Der Forschungsbereich “Autonomes Fahren” ist derzeit ein interessantes Betätigungsgebiet. Nicht nur Forschungseinrichtungen wie die TU Braunschweig, die FU Berlin, die Stanford University, mehrere Autohersteller und -zulieferer und andere forschen an autonomen Fahrzeugen, sondern auch fachfremde Unternehmen wie Google & Co.
Einen etwas anderen Ansatz für autonomes Fahren auf Autobahnen und Schnellstraßen wird zur Zeit in einem Forschungsvorhaben um den schwedischen Automobilhersteller Volvo entwickelt. Indem mehrere Pkw zu einer Art Zug, bestehend aus mehreren Einheiten, zusammenfasst werden, soll aus mehreren Einzelfahrzeugen ein einzelnes “virtuelles” Fahrzeug gebildet werden. Dadurch würden Abbiegevorgänge, Spurwechsel oder das einfache Fahren in eine Richtung zu einem einzigen Vorgang zusammengefasst, wodurch die Verkehrssicherheit steigen soll.
Die Technologie steht bereits zur Verfügung und besteht aus mehreren Modulen. Die Entwicklung der unterschiedlichen Module wird von der EU finanziert und über das SARTRE-Projekt koordiniert. Modul Eins ist ein automatisches Bremssystem. Alle neuen Volvos werden mit Sensoren ausgestattet, die automatisch bremsen, sobald sich Fußgänger oder andere Hindernisse im Fahrweg befinden. Auch andere Autohersteller arbeiten an entsprechenden Sensoren. Modul Zwei ist ein Fahrspurassistent, der den PKW in der Spur hält. Modul Drei muss außerhalb des Fahrzeuges in der Straße installiert werden. Computersensoren im Asphalt informieren eine Leitstelle und den Autofahrer über die Verkehrsdichte und eventuelle Staus.Diese Entwicklung soll in sogenannten “Road trains” münden. Dadurch fahren die PKW nicht unabhängig voneinander, sondern in einem Konvoi, der von einem einzelnen Fahrzeug angeführt wird. Dieses Fahrzeug soll von einem professionellen Fahrer gefahren werden, wodurch die Verkehrssicherheit insgesamt steigen soll. Berufskraftfahrern soll mit finanziellen Anreizen die Rolle als Führungsfahrer schmackhaft gemacht werden. Laut Volvo wäre es vorstellbar, dass Nutzer des Road trains bis zu drei Euro je 100 Kilometer bezahlen könnten. Um die Sicherheit zu gewährleisten, soll der Lkw mit einem Atemalkoholgerät ausgestattet sein, sodass die Fahrtüchtigkeit des Lkw-Fahrers vor Fahrtantritt zwingend geprüft werden muss, da ansonsten der Motor nicht startet.
Da Computersensoren die Fahrt jedes einzelnen Fahrzeuges steuern sowie die Kommunikation untereinander sicherstellen, können die Fahrer der sich im Road train befindenden Fahrzeuge Essen, Zeitung lesen, Musik hören ohne selbst die Hand am Steuer haben zu müssen. Des Weiteren kann die Kapazität der Straße ohne weitere Eingriffe erhöht werden, da der Sicherheitsabstand viel geringer sein muss.
Über eine spezielle Application für Smartphones soll der Autofahrer sehen können, wo, wann und in welche Richtung der nächste Road train vorbei kommt. Des Weiteren soll es möglich sein, für wenige tausend Euro Fahrzeuge Road train-tauglich zu machen. Volvo schätzt die Kosten für ein Nachrüstset auf etwa 2.000 Euro.
Im Konvoi fahrende Autos messen selbstständig den Abstand, die Geschwindigkeit und Richtung und passen diese gegebenfalls an ihren Vordermann an. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass alle PKW sich mit selber Geschwindigkeit in dieselbe Richtung bewegen und es innerhalb des Konvois zu keinem Unfall kommen kann. Jedoch sind alle Fahrzeuge weiterhin autonom und können den Konvoi jederzeit verlassen.
Die Fahrzeuge im Road Train reagieren nahezu in Echtzeit auf die Impulse und Fahrbewegungen, die das Führungsfahrzeug aussendet. Die Signallaufzeit und Reaktion beträgt nur zehn Millisekunden. Heutige Abstandsregeltempomaten haben eine Reaktionzeit von etwa 150 Millisekunden.
Neben dem schwedischen Autobauer Volvo sind das schwedische SP Technical Research Institute (zur SP Gruppe gehörend), die britische Kapital- und Beratungsgesellschaft Ricardo, das spanische Robotiker-Tecnalia Technology Centre, die internationale Unternehmensgruppe im Bereich Entwicklungsdienstleistungen für die Automobilindustrie Applus+ IDIADA und das Institut für Kraftfahrzeuge der RWTH Universität Aachen (IKA) am SARTRE-Projekt beteiligt. Die Projektkosten werden mit 6,4 Millionen Euro angegeben, von denen die Europäische Union 60 Prozenz fördert.
Ziele sind Forschungsprojekts sind:
- die Entwicklung von verschiedenen Techniken für das eigenständige Fahren von Automobilen im Kolonnenverkehr auf Schnellstraßen, ohne dabei die Straßen selbst oder die Infrastuktur der Straßen verändern zu müssen
- Einsatz und die Integration eines Prototypsystems unter Realbedingungen
- Erstellung einer fundierten Studie, die die Verbesserungen auf den Gebieten Umwelt, Sicherheit und Verkehrsdichte aufzeigt
- Veranschaulichung und Aufzeigen der Vorteile, die durch die Anwendung der innovativen Technik sowohl für den Führungswagen als auch für die Kolonnenfahrzeuge generiert werden.
Erste Tests mit einem PKW und einem LKW als Führungsfahrzeug haben bereits sehr gut funktioniert. Natürlich benötigt diese Technologie noch einige Jahre Entwicklungsarbeit, bietet allerdings auch einige Vorteile.
Primär wird die Verkehrssicherheit erhöht, da der menschliche Faktor weitgehend minimiert wird. Dieser ist für mehr als 80 Prozent aller Straßenverkehrsunfälle verantwortlich. Des Weiteren können mit Hilfe dieser Technologie der Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen um etwa 20 Prozent gesenkt werden. Als angenehmen Nebeneffekt ermöglicht die Konvoifahrt eine entspanntere Autofahrt und vermindert Stress für den Fahrer.
In Zukunft werden insbesondere Fragen einer einheitlichen Sprachregelung für den autonomen Kolonnenverkehr zu lösen sein. Auch müsste für den europaweiten autonomen Verkehr eine Harmonisierung der Straßenverkehrsbestimmungen erfolgen. Weiterer Klärungsbedarf existiert bei Haftungsfragen, gesetzlichen Bestimmungen und bezüglich der Akzeptanz der Autofahrer.
Aktualisierung – 11.02.2012
Im Januar 2012 wurde die erste Testphase mit einer Kolonnenfahrt autonom fahrender Autos auf einer Teststrecke bei Göteborg abgeschlossen. Die Testflotte bestand aus einem Lkw und drei autonom fahrenden Pkw ohne Fahrer, die dem Führungsfahrzeug mit Geschwindigkeiten von bis zu 90 km/h folgten. Der Maximalabstand der Fahrzeuge von sechs Metern wurde ständig eingehalten.
Aktualisierung – 29.05.2012
SARTRE wurde nun das erste Mal im regulären Straßenverkehr getestet. Zwei Lkw, zwei Pkw und ein SUV (Volvo XC60, Volvo V60 und ein Volvo S60) befuhren Straßen sowie ein Autobahnteilstück in der Nähe von Barcelona. Das System hat sich bei dem Test bewährt, Probleme mit dem Verkehr und den topographischen Gegebenheiten sind nicht aufgetreten.
Aktualisierung – 24.09.2012
Volvo und die beteiligten Partner haben nach eigenen Angaben das SARTRE-Projekt erfolgreich zu Ende geführt. Das autonome Fahren hinter einem Führungsfahrzeug wurde bis 90 km/h mit einem Fahrzeugabstand von vier Metern durchgeführt. Die Kraftstoffeinsparung lag zwischen zehn und zwanzig Prozent.
Hallo Martin
Deine Empfehlungen sind eine sehr gut Einleitung im Technischen Bereich, hat mir geholfen!
Jetzt hoffen wir das Beste für Freitag! :-)
Merci
Francesco
Hey!
Bei uns am Institut für Verkehrsforschung am DLR wurde ebenfalls eine thematisch passende Dissertation verfasst:
http://elib.dlr.de/75638/
Vielleicht nützlich für Interessierte wie Francesco =)
Beste Grüße aus Berlin
Eine intelligente Kopplung von Fahrzeugen zwecks Kolonne fahren kann ich mir durchaus in fernerer Zukunft vorstellen. Aber nur auf Autobahnen. Technisch ist das sicher bald möglich. Autobahnen würden eine ungeahnte Leistungsfähigkeit und Entspanntheit bekommen. Wenn man sich die Fortschritte in der Verkehrstechnik in den letzten 30 Jahren ansieht, wird man allerdings schnell ernüchtert, was den zukünftigen Zeithorizont betrifft.
Aber ein Einsatz in der Stadt mit vielfältigen und “chaotischen” Wegebeziehungen sehe ich dieses System nicht als praktikabel an. Und somit ist es auch keine Möglichkeit, Radfahrer vor Abbiegeunfällen zu schützen. Diese fahren ja nun mal nicht auf Autobahnen.
Um Radfahren sicherer in der Stadt zu machen, muss man gar nicht so komplizierte und teure Systeme entwickeln.
Tempo 30 flächendeckend, Abbiegeassistenten als Zulassungsvoraussetzung für Kfz, Aufhebung Radwegbenutzungspflicht und vielleicht der Umbau von gefährlichen Kreuzungen bewirken bestimmt eine enorme Verbesserung.
Aber solange D einen Verkehrsminister hat, dem ein “flüssiger, schneller, Autofliessverkehr” viel wichtiger ist als Verkehrssicherheit wird sich vsl. nichts tun. Da wird auch Ramsauers Nachfolger nichts ändern.
Da wird sich mit Helmpflicht für Radler, Wechselnummernschildern und Flensburger Punkte-Systemen beschäftigt. Ziemlich übel.
Ups, mein Fehler^^ Das System ist natürlich nur für Autobahnen und Schnellstraßen gedacht…keine Ahnung wieso ich damals mit innerstädtischem Radverkehr angefangen habe (und wieso mir das bis heute nicht aufgefallen ist), für die Stadt hat die Anwendung eines solchen Systems natürlich nur begrenzt Sinn^^
Ich werde den Radverkehrsteil rausnehmen und irgendwie zweitverwerten ;-)
Danke für den Hinweis!
Hallo Martin
Ich habe gelesen dass du Verkehrswirtschaft an der TU Dresden studierst.
Ich arbeite in Zürich bei der Unternehmung Implenia Bau AG und folge eine Weiterbildung in Wirtschaftsingenieurwesen.
Für meine erste Modularbeit habe ich das Thema
“Intelligente Fahrzeuge, wirtschaftlicher Einsatz von LKWs im Schweizerische Transport” gewählt, nachdem ich eine Sendung auf EuroNews / Hi-Tech gesehen habe.
In Sweden, werden ab 2012 “intelligente Fahrzeuge” die sich auf der Straße ähnlich wie ein Zug bewegen umgesetzt. Lastwagen können miteinander kommunizieren und finden ihre Position auf der Straße automatisch. Das Ziel ist, mehrere LKWs hintereinander fahren zu lassen, um Luftreibung zu reduzieren und so 10 Prozent Treibstoff einzusparen.
Ich möchte eine kleine Marktanalyse erstellen und prüfen ob diese Massnahme im Rahmen des Grossprojekts AlpTransit umsetzbar wäre.
Hättest du Tips, Webseiten, Artikeln, usw., die du mir entpfehlen könntest?
Ich finde das Thema “ein besseres Verkehr für die Zukunft” spannend und möchte es vertiefen.
Besten Dank im Voraus für deine Bemühungen.
Francesco DN
Hallo Francesco,
ich weiß nicht, ob diese Arbeiten dir wirklich helfen, aber es sind die einzigen die ich zum autonomen Fahren mit Lkw in meiner Linkliste / Referenzierungsliste zu diesem Thema gespeichert habe. Es kann jedoch sein, dass die zu stark auf die technischen Details eingehen und nur begrenzt für eine Marktanalyse geeignet sind. Speziell zu diesem Thema fallen mir jedenfalls keine Arbeiten o.ä. ein.
Factors for assistance and automation (pp. 243 – 256). Maastricht, the Netherlands: Shaker Publishing
Du kannst auch versuchen Publikationen bzgl. Sekundenschlaf / Ablenkung o.ä. zu suchen. Da sind auch oft Studien zum autonomen Fahren (Pkw und Lkw) rezensiert bzw. genannt.
Ich hoffe, dass ich dir helfen konnte. Viel Erfolg bei deiner Arbeit! ;-)
Martin