr zwingendermaßen stationär aufgenommen werden. Dies kann die Statistik entsprechend verzerren. Daten über die Zahl der in Notaufnahmen eingelieferten Radfahrer würden helfen, diese Datenlücke zu schließen.
Zusammenfassung / Fazit
Von 1994 bis 2008 konnte ein substanzieller und konstanter Rückgang der in Krankenhäusern behandelten Kopfverletzungen von Radfahrern beobachtet werden. Der Rückgang war in Provinzen mit Radhelmpflicht am größten. Ein Rückgang der Kopfverletzungen war aber bereits weit vor Einführung einer Radhelmpflicht zu beobachten. Eine Steigerung der Reduktionsrate durch die Radhelmpflicht konnte nicht nachgewiesen werden.
Während das Tragen eines Helmes die Zahl der Kopfverletzungen reduziert und daher zu empfehlen ist, kann die Studie nur feststellen, dass die positive Wirkung einer gesetzlichen Radhelmpflicht bei gleichzeitiger Durchführung von Verkehrssicherheitskampagnen und einer Verbesserung der Infrastruktur bis zu einem gewissen Maß unsicher ist, und darüber hinaus nur minimale Wirkung entfaltet.
Dieser Artikel soll und kann keine eindeutige Aussage für und wider einer gesetzlichen Radhelmpflicht geben. Er soll eher das Bewusstsein für die komplexen und vielschichtigen Zusammenhänge schaffen. Derzeit fehlt es der unbestrittenermaßen notwendigen Diskussion an der notwendigen Tiefe. Die Wirkungszusammenhänge unterliegen einer hohen Komplexität, zudem fehlen umfangreiche Langfristuntersuchungen über die Wirkung einer Radhelmpflicht. Insbesondere die Wirkungsabgrenzung parallel stattfindender Verkehrssicherheitsmaßnahmen ist ein Problem. In diesem Bereich besteht weiterer Forschungsbedarf.
Die Diskussion über eine Radhelmpflicht sollte zudem weitestgehend entemotionalisiert geführt werden. Ebenfalls sollten die Wirkungen auf die Attraktivität und die Nutzungsintensität des Fahrrads direkt in die Wirkungsanalyse mit einfließen. Gesundheitsökonomische Betrachtungen rufen insbesondere bei persönlicher Betroffenheit oftmals Widerstände hervor. Jene Menschen sollten ernst genommen und beachtet werden. Nichtsdestotrotz sollte die Einführung einer gesetzlichen Radhelmpflicht immer Bestandteil einer ganzheitlichen Betrachtung sein.
- Beck LF, Dellinger AM, O’Neil ME. Motor vehicle crash injury rates by mode of travel, United States: using exposure-based methods to quantify differences. Am J Epidemiol 2007;166:212-8. ↩
- Pucher J,Dijkstra L. Promoting safe walking and cycling to improve public health: lessons from the Netherlands and Germany. Am J Public Health 2003;93:1509-16. ↩
- DENNIS, Jessica; RAMSAY, Tim; TURGEON, Alexis; ZARYCHANSKI, Ryan: Helmet legislation and admissions to hospital for cycling related head injuries in Canadian provinces and territories: interrupted time series analysis – Division of Epidemiology, Dalla Lana School of Public Health, University of Toronto, Ottawa Hospital Research Institute, Division of Critical Care Medicine, Department of Anesthesiology, Population Health—Practice-changing Research Unit (Trauma-Emergency-Critical Care Medicine), Université Laval, Departments of Internal Medicine and of Community Health Sciences, University of Manitoba; Mai 2013 – http://www.bmj.com/content/346/bmj.f2674 ↩
- Thompson DC, Rivara FP, Thompson R. Helmets for preventing head and facial injuries in bicyclists. Cochrane Database Syst Rev 2000;(2):CD001855. ↩
- Elvik R. Publication bias and time-trend bias in meta-analysis of bicycle helmet efficacy: a re-analysis ofAttewell, Glase and McFadden, 2001.AccidAnalPrev 2011;43:1245-51. ↩
- AmorosE, Chiron M, Martin JL, Thelot B, Laumon B.: Bicycle helmet wearing and the risk of head, face, and neck injury: a French case-control study based on a road trauma registry. Inj Prev 2012;18:27-32 ↩
Martin Randelhoff schrieb:
“Dies ist vor allem deswegen verwunderlich, da Fahrradhelme das Risiko einer Gehirnverletzung um 88 Prozent, einer Kopfverletzung um 85 Prozent und einer Gesichtsverletzung um 65 Prozent reduzieren.”
Zu dieser Behauptung nennt er Fußnote 5:
Elvik R. Publication bias and time-trend bias in meta-analysis of bicycle helmet efficacy: a re-analysis ofAttewell, Glase and McFadden, 2001.AccidAnalPrev 2011;43:1245-51.
In der zitierten Metaanalyse von Elvik wird eine Schutzwirkung im von M.R. behaupteten Ausmaß vehement bestritten. Dort heißt es:
“For all studies, based on a random-effects model adjusted for publication bias, the best estimate is a 15% reduction of the risk of injury to the head, the face or the neck if a bicycle helmet is worn. This summary estimate is statistically
significant at the 5% level.”
Viel wichtiger allerdings noch ist, dass Elvik in seiner Studie auch Verletzungen an der Halswirbelsäule betrachtet (verschiedene Studien konnten nachweisen, dass Verletzungen des Hals-Nackenbereichs durch das Tragen von Fahrradhelmen begünstigt werden):
“The head, the face and the neck can be viewed as three distinct regions of the body. Hence, it makes sense to develop summary estimates of effect of bicycle helmets for the head, the face and the neck. These estimates are shown at the bottom of Table 2. In general, the estimates suggest a modest overall effect of bicycle helmets. In the random-effects analysis, based on the new estimates only,
the effect vanishes entirely.”
Falls Martin oder andere die von Martin zitierte Studie lesen möchten:
http://www.cycle-helmets.com/elvik.pdf
Frank
Hallo zusammen,
schade, dass in den Köpfen immer noch der Rechenfehler aus der Seattlestudie herumgeistert. Damals wurde die fast 90%ige Schutzwirkung ncht nur aus drei Fällen errechnet, sondern auch eine um den Faktor 10 zu hohe Helmtragequote zugrunde gelegt. Folgt man der Rechnung der Autoren damals, so ergibt sich auch ein Schutz des übrigen Körpers von über 70% durch den Fahrradhelm! Rechnet man mit der richtigen Tragequote neu, so ergibt sich, dass der Helm die Wahrscheinlichkeit erhöht, mit einer Kopfverletzung ins Krankenhaus zu kommen.
Seit dem Urteil aus Schleswig, in dem fast 90 % der Radfahrer als “unverständig”, also dumm bezeichnet werden, weil sie keinen Helm tragen, und in dem ein Nervenarzt gutachtert über die Schutzwrikung des Helms bei dem beurteilten Unfall, ist vor allem eins klar: Jeder, der einen Fahrradhelm trägt, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass wir Nichtträger unsere Ansprüche vor Gericht gekürzt bekommen. Danke dafür! Endlich hat der Helm einen Nutzen: Er schützt nicht den Kopf, sondern das Konto!
Hallo Klaus!
Entschuldige, aber Helmtragende für diese unglaubliche und inkompetente Rechtssprechung verantwortlich zu machen ist wohl kaum der richtige Weg.
Die uneindeutigen Studien zeigen mir eins: In Sachen Helm soll jeder nach seiner eigenen Facon glücklich werden. Wollen wir hoffen, dass die nächste Instanz das genauso sieht.
Schöne Grüße
Florian
Gibt es irgendwelche Untersuchungen, ob in bestimmten Bevölkerungsgruppen die Radnutzung zurückging, nachdem eine Helmpflicht eingeführt wurde? Oder die Radnutzung im Vergleich zu Gebieten ohne Helmpflicht sich schlechter entwickelte/stagnierte? Dazu müsste man auch Helmtragequote (z.B. abhängig von Alter und Geschlecht) vor und nach der Einführung einer Helmpflicht untersuchen. Pflicht heißt ja nicht, dass es jeder auch tut – da spielt Überwachungsdichte natürlich eine Rolle.
Nein, natürlich nicht. Wenn ein Mediziner den Unterschied zwischen relativen und absoluten Werten versteht, verwandelt sich die Sonne in ein schwarzes Loch und der Antichrist erscheint.
Naaaa… Mein erster Kommentar war vielleicht etwas zu zynisch… Aber leider sprechen die Forscher hier mal wieder nicht das Unaussprechliche aus.
Tatsächlich klärt nämlich diese Studie womöglich die Wirksamkeit der Radhelme abschließend: Es gibt keine.
Tatsächlich ging in den kanadischen Provinzen mit Helmpflicht AFAIK die Fahrradnutzung stark zurück – wie auch in Australien und Neuseeland. Die Zahlen dazu müßte ich aber selbst erst raussuchen.
Da hier allerdings mit dem Anteil der Kopfverletzungen an den Gesamtverletzungen der Radfahrer gearbeitet und daraus ein Koeffizient gebildet wurde, werden die Daten der Provinzen untereinander vergleichbar und relativieren sich somit selbst.
Die Abnahme an Kopfverletzungen nach Einführung der Helmpflicht läßt sich damit alleine durch den Rückgang des Radverkehrs erklären. Eine Schutzwirkung scheint es nicht zu geben.
Nur als kleine Anmerkung aus der Studie:
“Within a province, however, the introduction of helmet legislation does not discourage bicycle use and thus permits assessment of helmet legislation on cycling related head injuries.” – siehe: Dennis J, Potter B, Ramsay T, Zarychanski R. The effects of provincial bicycle helmet legislation on helmet use and bicycle ridership in Canada. Inj Prev2010;16:219-24.
http://j.mp/13FZ09y
Dabei wissen wir ja, dass es einen eindeutigen Effekt gibt. Hsst du zufällig Zahlen aus Kanada parat? Am besten wäre eine Zeitreihe nach Provinzen. Eventuell muss man mal beim kanadischen Verkehrsministerium nachfragen…
Alberta:
http://j.mp/18exAcz
British Columbia:
http://j.mp/18exC4e
Nova Scotia:
http://j.mp/18exCkt
Alle jeweils zwischen 30-50 Prozent, aber die Zahlen sind leider nicht so belastbar, wie die aus Australien.
Hmmm,
es stört mich sehr, dass in diesem Artikel mit Titel “Wirkung einer Radhelmpflicht”, der an sich mal sehr objektiv wirkt, DIE eindeutig nachgewiesene Wirkung der Radhelmpflicht, nämlich der Rückgang des Radverkehrs, mehr oder weniger verschwiegen wird.
Dazu kommt noch eine zweite, auch deutlich nachgewiesene verheerende Wirkung: die Radhelmpflicht verhindert den Erfolg von bikesharing: http://tinyurl.com/q78hnm9. Gerade in Ländern und Städten, in denen wenig Rad gefahren wird, kann bikesharing sehr viel bringen – siehe Paris, London, New York. Und gerade in solchen Ländern droht die Einführung einer Helmpflicht – jetzt z.B. gerade in Spanien.
Auf den ersten Blick objektive Artikel wie der obige, die die Wirkung “Radverkehrsrückgang” weglassen, unterstützen das.
Da fällt mir die geforderte ” weitestgehende Entemotionalisierung” der Diskussion schon ein bisserl schwer.
Mit besten Grüßen
Hallo Herr Posch,
der durch die Helmpflicht induzierte Rückgang des Radverkehrs wird im Hauptartikel “Pro und Contra Radhelmpflicht” (https://www.zukunft-mobilitaet.net/5881/verkehrssicherheit/radhelmpflicht-pro-contra-studien-laender/) diskutiert. Dieser Artikel bezieht sich nur auf die durchgeführte und zitierte Studie. Es wird aber weitere Analysen geben, die sich noch intensiv mit diesem Argument gegen eine Helmpflicht beschäftigen werden.
Dieses Vorgehen ist meiner Meinung nach das einzig praktikable, wenn man wie von Ihnen auch festgestellt, die Objektivität wahren möchte. Eine Vermischung mehrerer Studien und Argumente (ohne exakte Daten nennen zu können) ist mMn nicht zielführend.
Viele Grüße,
Martin Randelhoff